27.01.2005:
Debatte: "Mandatsbegleitende Berufstätigkeit"
Das Problem: Auch die Muslime haben keine Lobbyisten in Berlin

"Wir stellen ein: Bundestagsabgeordnete, Landtagsabgeordnete, KommunalpolitikerInnen in mandatsbegleitender Berufstätigkeit": Mit dieser Anzeige ist das globalisierungskritische Netzwerk Attac heute in verschiedenen Berliner Zeitungen (Tagesspiegel, taz, JW) auf Personalsuche gegangen. Eigentlich könnten sich die Muslime dieser Aktion gleich anschließen, auch sie haben ja keine Lobbyisten in Berlin. Noch nicht einmal eine offizielle Repräsentanz. Attac erwartet von interessierten Politikern "Erfahrung in effizienter Lobbyarbeit für Partikularinteressen" sowie "Geschick bei der Platzierung unserer Themen auf der politischen und medialen Agenda", im Gegenzug gibt es neben "angenehmen Betriebsklima" und "absoluter Diskretion" eine "großzügige Bezahlung in Anlehnung an Hartz IV" (siehe Anlage).

Mit der Persiflage protestiert Attac gegen die Bezahlung von ParlamentarierInnen durch Konzerne. "Die jetzt durch Zufall bekannt gewordenen Fälle beweisen, wie sehr die Parlamente von Wirtschaftslobbyisten durchsetzt sind", sagte Peter Wahl vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. "Die Interessensverquickung geht offenbar weit über das Maß hinaus, was ohnehin zu ahnen war." Die Kombination aus Agenda 2010, die Arbeitslose in Armut treibt, und der Steuerreform, die Unternehmen und Spitzenverdiener entlastet, mache deutlich, dass Profitinteressen zunehmend auch mit mehr oder minder legaler Bestechung durchgedrückt würden.

Attac fordert nicht nur eine Offenlegung der Einkünfte, wie sie derzeit diskutiert wird, sondern ein Verbot oder eine strenge Begrenzung von Nebenverdiensten für Abgeordnete. "Nebeneinkünfte sind extrem problematisch für eine Demokratie, die allen Gruppen gleiche politische Zugangsmöglichkeiten bieten soll", sagte Wahl. Das Argument, dass Nebeneinkünfte die Politiker 'im richtigen Leben verankern', hält Attac für lächerlich. "Die brennenden Probleme im 'richtigen Leben" sind wachsende Armut, Arbeitslosigkeit, Rentenkürzungen und der Verfall der sozialen Infrastruktur", so Wahl. Nicht Wirtschaftsvertreter seien in den Parlamenten unterrepräsentiert, sondern NiedrigverdienerInnen und ALG II-Bezieher.
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