Bücher:

Burghoff, Christel, Kresta, Edith:
Schöne Ferien -Tourismus zwischen Biotop und künstlichen Paradiesen,
Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1995

Hammelehle, Jürgen:
Zum Beispiel Tourismus, Reihe Süd-Nord,
Lamuv-Verlag, Göttingen 1995

Stauffer, Beat, Jäggi, Monika:
Grün und integriert. Wie in Tunesien Naturlandschaften für Luxustourismus zerstört werden,
Rotpunkt-Verlag, Zürich 1990

Zum Beispiel Tunesien“, Sympathie-Magazin des Studienkreises für Tourismus und Entwicklung;

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EZEF-Arbeitshilfe

Pauschal total
Nr.123



Regie: Imad Karim, BRD Deutschland 1996

30 Min., Video, Farbe, Dokumentarfilm
Verleih: verschiedene EMZ

Uns Deutschen geht es schlecht: unsere Wirtschaft kommt nicht so richtig aus der Talsohle heraus, Pflegeversicherung und andere Abgaben reißen tiefe Löcher in die privaten Haushaltskassen. Das einzige, was uns noch Spaß macht, scheint das Reisen zu sein. 67 Milliarden DM gaben wir 1994 allein für unseren Auslandsurlaub aus - eine Steigerung von neun Prozent zum Vorjahr. Zwar waren die Jahre 1995 und 1996 nicht mehr solche Boomjahre, aber trotzdem stehen wir im internationalen Vergleich der Reiseausgaben an zweiter Stelle hinter den Nordamerikanern. Auch in schlechten Zeiten wird nicht beim Reisen gespart, sondern man spart um zu reisen - vor allem zieht es uns an ferne Strände, aber auch in die an Europa angrenzenden Mittelmeerländer, nach Tunesien oder in die Türkei.



Inhalt:

Vier Urlauber werden von Beginn ihrer Tunesienreise bis zum Rückflug begleitet. Sie haben ganz unterschiedliche Motive: Das Ehepaar Stauffer sucht den Hauch des Orients, möchte unbeschwert Land und Leute kennenlernen. Bei der Versicherungskauffrau Christine steht der Kulturaustausch im Mittelpunkt der Reise und der Handelsvertreter Jörg hat gar nichts mit der Kultur in Tunesien „am Hut“, er möchte Wassersport treiben und Tennis spielen - nur eines haben sie gemeinsam: Die Flucht vor dem trüben deutschen Novemberwetter, und dem Streß der Heimat entkommen. An ihrem Urlaubsziel auf der tunesischen Insel Djerba gibt es zwei Welten, die der Einheimischen und die der Touristen. Der Film stellt die Meinungen und Hoffnungen der Urlauber und die ihrer „Dienstleistungsgeber“ gegenüber. So ist es für den Kellner im Hotel unfaßbar, wie „saufaul“ die Urlauber sind, die während ihres gesamten Aufenthaltes nichts von Tunesien sehen, außer dem Weg vom Speisesaal zum Swimming-pool, zum Strand und zurück.

Christine ist beeindruckt vom Fakir, der im Hotel auftritt. Sie meint, er müsse ein außergewöhnliches Leben führen. Er dagegen gibt vor der Kamera seine Tricks preis und meint, daß er ein hartes Leben habe, bei dem der Broterwerb im Mittelpunkt stehe. Die Individualistin Christine sucht weiter den Kontakt mit den Einheimischen, fotografiert Arbeiter, die in Baracken am Rande des Hotels wohnen, fragt nach deren Familien und Kindern. Sie empfindet das Gespräch als gelungen, freut sich, daß sie mit den Männern gesprochen und sie fotografiert hat. Die Tagelöhner, deren Familien auf dem Festland wohnen, wundern sich eher über die unkomplizierte Art der Europäer, die einfach so in die Häuser gehen. Außerdem, meint einer, hätte die Touristin ihn nur bei seiner Pause gestört und fotografiert, ohne Geld dafür zu bezahlen.

Auf dem Touristenbazar wird alles angeboten was irgendwie orientalisch aussieht - es interessiert niemand, ob auf manchen Waren „Made in Taiwan“ steht. Ehepaar Stauffer ersteht eine bestickte orientalische Jacke, die beim nächsten Faschingsball in der Heimat für Furore sorgen soll. Nach dem Geschäft geben sich sowohl Händler als auch die deutschen Kunden zufrieden: Der tunesische Händler hat seine Verhandlungen mit einem völlig überhöhten „Mondpreis“ begonnen und sich dann von seiner Kundschaft herunterhandeln lassen und die Jacke genau zu dem Preis verkauft, den er ursprünglich dafür haben wollte. Herr Stauffer dagegen hält sich nach eigenem Bekunden für einen guten Geschäftsmann, der nur etwa die Hälfte von dem Betrag bezahlt hat, den der Händler anfänglich verlangte. So sind sowohl Kunden als auch Bazarhändler glücklich mit ihrem „deal“.

Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation sind viele Tunesier - vor allem Jugendliche - gezwungen, als Strandverkäufer den Touristen Waren feilzubieten. Eine schlechtere Ausgangsposition als im Bazar, es prallen zwei Welten aufeinander: Die Urlauber, wie Jörg, wollen ihre Ruhe haben, ein Buch lesen und in der Sonne schmoren. Und der Strandverkäufer Fawzi meint, daß die Touristen ihm doch ein kleines Geschäft gönnen könnten - schließlich geben sie in den teuren Hotels ja auch viel Geld aus. Jörg läßt sich sogar zu der Bemerkung hinreißen, daß die Verkäufer ja nicht die intelligentesten seien, aber doch zumindest ein wenig Einfühlungsvermögen haben und den Touristen ihre Ruhe lassen sollten. Im Urlaub habe er keine Lust, sich auf die Leute einzustellen, er erwarte es dagegen von seinen Gastgebern. Ein weiteres Mißverständnis entsteht, als Christine „süße und unbedarfte“ Kinder kennenlernt. Sie freut sich nach dem Gespräch, daß die Jungs sogar ihre Adresse wollten. Die wiederum hatten es nur auf den Kugelschreiber der Urlauberin abgesehen - und der gehört jetzt ihnen.

Auf den „Hotelclown“ Tahar treffen alle Urlauberinnen und Urlauber. Er hat die Anweisung, die Gäste im orientalischen Café des Hotels zum Lachen zu bringen. In seinem traditionellen Kostüm, mit Fez auf dem Kopf und Jasminblüte hinter dem Ohr, bereitet er Mokka, raucht Wasserpfeife und tanzt zu arabischer Musik. Auf seinem Heimweg würden ihn die Gäste kaum wiedererkennen: Den Fez hat er gegen einen Sturzhelm ausgetauscht, um mit seinem Mofa die 15 Kilometer zu seinem Heimatort zu fahren - dabei trägt er ganz normale Kleidung. Im Interview zuhause erklärt er, daß es manchmal schwer fällt, die Gäste zum Lachen zu bringen. Etwa damals vor fünf Jahren, als sein sechsjähriger Sohn von einem Auto tödlich verletzt wurde - da sei es ihm sehr schwer gefallen, die Trauer nicht bei der Arbeit zu zeigen.

Gegen Ende des Urlaubs sind die vier Pauschalreisenden zufrieden mit den vergangenen 14 Tagen. Jörg konnte genügend Sport treiben, fühlt sich jetzt fit. Christine hat einige Bekanntschaften geschlossen und freut sich vor allem auf ihre Urlaubsfotos und das Ehepaaar Stauffer kennt nun den Orient und hat das nächste verlockende Reiseziel vor Augen: Amerika.



Filmdiskussion:

Dem schlechten Wetter Mitteleuropas ein Schnippchen schlagen, heißt die Devise hierzulande. Waren es früher noch die klassischen Kulturreisenden, die in die Länder des Südens reisten, so sind es heute immer mehr Badeurlauber, die sich an den Stränden der Tropenparadiese und in den an Europa angrenzenden Mittelmeerländern erholen wollen. Die entspannungssuchenden Motive nehmen bei den Dritte Welt-Touristen zu, aber auch Spaß, Unterhaltung und Vergnügen bekommen einen höheren Stellenwert. Die Haupturlaubsländer der Deutschen - Österreich und Spanien - konnten zwar auch leichte Zuwächse in den Ankunftszahlen vermelden, aber von denen in den Dritte-Welt-Ländern können sie nur träumen. Die Preise für Pauschalreisen in den sonnigen Süden sind billiger als der Urlaub im eigenen Land, deshalb scheint die Devise zu heißen: „Nichts wie weg hier!“, auch (oder gerade) wenn die Wirtschaftslage schlecht ist.

Das Potential der Deutschen, die außereuropäische Länder besuchen wollen, ist noch lange nicht ausgeschöpft. Vor allem die Nahziele Türkei, Tunesien, Ägypten und Marokko wurden und werden stark nachgefragt: So ist Tunesien längst ein Ziel für Wochenendausflüge von Kegelvereinen geworden. Kein Wunder, daß allein der Tourismus aus Deutschland nach Tunesien in den Jahren zwischen 1988 bis 1993 um mehr als 50 % zugenommen hat (von 474.000 Touristenankünfte auf 711.800). Billige Charterflüge, günstiger Hotel- und Serviceeinkauf - vor allem durch niedrige Löhne im sehr personalintensiven Fremdenverkehr - und eine starke DM machen diese Zuwachszahlen aus. Selbst an einem Montag im November kommen noch rund 2.000 Chartertouristen auf dem Flughafen in Djerba an - die meisten davon Deutsche.

Der Ruf nach einem umweltverträglichen und sozialverantwortlicherem Tourismus scheint längst verhallt zu sein. Wenig wird umgesetzt von der Idee, landestypische Unterkünfte zu nutzen und zu essen, was das Reiseland zu bieten hat. Die Einheimischen werden in den Prospekten als gastfreundlich dargestellt und sind doch nur Statisten für den farbenprächtigen Urlaubsfilm. „Pauschal total“ macht deutlich, daß wenig vom Orient und dem Märchen von „1001 Nacht“ übrigbleibt, wenn man hinter die Kulissen schaut. Der Trend geht zur Pauschalreise, Hotel, Verpflegung und Sportangebote werden schon im Urlaubskatalog angeboten und bei der Buchung „mitgekauft“.

Einige Länder und Hotels bieten inzwischen schon „All Inclusive“-Angebote an, bei denen man keine zusätzlichen Ausgaben mehr hat: Vom ersten Kaffee am Swimming-Pool am frühen Morgen bis zum mitternächtlichen Drink an der Hotelbar ist alles inklusive. Für kleinere Restaurants, Strandverkäufer und andere Dienstleistungsunternehmen bietet das kaum mehr Chancen etwas hinzuzuverdienen.

Der Tourismus verändert die Struktur der Arbeitsplätze auch in Tunesien: Da ist der alte Fischer, der seinen Beruf als etwas würdevolles bezeichnet. Er fühlt sich durch die Urlauber am Strand eher gestört und käme nie auf die Idee ihnen etwas anzubieten. Die Wirklichkeit sieht aber so aus, daß immer mehr Männer in den Hotels arbeiten und die Frauen die Arbeit zuhause übernehmen, wie etwa die Olivenernte. Wie im Film eindrucksvoll geschildert, sind viele Arbeitslose gezwungen, im informellen Sektor zu arbeiten. So wie Fawzi, der „Strandverkäufer“, der über die Touristen und über sich selbst meint: „Für mich sind die reich und arrogant und sie finden mich arm und penetrant!“

Eine der stärksten Szenen des Filmes ist das ungekürzt wiedergegebene Interview mit dem „Hotelclown“ Tahar: Er erzählt, noch immer sichtlich bewegt, daß sein Sohn vor fünf Jahren vom Auto überfahren wurde und er seine Trauer bei der Arbeit im Hotel nicht habe zeigen dürfen. Betroffen davon waren auch Filmemacher Imad Karim und sein Team, die nicht mit so einer Antwort gerechnet hatten - sie hatten nur gefragt, ob es manchmal schwer fällt immer nur einen fröhlichen Menschen zu spielen. Bei dieser Sequenz spiegeln sich die zwei Welten wider: Dort der „Clown“ für die Urlauber, hier in seinem Heimatort der Familienvater, der es - dank seiner Arbeit - zu ein wenig Wohlstand gebracht hat.



Didaktische Hinweise:

Der libanesische Filmemacher Imad Karim will mit seinem Film die vielen Mißverständnisse aufdecken, die bei Pauschalreisen zwischen den Kulturen entstehen. Der Film ist entlarvend - die Urlauberinnen und Urlauber machen es sich nur allzu leicht, wenn sie sich für 14 Tage von Streß und Frust absetzen wollen. Am Mythos Tourismus und Völkerverständigung wird durch die klaren Aussagen von Touristen und Einheimischen gründlich gekratzt. Aber gerade deshalb regt der Film ohne Umschweife zur Diskussion an. Er bietet genügend Anhaltspunkte, um über die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen des Tourismus in Ländern der sogenannten Dritten Welt zu diskutieren. Der Film läßt auch zu, daß Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Seminaren und Vorträgen ihre eigenen Reiseerlebnisse einfließen lassen, allerdings gilt es aufzupassen, daß diese Erfahrungen in der Diskussion nicht zu starkes Gewicht bekommen. Es ist wichtig, immer wieder zum Thema zurückzuführen.

Sollte gegen alle Erwartungen nach dem Film keine Diskussion entstehen, kann man mit der Frage einführen, ob die Zuschauerinnen und Zuschauer ihn als zu entlarvend empfinden. In schon durchgeführten Seminaren mit unterschiedlichen Zielgruppen, etwa an Volkshochschulen und Universitäten war die einheitliche Meinung, daß das gezeigte der Wahrheit entspreche und deshalb der Film so seine Richtigkeit habe.

In die Diskussion einsteigen kann man auch mit einer Aussage von „Sportler“ Jörg. Er bringt auf den Punkt was Tourismus als Massenware bedeutet: Bei ihm war es um die Entscheidung gegangen, entweder ein Sofa zu kaufen oder 14 Tage in Urlaub zu gehen. Tourismus sei ein Geschäft, er kaufe sich schöne sorgenlose Tage mit Sonne, Strand und Sport, und die Leute dort bekämen dafür sein Geld.

Für die Frage, ob man Mitleid mit den Interviewten haben und sie vor ihren eigenen Aussagen schützen müsse, sei ein Hinweis erlaubt: Die befragten Urlauberinnen und Urlauber haben bei den Dreharbeiten eingewilligt, daß ihre Statements gesendet werden dürfen. Sie wußten somit, daß ihre Meinungen einem breiteren Personenkreis zugänglich gemacht werden würden. Für die Kamerabegleitung während ihres Urlaubes haben sie eine kleine Entschädigung erhalten.

Der Film ist gut kombinierbar - zum Beispiel bei einem Wochenendseminar - mit den Spielfilmen „Bezness“ oder mit „Sonne der Hyänen“. Als Vorbereitung eignet sich das Sympathie Magazin „Tunesien verstehen“, in dem Wissenswertes über Land und Leute und über Tourismus in Tunesien steht.

Der Film eignet sich besonders, neuere Entwicklungen beim Dritte Welt-Tourismus aufzuarbeiten und zeigt das Dilemma, in dem Pauschaltouristen und Gastgeber stecken: „Pauschaltourismus ist ein Geschäft bei dem Gäste und Gastgeber jederzeit austauschbar sind - nur die Masse zählt.“ Und weiter im Filmtext: „Der echte Zugang zur Kultur der anderen bleibt verschlossen und damit der Zugang zu mehr Toleranz.“

http://www.gep.de/ezef/index_203.htm