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Binationale Ehen oder: Asylbewerber sollen nicht heiraten

Die schleichende Einschränkung und Vernichtung von Grundrechten für
Flüchtlinge hat viele Facetten. Ein Feld von Diskriminierung, mit dem
der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. immer häufiger konfrontiert wird, ist
die Behindertung binationale Partnerschaften, so z.B.:

- Ein Asylbewerber hat bereits seit 4 Jahren eine Beziehung zu einer
deutschen Frau. Die beiden bekommen wunschgemäß nach 2 Jahren Beziehung
ein gemeinsames Kind. Für dieses Kind erklären sie das gemeinsame
Sorgerecht. Die Ausländerbehörde des Vaters hingegen erteilt nicht wie
gesetzlich vorgesehen einen Aufenthaltstitel, sondern forciert die
Ausreise bzw. sogar die Abschiebung. Die Eheschließung ist lange nicht
möglich, weil das Ausstellen der Dokumente im Heimatland inklusive der
Legalisierung bei der deutschen Botschaft ewig dauern. Beim Eintreffen
in Deutschland dürfen sie jedoch nicht älter als 6 Monate sein. So
bekommen die beiden überdies ein weiteres gemeinsames Kind. Noch immer
muß der Vater vom Wohnort seiner Frau und Kinder bis zu seiner
Ausländerbehörde ca. 600 km zurücklegen. Ganz zu schweigen davon, daß
die Ausländerbehörde ihn aus dem Haus der Schwiegereltern wegen der
Vorführung bei seiner Botschaft verhaften ließ.

- Eine Frau aus Thüringen heiratet einen etwa 20 Jahre jüngeren
Schwarzafrikaner in Frankreich. Jedoch bekommt der Mann kein Visum zur
Familienzusammenführung. Das aber wäre nötig für einen regulären
Aufenthalt in Deutschland. Deshalb entschließt sich der Schwarzafrikaner
eines Tages ohne das Visum zu seiner Frau zu fahren. Das Glück sollte
nicht lange dauern. Er wurde im Hause seiner Ehefrau verhaftet und in
Abschiebehaft genommen. Ende Juni wurde er in sein Heimatland
abgeschoben. Keine offizielle deutsche Behörde hat die deutsche Ehefrau
bisher benachrichtigt. Die Frau hat auch keine Nachricht über den
Verbleib ihres Ehemannes. Der durch die deutschen Behörden in Zweifel
gezogene Haftbefehl gegen den Mann war nämlich nach Auskunft der
Botschaft noch in Kraft. Demzufolge wird die deutsche Ehefrau auch so
schnell keine Nachricht erhalten. Eine gemeinsame Zukunft ist unmöglich
geworden.

Das ist nur ein kleiner Einblick in binationalen Alltag in Deutschland.
Binationale Ehen unterliegen häufig starkem Stress durch Behörden etc.
Ich möchte hier besonders über die Situation von mit Ausländern
verheirateten deutschen Frauen berichten. Zunächst weil ich diese
Situation aus eigener Erfahrung kenne. Ich muß die möglicherweise ebenso
problematische Situation deutscher Männer, die mit einer Ausländerin
verheiratet sind, ausblenden, da mir dort die entsprechende Erfahrung
fehlt. Seit dem Bestehen des Flüchtlingsrates hat sich noch kein
deutscher mit einer Ausländerin verheirateter Mann an uns gewandt.

Deutsche Frauen und Ausländer lernen sich kennen wie andere Paare auch.
Oft kennen sie sich schon eine Weile, manchmal aber auch nicht, wenn zum
ersten Male die Frage nach der Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft
auftaucht. Häufig geraten diese Paare dann unter Druck, sehen als
einzige Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft eine Heirat. Und dann
beginnt der ``Run''. Das Besorgen der Dokumente aus dem Heimatland, das
Beantragen einer Eheschließung. Dann müssen die Dokumente beim
Standesamt und der Ausländerbehörde vorgelegt werden. Dies eröffnet
jedoch manchmal auch die Möglichkeit zur Abschiebung für die
Ausländerbehörde. Die Zeit des Wartens und Bangens beginnt. Denn Ehen
mit ausländischen Staatsangehörigen müssen beim Oberlandesgericht in
Jena von der Erbringung eines Ehefähigkeitszeugnisses befreit werden.
Das dauert oft sehr lange, 6 Wochen sind jedoch die Regel.

Oft dominiert in dieser Zeit der Kampf um die Eheschließung die gesamte
Beziehung. Es geht nicht mehr um wirkliche Beziehungsfragen, sondern nur
noch darum, ob man es schafft zu heiraten. Die Gefühle und Taten werden
nur noch daran gemessen. Beziehungsprobleme kommen kaum noch zur
Sprache.

Mit ein bißchen Glück heiratet man dann. Irgendwann wird ein Visum
erteilt, und der ausländische Ehepartner kann dann auch arbeiten.

Zwischen diesen einzelnen Schritten liegt häufig eine Vielzahl von
Problemen, die gelöst werden müssen. Binationale Ehen leben deshalb von
Anfang an in einer anderen Situation als deutsche verheiratete oder
unverheiratete Paaren. Diese problematische Situation umfaßt nicht die
möglichen kulturellen oder religiösen Unterschiede oder Problemlagen.
Natürlich macht auch das oft rassistisch geprägte Umfeld den
binationalen Alltag nicht gerade schöner. Noch immer werden
beispielsweise Worte wie ``Mischling'' oder ``Negerbaby'' als ganz
normal gefunden. Ausländische Ehepartner können ``abgeschoben'' werden.
Das ist auch ganz normal. Der Schutz von Ehe und Familie scheint nicht
für alle gleichen Maßes zu gelten. Kindeswohl wird z.T. in den Wind
geschrieben, wenn der Vater nicht deutsch ist. Jugendämter scheinen kein
allzu großes Interesse daran zu haben, den ausländischen Vater eines
Kindes festzustellen. Häufig wird ausländischen Elternteilen auch
unterstellt, daß sie sich nur wegen ihres Aufenthaltes um die Kinder
kümmern würden. Auch werden binationale Ehen immer mit dem fragenden
Blick wegen einer Zweckehe beäugt. Um mögliche ``Scheinehen'' zu
verhindern ist in Deutschland am 1. Juli 1998 ein Gesetz erlassen
worden, wonach ein Standesbeamter die Trauung des Paares ablehnen kann
(Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechtes). Es wurden Merkmale
definiert, woran man eine ``Scheinehe'' erkennen könne. Auch kann eine
Ehe per Gesetz aufgehoben, d.h. für nichtig erklärt werden.

Der ausländische Ehepartner muß eine Ehebestandszeit absolvieren (ab
1.4.2000 2 Jahre) um einen gesicherten Aufenthaltsstatus - unbefristete
Aufenthaltserlaubnis - zu erhalten. In dieser Zeit muß er bei einer
Trennung mit einer Abschiebung rechnen. Dies manifestiert
Machtverhältnisse in einer Beziehung, die nicht natürlich sind.
Traditionell patriarchal erzogene Männer benehmen sich wie die geborenen
Hausmänner und ähnliches. Die Ausländerbehörde sitzt sozusagen mit am
Tisch. Oft nutzt der überlegene Partner die Übermacht aus. Eine große
Anzahl von geschlossenen Ehen zerbricht an den Unwägbarkeiten des
binationalen Alltags. An dem Respekt vor diesen Ehen kann man den
grundgesetzlich verankerten Schutz von Ehe und Familie messen. Mangels
einer IAF-Gruppe (Verband binationaler Familien und Partnerschaften) in
Thüringen richtet der Flüchtlingsrat immer wieder auch ein Auge auf die
Familiensituation von binationalen Ehen.

In der DDR nahm man billigend in Kauf, afrodeutsche Kinder bzw.
vietnamesisch-deutsche Kinder etc. häufig ohne Vater aufwachsen zu
lassen. Die Vertragsarbeiter wurden bei Auslaufen des Vertrages in ihre
Heimatländer zurückgeschickt. Ehen waren nur kompliziert und äußerst
selten möglich. Nach den Befindlichkeiten der Kinder wurde nicht viel
gefragt. Die heutige Gesellschaft jedoch sollte sich aufgeklärter
verhalten. Binationale Kinder brauchen genau wie alle Kinder beide
Elternteile, vielleicht manchmal ein bißchen mehr. Denn wer Wurzeln an
zwei Plätzen in dieser Welt hat, möchte und muß diese auch kennen.

Der Schutz von Ehe und Familie muß wie im Grundgesetz vorgesehen für
alle gleichermaßen gelten. Deshalb fordert der Flüchtlingsrat Thüringen
e.V. dazu auf, die positiven änderungen im Kindschaftsrecht (Möglichkeit
der gemeinsamen elterlichen Sorgeerklärung) mit eindeutigen Regelungen
im Ausländergesetz zu versehen!

Sandra Jesse