EURO-ARABIA

Newsletter (Wirtschaft) 03 / 2003 der
DEUTSCH-ARABISCHEN GESELLSCHAFT
28. März 2003

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Inhalt
1. Die Irak-Offensive + die ersten 8 Tage
Politische Fehleinschätzung des Pentagon führt zu Strategiewechsel
Demokratisierung Arabiens via Bagdad ?
Suche nach dem starken Mann

2. ) Wirtschaftlicher Wiederaufbau
amerikanische Vergabepraxis
USAID verteilt die Kriegsbeute 1. Tranche 900 Mio. $
Zahlungsfähigkeit des Irak
Humanitäre Hilfen zum Wiederaufbau

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1. ) Irak-Offensive nach den ersten acht Tagen + eine Politische Beurteilung

Der amerikanische Blitzkrieg steckt im Sand. Die Demokratisierung à la Rumsfield & Bush muss nun doch länger auf sich warten lassen. Die Befreier werden nicht als solche erkannt. Der irakischen Bevölkerung fehlt der Glaube, nicht der zu Allah, eher der zu G.W. Bush und seinen Versprechungen. Vater Bushs neue Weltordnung wurde 1991 verheißen, sie fand bis heute nicht statt. Die Quarantäne, unter der das irakische Volk seit 12 Jahren leiden muss, brachte keine Gesundung, sondern für viele Hunderttausende Auszehrung und Tod. Und damit starb auch der Glaube an Amerika und seine Verheißungen. Die Bush-Krieger waren überrascht, dass ihnen die Schiiten des Südens nicht mit weißen Fahnen und Palmwedeln zulaufen, sondern heftigen Widerstand leisten. Kein Wunder, hatte sie doch Vater Bush 1991 ans Messer geliefert. Zuerst hatte er sie zum Umsturz ermuntert, doch dann ließ er sie fallen.

Und heute wegen Sohnemann G.Ws. Rachefeldzug ist Basra kolalateral ohne Wasser. Die Wohnviertel in Bagdad sind unter Raketenfeuer der Hyperweltmacht.
Nein, so wird kein Vertrauen aufgebaut.

>> Politische Fehleinschätzung des Pentagon führt zu Strategiewechsel

Amerika scheitert an der Fehleinschätzung dieser ihr fremden Welt, die sie nicht versteht. Wer will es den Türken übel nehmen, dass auch sie nicht an die Achse des Guten glauben. Schließlich warten sie noch heute auf die Reparationen für die Verluste aus dem Desertstorm. Und deshalb verweigert Ankara den Angreifern den Landweg über die Türkei. Dabei hatte Amerika seinen Angriff vom Norden her geplant, weil Bagdad sich viel leichter über Kurdistan aufrollen lässt als vom Süden.
Also erhalten die Kurden jetzt amerikanische Versprechungen (wie schon so oft). Und nun soll eine kurdisch-amerikanische Armee das Kriegsglück bringen? Man spricht von 120.000 Mann. Hastig angeworbene kurdische Söldner erobern das arabische Bagdad? Das würde nicht zur künftigen Einheit des Landes beitragen, in dem arabische Sunniten und Schiiten zusammen mit Kurden leben sollen.

>> Demokratisierung Arabiens via Bagdad ?

Wer soll Irak nach einem gelungenen Bush-Abenteuer regieren, oder droht dem Land einst nach Abzug der Invasionstruppen die Somalisierung, denn nichts anderes würde ein eiliges Demokratiegeschenk bedeuten: sunnitische Rechtspartei, sunnitische Linkspartei, schiitische Rechtspartei, schiitische Linkspartei, kurdische Rechtspartei, kurdische Linkspartei, Partei der chaldäischen Christen & who else? Wo ist der Orientkenner, der ernsthaft glaubt, eine Demokratisierung der arabischen Welt würde gerade Bagdad zum Ausgangspunkt haben!

Nein, Freie Wahlen werden nur versprochen in zwei Jahren, ja und dann wieder in zwei Jahren......

>> Suche nach dem starken Mann

Ich rechne damit, die Amerikaner werden huckepack einen starken Mann mitbringen, den sie gegen Saddam auswechseln, ein irakischer Kasai mit CIA - Ticket. Der wird zuvor auf amerikanische wirtschaftliche Forderungen eingeschworen:
Wie man hört, ist vor wenigen Tagen der 1998 bei Saddam in Ungnade gefallene Nizar Al-Khazraji aus seinem dänischen Hausarrest verschwunden, mit Hilfe der CIA und unter stillschweigender dänischer Duldung. Er gilt als der unmittelbar Verantwortliche für den Gasangriff auf Halabja 1988. Dieser Angriff - damals erfreute sich die Baath-Führung noch amerikanischer Unterstützung - wurde posthum von Bush, Cheney & Co. als Kriegsgrund für ihr jetziges Abenteuer herangezogen. Der Zynismus des Pentagon kennt keinen Grenzen.
Es ist für eine Befriedung der Region zu hoffen, dass die Amerikaner bei der Auswahl eines starken Mannes eine integrierende Persönlichkeit finden und keinen Lakai. Der bestehende Machtapparat des Staates muss übernommen werden, damit dem Land ein fürchterliches Chaos erspart bleibt!

2. ) Wirtschaftlicher Wiederaufbau

Ein Wiederaufbau des Irak wird sich ohne Hilfe von außen - nur durch eigene Mittel -, eher langsam vollziehen, auch wenn es zu einer schnellen Befriedung des Landes kommen sollte.

Die Ölförderanlagen müssen als erstes erneuert werden, denn das Öl ist die einzige Münze, mit der Bagdad zahlen kann. Diese Anlagen sind durch die lange Phase der Kontinentalsperre verkommen und schrottreif. Eine Modernisierung dauert mehrere Jahre.

>> amerikanische Vergabepraxis

Für diese Aufträge machen sich US-Firmen nicht zu Unrecht Hoffnungen. Kellogg Brown & Root, eine Tochter des texanischen Ölanlagenbauers Halliburton ist offenbar schon ausgewählt worden. Das muss auch nicht weiter verwundern, war doch bis 2000 kein anderer als der jetzige US-Vize der Vorstandvorsitzende von Halliburton. Und im Auftrage des Pentagon soll sich Kellogg Brown um die Erstickung von Bränden der Ölquellen kümmern, trotz der Proteste aus der amerikanischen Öffentlichkeit, die laut über Schiebung und Vetternwirtschaft räsoniert. Sicherheitsgründe werden für die Angebotsbeiziehung angeführt, eine öffentliche Ausschreibung sei ohnehin zu langfristig und daher nicht verantwortbar.

Ob sich Total Fina Elf angesichts der französischen Veto-Drohung zu Recht Hoffnung macht, wieder ins Irak-Geschäft einsteigen zu können, erscheint angesichts der amerikanischen Vergabepraxis und Majorisierung kurzfristig eher fraglich.

>> USAID verteilt die Kriegsbeute: 1. Tranche 900 Mio. $

Den Kuchen der öffentlichen Aufträge, zunächst sind 900 US $ bereitgestellt, verteilt Andrew Natsios, Chef der US Agency for International Development (USAID). Und die britische Wirtschaftsministerin Patricia Hewitt stand letzte Woche schon bei der USAID auf der Matte: sie verlangte ihren Anteil für die Beteiligung an der Invasion; das Wasserversorgungsunternehmen Thames Water, die Exportagentur BTI (Brit. Trade Int. Ltd.) und die britischen Baufirmen Balfour Beatty sowie Amec sollen an der Kriegsrendite beteiligt werden.

Stevdoring Services aus Seattle darf die Hafengeschäfte des Hafenplatzes von Umm Qasr führen und die Logistik des Feldzuges sicherstellen, freie Vergabe.
Auch 5 Baufirmen wurden von der US-Regierung in einem beschränkten Bieterverfahren ausgesucht, darunter,wen wunderts, Bechtel, die Firma des ehemaligen US-Außenministers George Schultz.

>> Deutschland hat seine Chance

Die deutsche Wirtschaft vergäbe sich ein Chance, ließe sie sich durch diese sehr verfrühten Siegerlaunen der Amerikaner abschrecken.

Die deutsche Position, sich nicht an diesem Abenteuer zu beteiligen, hat ihr in der arabischen Welt und speziell im Irak Bewunderung auch bei den Regimekritikern (!) eingebracht. Die durchsichtige ständig wechselnde Begründung für die Invasion, die sich, wie auch jeweils dekliniert, immer auf Öl reimt, hat dieses Unternehmen entlarvt und erinnert die Bevölkerung und besonders die Eliten an die Kolonisatoren. Zum Alten Europa zu gehören, wird sich künftig als Wettbewerbsvorteil erweisen.

Offenbar wird das in Wirtschaftskreisen ähnlich gesehen, denn die erste Reaktion, sich an der von uns für Juni 2003 angekündigten Wirtschaftsdelegationsreise nach Bagdad zu beteiligen (vgl. Newsletter EURO-Arabia Nr. 02? 2003 vom 18. März) war uneingeschränkt positiv.

Wir werden Sie weiter unterrichten sowie wir Näheres planen können. Bitte zögern Sie nicht und signalisieren Sie uns schon jetzt Ihr Interesse bock@d-a-g.de.

>> Zahlungsfähigkeit des Irak

Die Reparationsforderungen der Golfkriegsallianz aus dem ersten Golf-Krieg von ca. 300 Mrd. US $ und die Schulden des Landes von > 100 Mrd. US $ könnten den Wiederaufbau beeinträchtigen, wenn dem Land nicht zusätzliche Förderquoten für das Erdöl Mesopotamiens zugebilligt würden.

>> Humanitäre Hilfen zum Wiederaufbau

Nach der Befriedung ist mit einem umfangreichen humanitären Hilfsprogramm zu rechnen. Die EU hat 21 Mio. Euro, die Bundesregierung 10 Mio. Euro für die Not- und Flüchtlingshilfe im Haushalt veranschlagt.

Zu Recht verlangt die deutsche Regierung, dass die Koordinierung der Wiederaufbaumaßnahmen von der UNO vorgenommen wird.

Harald M. Bock

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