Betreff: Deutsche Staatsbürgerschaft abgeben
Einsatz: €30,00
Status: Beantwortet
geschrieben am 23.11.2005 07:36:00

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich überlege meine deutsche Staatsbürgerschaft aufzugeben.

Worauf sollte ich achten und welche konkreten (!) Folgen habe ich zu erwarten auf Verlust meiner Rechte beim Leben in Deutschland?

Ich bin 33 Jahre alt, in Deutschland geboren und lebe seit Geburt in Deutschland; meine Muttersprache ist Deutsch. Die deutsche Staatsbürgerschaft besitze ich von Geburt an. Ich besitze eine weitere Staatsbürgerschaft eines EU-Staates (Italien).

Mich interessieren keine allgemeine Themen, wie das ich nicht mehr in Deutschland wählen darf oder ich trotz allem hier bleiben darf, weil ich dann einem EU Staat angehöre.

Sondern ich möchte konkret wissen welche rechtlichen und besonders finanztechnischen Nachteile ich durch die Abgabe der dt. Staatsbürgerschaft habe.

Hat die Abgabe Auswirkungen auf den Erhalt meiner Verletztenrente (als Folge einer Minderung der Erwerbstätigkeit) oder der späteren Vollzeitrente.
Wie sieht es mit dem Bezug von Sozialleistungen aus? Habe ich Anrecht auf Arbeitslosengeld, Wohngeld, Sozialhilfe?
Kann ich des Landes "verwiesen" werden? Wann und warum?

Welche Schritte muss ich einleiten (welche Papiere muss ich wo abgeben?) zur Abgabe der Staatsbürgerschaft und was kostet die Abgabe?

Würden Sie mir aus anwaltlicher Sicht und nach den gemachten Angaben raten die dt.Staatsbürgerschaft abzugeben? (Hier interessiert mich Ihre rechtliche Sichtweise!)

Also nochmals: Mir ist klar, dass ich dann keine deutsche Vertretung im Ausland aufsuchen kann, ich nicht mehr Deutsche bin und ich hier nicht mehr wählen darf. Aber was sonst kommt als Ausländerin auf mich zu? (Behördenwahn!)

Vielen Dank für Ihre Beantwortung!

Mit freundlichem Gruß


Sehr geehrter Fragestellerin,
sehr geehrter Fragesteller,

ich will Ihre Frage unter Berücksichtigung der von Ihnen gemachten Angaben wie folgt beantworten:

Zunächst ist festzustellen, dass die in Ihrem Fall einschlägige Vorschrift die des § 26 StAG (=Staatsangehörigkeitsgesetz) ist:

§ 26 StAG:
(1) Ein Deutscher kann auf seine Staatsangehörigkeit verzichten, wenn er mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt. Der Verzicht ist schriftlich zu erklären.

(2) Die Verzichtserklärung bedarf der Genehmigung der nach § 23 für die Ausfertigung der Entlassungsurkunde zuständigen Behörde. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn eine Entlassung nach § 22 Abs. 1 nicht erteilt werden dürfte; dies gilt jedoch nicht, wenn der Verzichtende

1. seit mindestens zehn Jahren seinen dauernden Aufenthalt im Ausland hat
oder
2. als Wehrpflichtiger im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 2 in einem der Staaten,deren Staatsangehörigkeit er besitzt, Wehrdienst geleistet hat.

(3) Der Verlust der Staatsangehörigkeit tritt ein mit der Aushändigung der von der Genehmigungsbehörde ausgefertigten Verzichtsurkunde.

(4) Für Minderjährige gilt § 19 entsprechend.

Sie müssen also, wenn Sie sich wirklich zu diesem Schritt entschließen sollten, als erstes eine schriftliche Verzichtserklärung abgeben.

Zuständig für die Entgegennahme dieser Erklärung ist, je nach Bundesland, entweder ein Ministerium oder eine andere Behörde, auf die die Zuständigkeit übertragen wurde. Genaueres kann leider ohne Kenntnis Ihres Wohnortes nicht gesagt werden.

Daraufhin prüft diese Behörde, ob sie den Verzicht genehmigt. Ihre Genehmigung kann sie nur verweigern, wenn Sie Beamter, Richter oder Soldat der Bundeswehr sind oder in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen und dieses noch nicht beendet ist. Prüfen Sie also selbst kurz nach, ob Sie einer dieser Gruppen angehören.
Ist dies nicht der Fall, so erteilt die Behörde die Genehmigung. Daraufhin erhalten Sie von ihr eine Verzichtsurkunde, erst dann wird der Verzicht wirksam und Sie besitzen nicht mehr die deutsche Staatsangehörigkeit.

Durch dieses Verfahren entstehen Verwaltungsgebühren, die Sie zu tragen haben. Auch diese sind je nach Bundesland unterschiedlich, jedoch ist mit ca. € 200-400 zu rechnen.

Zu den sonstigen Rechtsfolgen, die durch einen Verzicht entstehen: Wie Sie schon selbst ausführen, sind diese in Ihrem Fall durch die Tatsache gemildert, dass Sie eine andere EU-Staatsürgerschaft besitzen. Dennoch enstehen teilweise nicht ganz unerhebliche Rechtsfolgen:

Im Hinblick auf die Verletztenrente zeitigt Ihr Verzicht keine Folgen, da die Gewährung dieser Rente grundsätzlich unabhängig von der Staatsangehörigkeit erfolgt.

Gleiches gilt für Ihre spätere Altersrente. Auch diese ist unabhängig von Ihrer Staatsangehörigkeit. Insofern wären Sie auf der "sicheren Seite".

Etwas anders verhält es sich mit dem Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sowohl für ALG I als auch für ALG II sowie die Sozialhilfe gilt: Auf diese Leistung haben Sie zunächst einmal nur als Deutscher Anspruch. Als Ausländer im Sinne des Gesetzes, der Sie im Falle eines Verzichtes wären, haben Sie nur einen Anspruch auf diese Leistung, wenn Ihnen die Aufnahme einer Arbeit erlaubt werden könnte. Dies aber ist bei einer anderen EU-Staatsangehörigkeit immer der Fall. Damit wären Sie auch insoweit gleichgestellt. Allerdings müssten Sie Ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD haben.

Im Hinblick auf den Wohngeldanspruch gilt das soeben ausgeführte entsprechend, Sie haben auch als Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf.

Klar muss Ihnen aber auch sein, dass umgekehrt bei einer etwaigen Arbeitssuche Ihrer Person es durchaus geschieht, dass die Vermittler arbeitsfähige Deutsche vorrangig vermitteln. Diese Behördenpraxis existiert in manchen Städten.
Die hier angesprochene Problematik stellt sich nicht nur in diesem Fall, sondern Sie sollten in Ihre Entscheidung auch die unterschwelligen, nicht rechtlich, sondern nur rein tatsächlich greifbaren Nachteile miteinbeziehen, die Sie als Ausländer durchaus haben. Gerade im Hinblick auf den von Ihnen angesprochenen Behördenwahn ist es für Sie im Hinblick auf Ihr "Standing" bei den Behörden, welches natürlich bei jeder Entscheidung zumindest miteinfliesst, vorzuziehen, die deutsche Staatsbürgerschaft weiterhin innezuhaben.
Auch sollten Sie beachten, welche Nachteile Sie durch Ihre deutsche Staatsbürgerschaft haben. In Ihrer momentanen Lebenssituation sind dies wohl keine. Zu Wehrdienst oder Zivildienst, soweit nicht schon abgeleistet, werden Sie nicht mehr herangezogen. Auch existieren wichtige Grundrechte, die nur für Deutsche Geltung haben, so etwa die Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit, auf die Sie sich als Ausländer nicht mehr berufen könnten.

Schließlich zu Ihrer Frage, ob Sie des Landes verwiesen, also ausgewiesen werden können:

Mit Ihrem dann neuen Status als Ausländer muss für Sie in Deutschland ein Bleiberecht bestehen, damit Sie sich in der BRD aufhalten dürfen. Wiederum gilt zwar, dass für EU-Bürger dieses grundsätzlich besteht, solange sie in Deutschland wirtschaftlich in irgendeiner Weise tätig sind. Ist dies aber nicht (mehr) der Fall, so könnte Ihr Aufenthalt in der BRD beendet werden.

Dies kann auch eintreten, wenn Sie Straftaten von einigem Gewicht begehen würden oder in sonstiger Weise die öffentliche Sicherheit oder Ordnung in der BRD gefährden würden.

Sie sehen also: Aus dem völlig selbstverständlichen Recht, in der BRD leben zu dürfen, würde eine entziehbare Position.

Mein abschließender Rat: Solange Ihnen durch die deutsche Staatsangehörigkeit keine immensen Nachteile entstehen, was von hier aus nicht beurteilt werden kann, würde ich Ihnen empfehlen, nicht auf sie zu verzichten.


Ich hoffe, Ihnen mit meiner Auskunft weitergeholfen zu haben,

und verbleibe

mit freundlichen Grüßen


Jens O. Gräber
-Rechtsanwalt-


RA_Graeber@web.de

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