Tunesien: Nur auf den ersten Blick ein ruhiges Land

VON RALPH SCHULZE, 07:00h

Viele terroristische Spuren weisen aus dem arabischen Land nach Europa.
Tunis / Madrid - In Tunesien spielen islamistische Extremisten im öffentlichen Leben keine große Rolle: Dafür sorgt zuverlässig der Präsident, General Zine el-Abidine Ben Ali (67), der seit 17 Jahren das wohl härteste Regime im Norden Afrikas aufrechterhält. Die militanten Fundamentalisten werden gewaltsam verbannt, ihre Führer sitzen im Gefängnis. Nicht wenige Extremisten flüchteten aus dem Polizeistaat, so wie Scheich Rachid Ghannouchi, der Kopf der heute verbotenen Bewegung En-Nahdah (Wiedergeburt). Oder der mutmaßliche Ideologe der Madrider Terrorzelle, Serhane Ben Abdelmajid Fakhet, der nun gesucht wird.

Tunesien ist nur auf den ersten Blick ein ruhiges und friedliches arabisch-islamisches Land, dessen Regime dem Westen zugewandt ist. Unter der Oberfläche brodelt es, die Islamisten haben hier wie in den Nachbarländern Algerien und Marokko Zulauf. Und die El-Kaida-Idee des „Heiligen Krieges“ gegen die USA, ihre Verbündeten und die „Ungläubigen“ findet auch hier ungezählte Anhänger. Davon leben im Untergrund Extremisten-Organisationen wie En-Nahdah, die Islamische Front Tunesiens oder Jamaa w'al Sunnah. Mindestens 400 Tunesier sollen in afghanischen Lagern ausgebildet worden sein. Vor zwei Jahren schreckte die Welt erstmals auf, nachdem der Tunesier Nizar Nawar sich vor der Synagoge im tunesischen Djerba in die Luft sprengte und 19 Menschen, darunter 14 Deutsche, in den Tod riss. Damals schon wiesen Spuren zu Helfern in ganz Europa. Kurz zuvor zerschlug Italiens Polizei eine Terrorzelle mit dem Tunesier Essid Sami ben Khemais an der Spitze, die als logistischer Apparat des Terrornetzwerkes El Kaida in Europa galt. Ben Khemais wurde mit Attentatsplänen auf die US-Botschaft in Rom, den G-8-Gipfel in Genua und das EU-Parlament in Verbindung gebracht.

Anfang des Jahres 2004 gab Generalbundesanwalt Nehm die Festnahme des tunesischen Extremisten Garnaoui (33) bekannt, der offenbar in Berlin ein ähnliches Attentat vorbereiten wollte, wie es am 11. März in Madrid verübt wurde. Wegen Madrid wird nun sein Landsmann Serhane Ben Abdelmajid Fakhet als „Koordinator“ gesucht. Die Vorgehensweise dieser Terroristen gleicht sich: Beide kamen Mitte der 90er Jahre nach Deutschland und Spanien, führten ein unauffälliges Leben. Wenn sie die gleiche Strategie haben, haben sie sich vermutlich auch gekannt. Und die Spuren führen von Madrid auch nach Berlin.

(KStA)
http://www.ksta.de/artikel.jsp?id=1080836770819