Urgent Action
UA-Nr: UA-125/2003
AI-Index: MDE 30/004/2003
Datum: 07.05.2003
DROHENDE FOLTER UND MISSHANDLUNG
Tunesien:
Tarek Ferchichi, 27 Jahre alt
Tarek Ferchichi wurde sechs Tage lang in geheimer Haft gehalten und befindet sich nun im 9-avril-Gefängnis in der Hauptstadt Tunis. Er wurde am 5. Mai 2003 einem Untersuchungsrichter vorgeführt, wobei Berichten zufolge weder ein Rechtsanwalt zugegen noch seine Familieangehörigen vorab unterrichtet worden waren. Tarek Ferchichi ist in Gefahr, misshandelt und gefoltert zu werden.
Tarek Ferchichi wurde am 29. April 2003 von Polizisten in Zivil in der Wohnung seiner Familie im Vorort La Marsa von Tunis ohne Vorlage eines Haftbefehls und ohne Begründung festgenommen. Anschließend hielt man ihn bis zum 5. Mai 2003 an einem unbekannten Ort ohne Kontakt zur Außenwelt fest. An dem Tag wurde er ohne Anwesenheit eines Anwalts einem Untersuchungsrichter des Gerichts der ersten Instanz in Tunis vorgeführt, der Untersuchungshaft gegen ihn verhängte. Was Tarek Ferchichi zur Last gelegt bzw. welche Anklage gegen ihn erhoben wurde, ist nicht bekannt. Weder seine Rechtsanwälte noch seine Familie waren im Voraus über den Gerichtstermin informiert worden, und bislang hat man ihnen den Zugang zu ihm verwehrt.
Die Festnahme von Tarek Ferchichi hängt möglicherweise damit zusammen, dass sein Bruder Béchir Ferchichi, ein Asylbewerber in Frankreich, über den Tod seines Freundes Maher Osmani Ende April 2003 gesprochen hatte, der unter zweifelhaften Umständen in der Haft gestorben war. Der 23-jährige Maher Osmani war zwischen dem 16. und 18. April 2003 von der Polizei in Tunesien inhaftiert worden. Er hatte zuvor dem Vernehmen nach die in Tunesien verbotenen Internetseiten des Nachrichtenforums "TUNeZINE" gelesen und Gelder für die von den jüngsten Überschwemmungen im Süden des Landes betroffenen Familien gesammelt. Das Sammeln von Spendengeldern ohne behördliche Genehmigung ist nach tunesischem Gesetz eine Straftat. Am 22. April 2003 teilten Polizisten der Familie von Maher Osmani mit, dass er gestorben sei. Am 24. April 2003 überstellte man den Hinterbliebenen seinen Leichnam, die aber offenbar nur sein Gesicht sehen durften, bevor er eingeäschert wurde. Soweit bekannt, sind von offizieller Seite keine Ermittlungen hinsichtlich der Todesumstände eingeleitet worden.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Auf der Grundlage von Artikel 13 der tunesischen Strafprozessordnung können Gefangene bis zu drei Tage ohne Anklageerhebung (garde à vue) festgehalten werden. Diese Frist kann auf Anordnung des Staatsanwalts um drei Tage verlängert werden. Nach spätestens sechs Tagen muss der Gefangene dann einem Untersuchungsrichter vorgeführt oder ohne Anklageerhebung freigelassen werden. Wird ein Gefangener ohne Anklageerhebung in Haft gehalten, muss seine Familie darüber informiert werden. Zudem hat der Gefangene das Recht auf ärztliche Untersuchung.
In der Praxis werden diese gesetzlichen Bestimmungen jedoch von den Sicherheitskräften routinemäßig ignoriert. amnesty international erhält seit Jahren Berichte über Misshandlungen und Folterungen, für die Sicherheitskräfte, darunter auch Angehörige der Staatsicherheitsabteilung des Innenministeriums in Tunis, verantwortlich sind. In der Mehrzahl der Fälle werden Foltervorwürfe weder untersucht, noch die mutmaßlichen Täter vor Gericht gestellt.
EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe, E-Mails oder Luftpostbriefe, in denen Sie
Ihre Sorge um die Sicherheit von Tarek Ferchichi zum Ausdruck bringen, der sechs Tage lang in geheimer Haft gehalten wurde und den man ohne Beisein seines Anwalts am 5. Mai 2003 einem Untersuchungsrichter vorgeführt hat;
die Behörden auffordern sicherzustellen, dass er im Gewahrsam menschenwürdig behandelt, weder gefoltert noch misshandelt sowie, falls erforderlich, angemessen medizinisch versorgt wird;
die Behörden auffordern, dafür Sorge zu tragen, dass das weitere Verfahren internationalen Menschenrechtsnormen entspricht und der Gefangene umgehend Kontakt zu Rechtsanwälten und seiner Familie erhält.
APPELLE AN:
Son Excellence Président Zine Le Abidine Ben Ali, Président de la République, Palais Présidentiel, Tunis, TUNESIEN (Staatspräsident - korrekte Anrede: Excellence)
Telefax: (00 216) 71-744 721
M. Bechir Takkari, Ministère de la Justice, 31 Boulevard Bab Benat, 1006 Tunis – La Kasbah, TUNESIEN (Justiz- und Menschenrechtsminister - korrekte Anrede: Monsieur le Ministre)
Telefax: (00 216) 71 568 106
E-Mail: mju@ministeres.tn
M. Hédi M'henni, Ministre de l'Intérieur, Ministère le l'Intérieur, Avenue Habib Bourguiba, 1000 Tunis, TUNESIEN (Innenminister - korrekte Anrede: Monsieur le Ministre)
Telefax: (00 216) 71 340 888
E-Mail: mint@ministeres.tn
KOPIEN AN:
Comité supérieur des droits de l'homme et des libertés fondamtentales, Zakaria Ben Mustapha, Président, 85 Avenue de la Liberté, 1002 Tunis-Belvédère, TUNESIEN
(Vorsitzender des staatlichen Menschenrechtsausschusses)
Telefax: (00 216) 71-796 593 ; (00 216) 71-784 038
Kanzlei der Botschaft der Tunesischen Republik
Lindenallee 16, 14050 Berlin
(S. E. Herrn Fethi Merdassi)
Telefax: 030-3082 0683
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Franzö-sisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 18. Juni 2003 keine Appelle mehr zu verschicken.
RECOMMENDED ACTION: Please send appeals to arrive as quickly as possible, in Arabic, French, English or your own language:
- expressing concern that Tarek Ferchichi, who was held in secret detention for six days, was presented to an examining judge on 5 May without the presence of his lawyer;
- calling on the authorities to guarantee that Tarek Ferchichi is treated humanely in detention and that he be granted any medical attention he may require;
- urging the authorities to ensure that all future judicial proceedings will be in accordance with international human rights standards, in particular that he be granted access to lawyers and relatives immediately.
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wurde mir so eben per Mail zugestellt für euch zur Information
Claudia
