Hallo zusammen,
wir (tunesisch-deutsche Familie mit 1 Kind) sind vor einem Jahr nach Tunis ausgewandert.
Ich bin in Deutschland von einer Firma angesprochen worden, die eine deutsche Geschäftsleitung für ihre Firma in Tunis suchten. Da ich immer mal für eine Zeit ins Ausland wollte, bot sich diese Gelegenheit natürlich an, auch wenn ich nie nach Tunesien wollte. Bedingung war gut, Job für mich und dann zufälligerweise auch Job für meinen Mann. Unser Sohn damals 5 Jahre alt, einfach eine gute (sichere) Gelegenheit das mal auszuprobieren.
Ich sprach und spreche immer noch nicht fliessend Arabisch oder Französisch, aber hatte damals schon wenigstens ne Base, zur Not auch selber was regeln zu können. Hab aber noch nen Intensivkurs in Paris gemacht und hier auch direkt einen Franz. Lehrer gesucht.
Das Jahr war alles andere als leicht, obwohl die Voraussetzungen so gut waren/sind. Ich kannte Tunesien schon von meinen vielen Urlauben. Trotzdem ist es etwas total anderes, wenn man hier dann leben möchte.
Haussuche war nicht so problematisch, einfach nur genauso nervig wie in einer deutschen beliebten Großstadt. Sehr anstrengend sind die ganzen alltäglichen Sachen. Reparaturen, Wasser, Strom, Telefon regeln und bezahlen (hier ist nix mit Einzugsermächtigung, Dauerauftrag oder Überweisung...). Anstrengend war es eine Vorschule für meinen Sohn zu finden, da das hier allem nicht dem entspricht, was ich aus Deutschland kannte und schätzte. Die Umstellung für mich war ok, unser Sohn hat sehr gelitten. Es fehlten und fehlen ihm immer noch seine Freunde, die Spielplätze, das Besuchen und Übernachten etc. Die Umstellung für meinen Mann war und ist härter als für mich.
Die Arbeit hier ist hart. Auf eine andere Weise als in D. Ich bin es gewohnt viel zu arbeiten und unter Streß zu arbeiten. Aber hier mit der Verlogenheit klar zu kommen, dass man niemandem vertrauen kann, das ständige Gemauschel, die eigenartigen Dinge, die ständig passieren, das ist hart. Ebenso der Weg zur Arbeit und zurück. Wenn man jeden Tag in diesem Verkehr hier unterwegs sein muss und jedes Mal das Herz mehrmals aussetzt und man sich nicht sicher ist heile anzukommen, macht mich wahnsinnig. In D bedeutete der Weg von der Arbeit abschalten. Die Arbeit hinter mir lassen. Den Weg genießen. Hier bedeutet er Angst um die Gesundheit ;O)
Es war damals total offen, wie lange wir hier bleiben. Wir können gehen, wenn wir wollen. Wir können bleiben so lange wir wollen und die Firma bestehen bleibt. Aber es ist uns schon klar, dass wir nicht für immer bleiben wollen. 2 Jahre noch durchhalten, das ist angepeilt.
Ich bereue diesen Schritt nicht. Es sind Erfahrungen, die wir sammeln. Mein Sohn und ich lernen Sprachen und Kultur. Meinem Mann, der immer zurück wollte ist aufgegangen, dass D trotz aller Mängel doch sehr schätzenswert ist. Mir hilft es meinen Mann besser zu verstehen. Er ist zwar in D geboren aber vor allem in TN aufgewachsen.
Würde ich es wieder machen? Ja. Aber tatsächlich auch nur unter diesen Bedingungen, dass mind. einer von uns einen guten Job hat.
Ich habe hier nun auch andere Beispiele kennengelernt. Frauen, die zu ihren Habibis gegangen sind, ohne Job und ohne Sprache. Deutsche Paare, die von einem Leben in der Sonne geträumt haben. Das kann ich nicht empfehlen.
Tunesien ist kein Einwandererland. Nichts wird einem leicht gemacht. Man wird nicht unterstützt, sondern hier wird einem alles schwer gemacht. Das hinzukriegen bedarf Sprache und Unterstützung von Menschen, denen man 100%ig vertrauen kann (in der Regel nur die engste Familie).
Wenn man von einer deutschen Firma entsendet wird und von denen alles erledigt wird, dann ist es natürlich viel einfacher. Solche Freunde haben wir lustigerweise vom ersten Tag an gehabt und ich habe sie drum beneidet, dass sie sich nicht selber um die Autozulassung kümmern mußten, nicht um die KV, nicht um die Wohnung etc.
Ach ja, mein Sohn ist in einer sehr einfachen tunesischen Privatschule, da ich es ihm nicht schwerer machen wollte als eh schon und er ja Arabisch schon konnte. Da lernt er jetzt Arabisch, Französisch und ein bißchen Englisch. Da wir zuhause nur Deutsch sprechen, deutsche Freunde haben, er seine deutschen Serien im Kika weiterguckt, innerhalb eines Jahres 4 Mal in D war und kräftig mit seinen Freunden und Großeltern skypt hat sich sein Deutsch weiterhin entwickelt und verbessert, so wie es auch in D gewesen wäre. Da gibt es also bei uns kein Problem. Arabisch spricht er, wenn auch ein bißchen eigenartig, da er bspw. das R nicht rollt und Franz versteht er mittlerweile auch schon ganz gut.
So, ich hoffe ich konnte ein wenig Informatives beitragen.

Liebe Grüße