"Es gibt viele Wohlmeinende im Land, die immer sagen: Irgendwie kann es doch nur einen Gott geben, seid doch friedlich miteinander, es muss doch eigentlich der gleiche Gott sein... Ich allerdings kann zu Allah nicht beten, ich verstehe dieses religiöse Konzept auch nicht als das meine... Aber ich denke, Christen müssen mehr Mut haben, auch deutlich zu sagen: für uns ist Jesus Christus der Weg zu Gott, er sagt uns: liebe Deinen Nächsten, seid sanftmütig. Das, was ich aus dem Koran weiß, und an islamistischen Konzepten höre, ist etwas ganz anderes..."

Was selbstverständlich auch für Margot Käßmann nicht heißen soll, dass ein Dialog nicht notwendig wäre. Doch die Schwierigkeit, das weiß die Bischöfin aus Erfahrung, beginnt schon mit der Auswahl der muslimischen Gesprächspartner:

"Auf der einen Seite denke ich natürlich auch: Dialog ist notwendig, wir leben in einem demokratischen Staat zusammen, es gibt Religionsfreiheit und mir liegt ungeheuer daran, dass sich die Religionen nicht geneinander ausspielen lassen zur Legitimation anderer Konflikte. Die Legitimation von Gewalt ist wohl die größte *******ion von Religion. Andererseits sehe ich auch selbst ganz deutlich eine gewisse Hilflosigkeit in diesem Dialog, weil wir als Christen nicht genau sagen können: wer sind unsere Dialogpartner eigentlich in diesem Land? Vor den einen werden wir warnt, die anderen sagen immer: Muslime sind ganz friedlich... Manchmal greift unser Dialogangebot wirklich ins Leere. Das gebe ich ganz offen zu."

Ein zusätzliches Dialog-Problem, das die Bischöfin benennt, ist die Religionsferne der christlichen Gesprächspartner. Zwar wollen die sich oftmals intensiv mit dem Islam beschäftigen, kennen aber ihre eigene - christliche - Religion nur noch rudimentär oder überhaupt nicht mehr:

"Ich sage bei der Begegnung mit "Eiferern": nun hören Sie doch auf, sich Soviel mit dem Koran zu beschäftigen, lesen Sie erst mal die Bibel und lassen Sie uns als Christen verstehen, was wir selber glauben und zu dem stehen - auch in Treue - was wir glauben und praktizieren, dann brauchen wir auch nicht so wahnsinnige Ängste zu haben vor anderen Religionen. Ich erlebe manchmal fast so was wie Neid gegenüber den Muslimen, weil sie ihren Glauben selbstbewusst praktizieren und sehr deutlich sagen, was sie glauben. Und Dialogveranstaltungen versanden dann sehr schnell, wenn die Muslime gesagt haben, was sie glauben und dann die Christen an der Reihe, ab er im Glauben nicht sprachfähig sind."

Geradezu unterwürfig, so Margot Käßmann, reagierten viele christliche Gesprächspartner, wenn Menschenrechtsverletzungen in islamisch geprägten Ländern zur Sprache kämen. Vor allem die Unterdrückung von Frauen werde dann oftmals, aus Angst, die Muslime zu verärgern, totgeschwiegen. Hier wünscht sich Margot Käßmann mehr Mut in der Argumentation der Christen:

"Mann und Frau sind gleich geschaffen. Das ist nicht nur eine kulturelle Errungenschaft, das ist eine Glaubensüberzeugung, die wir haben. Die Menschenrechte der Frau sind für uns Teil unserer Glaubensüberzeugung."

Zu einem Dialog, der sich nicht in Augenwischerei und Verschleierungsfloskeln erschöpfe, gehöre nun mal Ehrlichkeit:

"Und Ehrlichkeit heißt: wir treten für Religionsfreiheit in usnerem Land ein, unterstützen den Bau von Moscheen. Aber wir dürfen auch fragen, was es bedeutet, die Scharia als Gesetz zu rechtfertigen mit Blick auf unser Verständnis von Menschenrechten. Das widerspricht meinen Grundüberzeugungen vom Menschenrecht jedes Menschen... Ich wünsche mir, dass wir im Dialog Fragen stellen dürfen - warum beispielsweise Christen in Indonesien, in Pakistan, im Sudan brutal verfolgt werden, Kirchen zerstört, Christen ermordet werden, Pastoren um ihr Leben bangen müssen. Das entspricht nicht unserer Vorstellung von Religionsfreiheit. Ich wünsche mir einen europäischen Islam als Dialogpartner, der offen ist für Demokratie und Menschenrechte."

Auf drei Pfeiler, sagt Margot Käßmann, müsse sich das Zusammenleben der verschiedenen Religionen im säkularen Rechtsstaat stützen: auf die Trennung von Religion und Staat, auf das individuelle Recht der Religionsausübung und auf die unveräusserlichen Menschenrechte eines jeden Menschen. Dann könne auch ein offener und ehrlicher Dialog gelingen.

Kirsten Serup Bilfeldt