Keine Gesetzesänderung wegen „Scheinvaterschaften“

In einem Antrag an den Deutschen Bundestag fordert die CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der es Behörden ermöglicht, eine Vaterschaft anzufechten und entsprechende Nachweise, also Gentests, zu fordern. Hintergrund ist die Behauptung der Unionsparteien, über sog. Scheinvaterschaften würden sich ausländische Frauen wie Männer eine Aufenthaltserlaubnis verschaffen und damit auch Sozialhilfebezug. Ohne tatsächliche Belege, nur aufgrund von subjektiven Mutmaßungen und darauf basierenden Statistikauswertungen der Ausländerämter gerät ein ganzer Personenkreis unter Verdacht: nämlich alle ausländischen Mütter und Väter mit nichtehelichen Kindern und unsicherem Aufenthaltsstatus. Im Jahr 2003 wurden in Deutschland 187.395 Kinder geboren, deren Eltern zum Zeitpunkt der Geburt nicht verheiratet waren. Von diesen Kindern hatten 4.753 eine ausländische Mutter und einen deutschen Vater und bei 9.337 Kindern waren beide Eltern nicht deutscher Staatsangehörigkeit. Wie viele der
Kinder (173.305) von ledigen deutschen Müttern einen ausländischen Vater haben, darüber gibt es keine Zahlen.
Es ist gut möglich, dass in vielen Fällen der Aufenthaltsstatus des ausländischen Elternteils nicht gesichert ist. Es kann auch gut sein, dass darunter ledige Mütter sind, die Sozialhilfe beziehen. Sind das alles „Verdachtsfälle“?
Die Unionsfraktionen setzen pauschal einen Verdacht, wo es differenziert betrachtet um unterschiedliche rechtliche und soziale Bedingungen geht. Ausländische Mütter erhalten ein Aufenthaltsrecht über das Sorgerecht für ein Kind, dessen Vater Deutscher ist. Damit übernimmt der deutsche Vater alle Pflichten, die aus der Anerkennung einer Vaterschaft entstehen, also z.B. Unterhaltsverpflichtungen. Kann ein Vater aus wirtschaftlichen Gründen diesen nicht nachkommen, so wird dies regelmäßig überprüft.
Ausländische Väter können eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn das Kind die deutsche Staatsbürgerschaft hat. In der Regel wird aber gefordert, dass sie mit dem Kind in familiärer Lebensgemeinschaft wohnen und sich das Sorgerecht mit der Mutter teilen oder regel-mäßigen, intensiven Umgang mit dem Kind nach-weisen. Wenn Ausländerämter die Vaterschaft aus irgendwelchen Gründen bezweifeln, wird ohnehin zunehmend ein Vaterschaftstest verlangt.
Während also öffentlich suggeriert wird, alles sei ausländerrechtlich ganz leicht für die Betroffenen und väterliche Pflichten könnten vernachlässigt werden, sieht die Realität anders aus. Auch eine von den Innenministern der Länder eingesetzte Arbeitsgruppe schlägt vor, beim
Bundesjustizministerium auf entsprechende Änderungen im Kindschaftsrecht zu drängen.
Wir können nur eindringlich davor warnen, auf der Grundlage von Vermutungen und subjektiven
Einschätzungen ein Gesetz zu ändern! Die Folgen solcher in Gesetzestexte gegossenen „Verdachtsfälle“ erleben wir seit Jahren bei der Überprüfung binationaler Ehen wg. Scheinehe-Verdachts. Sehr individuelle Beziehungskonstellationen (z.B. ein hoher Altersunterschied, unterschiedliche
Sprachkompetenzen etc.) werden zu „objektiven Kriterien“, die zu behördlichen Entscheidungen mit
weitreichenden Konsequenzen für die Betroffenen führen. Es steht zu befürchten, das dies auch bei den „objektiven Kriterien“ geschieht, mit denen eine Vaterschaftsanerkennung angezweifelt wird. Nach den Unionsfraktionen sind dies eine „von vorneherein fehlende soziale Beziehung zwischen Vater und Kind“ oder „eine fehlende Bereitschaft des Vaters, für das Kind zu sorgen“. Wie will dies festgestellt, begründet und bewiesen werden?
Was die Unionsparteien und die Innenminister der Länder hier fordern, ist eine massive Einmischung des Staates in das sehr private Verhältnis von Vater, Mutter und Kind. Es ist zudem ein Aufruf zur Ungleichbehandlung von deutschen und binationalen Paaren und diskriminiert darüber hinaus nichteheliche Elternschaften. Desweiteren stellt ein solches Vorhaben eine ganze Personen-gruppe unter Generalverdacht und vergiftet das soziale Klima in der Bevölkerung. Letztlich widerspricht dieses Ansinnen auch dem geplanten Gentest-Gesetz, das Vaterschaftstests nur mit Zustimmung aller Betroffenen vorsieht.
Eine Gesetzesänderung ist also aus vielen guten Gründen abzulehnen.

Frankfurt, den 18. November 2004
Cornelia Spohn
Bundesgeschäftsführerin
http://www.verband-binationaler.de/Scheinvaterschaften.pdf