20.11.2003:
Irak: Übergangsbehörde übernimmt UN-Programm Öl für Nahrung
Einige Rechtsgruppen befürchten Missmanagement

(ips)Rechtsgruppen haben alarmiert auf die Übernahme des milliardenschweren Hilfsprogramms Öl für Nahrung durch die US-geführte Übergangsregierung (CPA) im Irak reagiert. Sie fürchten, dass das bislang von den Vereinten Nationen verwaltete Programm die Behörde überfordert und sehen Anlass zur Warnung vor Missmanagement."Die CPA hat bislang keine Vertrauensbasis geschaffen", sagte Jim Jennings, Präsident der im US-Bundesstaat Georgia ansässigen Organisation 'Conscience International' in einem Gespräch mit IPS. Zweifel an ihrer Fähigkeit, Nahrungsmittel für 25 Millionen Menschen zu verwalten, drängten sich auf. Ähnlich besorgt über die Zukunft des nach einer Sicherheitsratsresolution vom Mai am 21. November Mitternacht zu übergebenden Programms ist auch Jim Paul, Exekutivdirektor des 'Global Policy Forum' mit Sitz in New York. In diesem Zusammenhang erinnert er an Unregelmäßigkeiten im CPA-Budget, die im Oktober von 'ActionAid' publik gemacht wurden.

Die Londoner Hilfsorganisation hatte aufgedeckt, dass die CPA seit ihrer Gründung vor etwa sechs Monaten rund fünf Milliarden Dollar aus Öleinnahmen zu ihrer Verfügung hatte, in den Büchern aber nur eine Milliarde Dollar belegt war. Später präsentierte die CPA einen in aller Eile aufgestellten Haushalt für den von ihr verwalteten Irakischen Entwicklungsfonds (IDF) und betonte, sie habe nicht mehr als eine Milliarde Dollar aus dem Programm Öl für Nahrung erhalten. "Dass offenbar vier Milliarden Dollar verschwunden sind, hat eine Menge Fragen aufgeworfen", so Paul. Wie er so meint auch Jennings, Missmanagement sei bereits absehbar. Er gehe davon aus, dass sich die irakische Bevölkerung in den nächsten sechs Monaten, in denen das Programm noch laufen soll, auf Nahrungsmittelhilfe nicht wird verlassen können.

Das 1995 als Auffangmechanismus für die Sanktionen gegen den Irak nach der Invasion Kuwaits eingerichtete Programm hat im Jahr Öleinnahmen in Höhe von sieben bis zehn Milliarden Dollar verwaltet und 60 Prozent der irakischen Bevölkerung mit Nahrungsmittelhilfe versorgt. Bis zum Beginn des US-geführten Krieges gegen den Irak im März arbeiteten 893 internationale und 3.600 irakische Kräfte für das Programm. Abgezogen wurden fast alle ausländischen Kräfte nach dem Anschlag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad vom August.

Insgesamt haben die UN humanitäre Hilfe im Wert von 46 Milliarden Dollar weitergegeben - Nahrungsmittel, ebenso wie Medikamente und Hilfe für den Aufbau von Wasserversorgung, Schulen und Krankenhäusern. Damit gilt das Programm als das größte seiner Art in der Geschichte der Vereinten Nationen. Zugleich wird es als eines der am besten strukturierten angesehen.

Seit Mai haben die Vereinten Nationen drei Milliarden Dollar an den IDF überwiesen. Weitere 1,6 Milliarden Dollar sollen am 21. November folgen. Damit geht die Verantwortung in die Hände der CPA unter US-Zivilverwalter Paul Bremer über.

Jim Paul bezweifelt, dass die Behörde den politischen Willen und die Kapazitäten zum Management eines derart komplexen Unternehmens wie des Öl-für-Nahrung-Programms hat. "Schockierend ist, dass sich die CPA noch bis vor zwei Wochen kaum um eine Koordination mit den UN bemüht hat." Die Vorstellung, dass in 14 Tagen ein hoch kompliziertes Programm übernommen werden könne, sei aberwitzig.Äußerst kritisch betrachtet er auch die Entscheidung des Sicherheitsrates zur Übergabe des Hilfsprogramms. In dieser Sache habe der Rat nicht im Interesse der irakischen Bevölkerung gehandelt, so Paul. "Seine ständigen Mitglieder – und das gilt nicht nur für die USA und Großbritannien – haben hauptsächlich an die wirtschaftlichen Möglichkeiten für ihre Unternehmen gedacht."