Hallo Om Eya,

ich finde es wie Du sehr wichtig, dass bionationale Kinder mit beiden Sprachen aufwachsen. Ich kann jetzt nur aus meiner Sicht sprechen und muss zugeben, dass ich eine für tunesische Verhältnisse sehr offene Tochter habe. Sie ist von Anfang an mit beiden Sprachen aufgewachsen und mein Mann hat sich an die strikte Trennung nur arabisch mit ihr zu sprechen gehalten.
Ich habe aus Deutschland viele Kinderbücher mitgenommen und ihr immer eine Gutenachtgeschichte vorgelesen und sie mit Bilderbüchern oder Katalogen spielen lassen.
Am Anfang hat sie kaum gesprochen, wir haben jedoch festgestellt, je nachdem, wer gesprochen hat, sie hat es verstanden, egal ob deutsch oder arabisch. Nur Sprechen, dass kam relativ spät. Aber sie hat je nach Reaktion sehr schnell einen Schalter entwickelt, den sie dann je nach Gast oder Familienmitglied umlegt.
Wichtig ist natürlich auch der Bezug zur Heimat der Mutter und wenn der regelmäßig gefördert wird kommen die witzigsten Situationen zustande, hier oder dort.
Die Kinder von meiner Freundin haben dadurch nicht nur die deutsche Sprache perfektioniert, sondern auch den Wiener Dialekt.
Am Strand im Sommer glaubt jeder, die Kinder seien Europäer und sind ganz baff, wenn sie dann auf einmal arabisch sprechen.
Eben diese Freundin kam mit den Kindern nach Djerba, ohne das die Kinder je ein Wort ihrer Vatersprache sprechen konnten. Sie haben es im Kindergarten bzw. in der Schule sehr schnell gelernt.
Von ihr habe ich auch erfahren, wie die Kindergärten arbeiten.
Ich bin dann mit meinem Mann auf die Suche gegangen und habe mir mehrere Einrichtungen angesehen, denn zu der Zeit sind sie wie Pilze aus dem Boden geschossen.
Auch der multikulturelle Kindergarten „Krixi Kraxi“ stand auf unserer Liste. Ich habe einige Mütter gekannt, die ihre Kinder dort hingegeben hatten, wollte aber unbedingt mir ein eigenes Bild machen für das viele Geld.
Es ist ein kleines Wohnhaus mit Minivorgarten. Die Kinder werden dort zeitlich wie im normalen Kindergarten betreut, dass Essen muss mitgegeben werden und wird in der Mikrowelle aufgewärmt. Die Möbel sind wie in den normalen Kindergärten auf Zwergengröße und das Spielzeug entweder gekauft oder gespendet.
Zu der Zeit hat man den Kindern ein Frühstück angeboten mit Käse oder Schinken und Getränken wie Wasser, Kakao oder Saft (inklusive).
Extras wie z.B. Kurse im Malen mussten aber extra bezahlt werden. Es gab auch Aerobic oder Gymnastik-Nachmittage.
Gegründet wurde der Kindergarten von einer Österreicherin, die mit ihrem tunesischen Mann hier gelebt hat. Als Betreuer hatte sie eine Französin und eine Tunesierin engagiert. Leider hat das ziemlich oft gewechselt, was laut Gerüchten an der Bezahlung gehapert haben soll. Auch von Gewaltausbrüchen in Stresssituationen war die Rede.
Das war der Stand von vor 4 Jahren.
Das Problem, was ich mit dieser Einrichtung einfach hatte, war dass dort die meisten Kinder aus der Oberschicht kamen, also eine Art Elitebildung.

Wir haben uns dann für einen kleinen Kindergarten in der Nähe unseres Hauses entschieden. Die Besitzerin hat mich wohl für eine überdrehte Europäerin gehalten, denn ich habe mir als erstes die Toiletten angesehen. Überrascht war ich, dass dort Ersatzkleidung für den Ernstfall bereitgehalten wurde, falls mal was in die Hose ging. Die Möbel waren mit dem Krixi Kraxi vergleichbar, ebenso das Spielzeug.
Die Betreuung im ersten Kindergarten wurde von einer ausgebildeten Kindergärtnerin und der Besitzerin durchgeführt.
Es gab 2 Gruppen à 10 Kindern im Alter von 2-3 Jahren und es wurde sehr liebevoll mit den Kleinen umgegangen. Natürlich sind den Rabauken auch Grenzen gesetzt worden, aber nur mit Worten. So mussten die Kinder z.B. vor dem Abholen sich ruhig auf Sitzmatten setzen und bekamen noch Geschichten erzählt oder es wurde gesungen. So wurden die Kinder nach dem Spielen einfach ein bisschen runtergefahren. Ich habe damals in der Nähe gewohnt und bin oft unangemeldet mal vorbeigegangen und habe die Kinder spielen sehen. Zeitweise draußen aber auch zusammen in den Räumen. Es wurde gemalt, gespielt mit tun. Lego oder gemeinsame Kinderspiele wie wir sie auch kennen, nur eben tunesisch.

Am Anfang hat man sich noch gewundert, dass unsere Tochter einige deutsche Ausdrücke gesagt hat, aber irgendwie war das kein Problem. Sie hat immer gezeigt was sie will und auch bekommen.

In dem größeren Kindergarten haben die Kinder zur Mittagszeit vor den Räumen auf die Eltern gewartet oder auf dem Spielplatz gespielt. Grundsätzlich vor dem eigentlichen Beginn durften sich die Kinder austoben und eben zur Abholzeit. Ansonsten gab es einen Tag in der Woche wo nur gespielt wurde, es war meist der Tag an dem Nachmittags frei war. Meine Tochter hat dort, sie war 3 Jahre alt, eine Spielgruppe und anschließen bis zum Schluss die Spiel- und schulvorbereitende Gruppe besucht. Ihre Kindergärtnerinnen hat sie heiß und innig geliebt.
Mein Problem war nur, dass sich keiner getraut hat mit mir als Mutter zu reden, weil alle meinten ich verstehe als Ausländerin nichts, aber nett und professionell waren sie alle. Unsere Tochter war nicht das einzige binationale Kind, es gab noch ein englisch/tunesisches, franz./tun. und ital./tun. Kind.
Auflüge, die Du ansprichst wurden auch gemacht, Geschenke für die Mama zum Muttertag oder Basteleien zum Aid. Ich habe viele Sachen aufbewahrt.
Musik und Tanz spielen in der tunesischen Kultur eine große Rolle und meine Tochter tanzt wie eine Wilde. Sie wurde oft aufgefordert zu tanzen und auf den Abschlussfeiern hat sie immer getanzt. Diese Tänze sind in der normalen Kindergartenzeit eingeübt worden und sie war stolz wie Oskar sie mir zu zeigen.
Sauber ist sie kaum daheim angekommen, ich möchte nicht sagen wie oft ich gewaschen habe und es noch immer mache. Ihr Kittel war und ist immer voller Farbe, Knete und Sand.

Selbst jetzt in der Vorschule, wo ich ja am meisten Angst vor hatte.
Die Lehrerin ist eine junge moderne Tunesierin, die selber Kinder im Alter von 3-7 Jahren hat.
Letztens hat sie mich gefragt ob ich ihr nicht Kindermusik besorgen könne, damit die Kinder nach dem Unterricht danach tanzen können. Ich habe selbstverständlich eine ganze CD überschrieben und dass die Lieder auf Deutsch sind, stört niemanden. Unsere Tochter tanzt vor und alle anderen tanzen eben nach. Oft kopiert sie sich aus dem Internet Malvorlagen für die Kinder und lässt die Kinder nach dem normalen Unterricht malen, puzzeln oder Spiele spielen. Zum Abholen gibt es dort auch die Ruhephase wo sie den Kindern vorliest oder die Kinder erzählen lässt.

Beruflich hatte ich das Glück, dass ich in den tunesischen Ferien meine Tochter mitnehmen konnte. Ich habe sie dann in den Kinderclub gebracht. Dort war sie dann ausschließlich unter deutschsprachigen Kindern.

Ich muss sagen, ich habe Glück gehabt und bin immer dahinter gewesen wo mein Kind ist. In der Vorschule ist es sogar erwünscht, dass die Eltern mitreden und Fragen stellen. Wie viele Eltern davon Gebrauch machen, weiß ich nicht. Ich mache es auf jeden Fall und der Kontakt ist gut.
Ich denke, die tunesischen Eltern sind der Meinung, dass die Kindergärten und Schulen immer noch Erziehungsanstalten sein sollen. Das was daheim nicht in die Köpfe getrichtert werden kann soll dann dort erreicht werden.
Ich habe mal ein Mädchen erlebt, was geschlagene 2 Stunden neben seinem Vater gesessen hat ohne zu sprechen oder vom Stuhl aufzustehen. Es war der Wahnsinn, wenn ich da an meine Tochter denke. Die Eltern sind einfach stolz darauf, wenn ihr Kind einem Idealbild entspricht. Die Selbstständigkeit und das Lebensbejahende was wir uns bemühen zu fördern spielt überhaupt keine Rolle, weil man sich dann eventuell unbequemen Fragen und Diskussionen stellen müsste, wo doch Gehorsam an oberster Stelle stehen sollte.

Ich sehe schon, ich rede mich in Rage. Es macht mich traurig wenn andere Leute schlechte Erfahrungen machen müssen.
Ich bin froh, dass es einige wenige Leute in meinem Umfeld gibt, die sich für eine kindgerechte Erziehung einsetzen, auch wenn die staatlichen Stellen sich immer noch in grauer Vorzeit befinden.
Für meine Tochter bemühe ich mich ihr neben der Schule einen abwechslungsreichen Alltag zu bieten und unternehme sehr viel mit ihr und lasse den Kontakt in meine Heimat nie abbrechen.