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Arabsice Literatur/Frankurter Buchmesse #98036
30/09/2004 14:43
30/09/2004 14:43
Joined: Dec 2003
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Gemel Abdel-Nasser Offline OP
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Gemel Abdel-Nasser  Offline OP
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Arabische Literatur im Mittelpunkt. Schriftsprache, Dichtung und Islam sind das einende Band. Zum Gastauftritt der arabischen Welt bei der Frankfurter Buchmesse 2004 legen deutschsprachige Verlage zahlreiche Novitäten vor.
Die arabische Literatur boomt im deutschsprachigen Buchmarkt – nur keiner merkt es. Seit dem Literaturnobelpreis für den Ägypter Nagib Machfus 1988 weist die Zahl der aus dem Arabischen übersetzten Bücher, eine jährliche Zuwachsrate von zehn bis 20 Prozent aus. Konnte man Mitte der 80er Jahre nur eine Handvoll zeitgenössischer arabischer Autoren auf Deutsch lesen, so sind heute rund 150 Werke der arabischen Literatur lieferbar – Gedichtbände, Romane, Anthologien und Klassiker.

Dabei sind die auf Französisch schreibenden Nordafrikaner wie Tahar Ben Jelloun oder Assia Djebbar noch gar nicht mitgezählt, ebenso wenig die Koran-Ausgaben oder Sachbücher über die arabische Welt. Mit den Herbstprogrammen wird der vorläufige Höhepunkt dieses Trends erreicht. Denn die arabische Welt ist die Gastregion der Frankfurter Buchmesse 2004 – was sich in den Verlagsprogrammen entsprechend widerspiegelt.

Was ist überhaupt die arabische Welt

Die Wahrnehmung der arabischen Welt und Kultur orientiert sich an den politischen Ereignissen der letzten Jahre - nach dem 11. September 2001 waren bald alle deutschen Koranausgaben vergriffen, und erst vor kurzem hat ein deutscher Verlag mit der Übersetzung des (miserablen) Romans von Saddam Hussein Zabiba und der König einen denkbar fragwürdigen Verkaufserfolg erzielt.
Die Entscheidung der Frankfurter Buchmesse, in diesem Jahr die arabische Welt - organisatorisch vertreten durch die arabische Liga - zum Schwerpunktland zu machen, ist daher ebenso richtig wie gewagt. Denn eines ist klar: Das wird kein unproblematischer Messeschwerpunkt werden.

Die arabische Region, die sich von Mauretanien und Marokko im Westen bis zum Irak und zur arabischen Halbinsel im Süden erstreckt (Türkei und Iran ausgenommen), ist geographisch und kulturgeschichtlich ein relativ homogener Raum. Die Bevölkerung der 22 Länder ist mehrheitlich muslimisch, Arabisch ist die Amts- und Muttersprache der meisten Menschen, die dort leben. Trotz großer Dialekt-Unterschiede, ähnlich wie zwischen Deutschland und der Schweiz, bildet das klassische Arabisch nach wie vor die gemeinsame Literatursprache. Ein Iraker kann problemlos einen marokkanischen Roman lesen – sofern nicht zuviel Umgangssprache in den Dialogen vorkommt. Insofern ist es richtig, von "der arabischen Literatur" zu reden.

Die Zentren der arabischen Verlagswelt sind Beirut und Kairo, und die großen, in London angesiedelten arabischen Tageszeitung, wie zum Beispiel al-Hayat oder al-Quds-Al-Arabi, die fast täglich Buchbesprechungen bringen, werden überall in der arabischen Welt vertrieben – wenn sie nicht gerade verboten sind.

Doch diese Homogenität wird konterkariert durch die sprichwörtliche politische Uneinigkeit der Araber, die auch Folgen für die Kultur hat. So gibt es zum Beispiel in den Golfstaaten keine nennenswerte literarische Produktion. Dafür sitzt dort das Geld. Ein Großteil der arabischen Aktivitäten auf der Buchmesse wird von den Golfstaaten finanziert – die Autoren aber werden aus Ägypten, Syrien, Libanon oder dem Exil kommen.

Zwischen Neugier und Zurückhaltung

Auch wenn die Zahl der Übersetzungen kontinuierlich steigt, gibt es hierzulande Berührungsängste mit der arabischen Literatur – was sich an den Herbstprogrammen der Verlage ablesen lässt: Häuser, die seit jeher orientalische Literatur publiziert haben, haben dieses Segment verstärkt. Die anderen, darunter die Mehrzahl der großen Verlage, lassen vorläufig die Finger davon oder setzen auf das Sachbuch.
Konkurrenzlos bei arabischer Literatur ist der Basler Lenos Verlag. Rund 50 zeitgenössische arabische Romane und Erzählungssammlungen hält der Verlag derzeit als Hardcover und Taschenbuch lieferbar, darunter viele der ganz großen Autoren aus der arabischen Welt. Eine hervorragende und mit 6.90 Euro denkbar günstige Einführung ist die repräsentative Anthologie Auf Besuch, die im Juli erscheint und die wichtigsten Lenos-Autoren vorstellt.

Bereits seit Frühjahr liegt bei Lenos Sains Hochzeit, das vierte Buch des Sudanesen Tajjib Salich (geboren 1929) vor, einer der größten, auch auf Deutsch ohne Abstriche lesenswerten arabischen Autoren. Unübertroffen ist sein 1966 erschienenes Hauptwerk Zeit der Nordwanderung, das zu einem der wenigen Kultbücher der arabischen Literatur wurde.

Die Erfolge des aus Libyen stammenden Tuareg-Autors Ibrahim al-Koni (Die Magier) sollen im Herbst mit den Sahara-Erzählungen fortgesetzt werden (Die steinerne Herrin). Mit mittlerweile sieben Büchern ist al-Koni einer der Schwerpunkt-Autoren des Basler Verlags. Außerdem besonders empfehlenswert: Die surreal-makabren, erfrischend tabulosen Kurgeschichten des 1931 geborenen Syrers Sakarija Tamer. In der Sammlung Die Hinrichtung des Todes (erscheint im August) schickt der im Londoner Exil lebende Autor berühmte Persönlichkeiten der arabischen Geschichte immer in die falsche Zeit – eine der wenigen Satiren in der heutigen arabischen Literatur.

Zwei weitere Schweizer Verlage haben ein ungewöhnlich starkes arabisches Programm, der Ammann-Verlag und der Unionsverlag. Union-Leiter Lucien Leitess scheint den Ehrgeiz zu haben, sukzessive das Gesamtwerk des ägyptischen Nobelpreisträgers Nagib Machfus auf Deutsch herauszubringen. Das sage und schreibe 19. Machfus-Buch kommt im Juli unter dem Titel Die Reise des Ibn Fattuma heraus – ein Roman, in dem der Nobelpreisträger seine Stärken souverän ausspielt. In Gestalt des abenteuerlustigen Ibn Fattuma entführt der Ägypter seine Leser in ferne Länder und fremde Sitten.

Mitten in die Gegenwart, ins Herz des israelisch-palästinensischen Konflikts, trifft dagegen die bedeutendste palästinensische Autorin, Sahar Khalifa (geboren 1941), mit ihrem mittlerweile sechsten Werk bei Union (Die Verheißung). Khalifa wird auch zur Buchmesse kommen: Das Goethe-Institut hat sie zum Gespräch mit Jutta Limbach eingeladen. Man darf hoffen, dass die ebenso charmante wie lebhafte Palästinenserin eine Lesereise anschließt.

Dichtung hoch im Kurs

Für die Araber selbst ist die angesehenste Gattung übrigens nicht der Roman, sondern seit vorislamischer Zeit vor 1500 Jahren die Versdichtung. Wer die arabische Literatur wirklich kennen lernen will, kommt daher um die Lyrik ebenso wenig herum wie derjenige, der ohne Umwege gleich das Feinste lesen will. Hier hat der Ammann Verlag seine Stärke: Die beiden wichtigsten arabischen Dichter, der Syrer Adonis und der Palästinenser Mahmoud Darwish, werden bei Ammann in repräsentativen zweisprachigen Ausgaben verlegt. Im Herbst kommt nun der zweite Band der großangelegten Adonis-Auswahl. Darin findet sich das berühmte Landgedicht Ein Grab für New York aus dem Jahr 1970, das die Ereignisse des 11. September dichterisch vorwegnimmt. Adonis ist übrigens auch als erstklassiger Vortragskünstler bekannt - er wird sicher zu einigen Lesungen nach Deutschland kommen.
Ansonsten findet man arabische Lyrik in diesem Herbst nur in Kleinverlagen wie dem Verlag Hans Schiler, der aus der Konkursmasse der Berliner Fachbuchhandlung Das arabische Buch hervorging. Dort erscheinen demnächst unter anderem Gedichte des derzeit namhaftesten irakischen Lyrikers, Saadi Yusuf, der seit langem in London lebt. Bisher waren seine Gedichte auf Deutsch nur in Anthologien vertreten (Die Farbe der Ferne. Moderne arabische Dichtung. C.H. Beck).

Keine Angst vor Klassikern

Unter den renommierten deutschen Verlagen hat C.H. Beck das stärkste orientalische Programm. Die bibliophil gestaltete, dennoch preisgünstige Neue orientalische Bibliothek ist derzeit die einzige Buchreihe im deutschsprachigen Raum, die den großen klassischen Werken des islamischen Kulturkreises eine Heimat bietet. Alle anderen Häuser publizieren mittlerweile fast ausschließlich moderne Autoren. Die in der Neuen orientalischen Bibliothek erscheinenden Werke zählen zur Weltliteratur, und der Erfolg der Neuübersetzung von Tausendundeine Nacht in diesem Frühjahr beweist, dass man diese Literatur auch verkaufen kann, wenn das Marketing stimmt und die Buchhändler mitziehen. Die Neuausgabe von Tausendundeine Nacht wird auch auf der Messe den Schwerpunkt des arabischen Programms von Beck bilden.
Der international hochgehandelte, doch in Deutschland bislang erfolglose libanesische Romancier Elias Khoury – wie Sahar Khalifa ein literarischer Anwalt der Palästinenser – setzt seine deutsche Verlagsodyssee fort. Von Das arabische Buch ist er zu C.H. Beck gewechselt, sein jüngstes Buch, Das Tor zur Sonne erscheint nun bei Klett-Cotta. Es ist ein Epos über den ersten arabisch-israelischen Krieg 1948 und die sich anschließenden Flüchtlingsschicksale. Das 400-Seiten Werk gilt in der arabischen Welt als sein Opus-Magnum.

Bei Hanser war das arabische Segment bislang vor allem durch den populären deutsch schreibenden Syrer Rafik Schami vertreten. Im Herbst tritt der Iraker Najm Wali mit seinem Roman Die Reise nach Tell al-Lahm hinzu, der von den Irrungen und Wirrungen arabischer Intellektueller der Post-68-er-Generation berichtet. Wali lebt in der Bundesrepublik als Korrespondent für arabische Zeitungen und spricht sehr gut Deutsch.

Suhrkamp bringt die lang erwartete Neuausgabe des Romans Sitt Marie-Rose von Etel Adnan, eine der berühmtesten Darstellungen des libanesischen Bürgerkriegs. Zudem legt der Verlag einen Band mit scharfsinnigen, tagebuchähnlichen Notaten der in Kalifornien und Paris lebenden, englisch und französisch schreibenden Libanesin vor.

Nagib Machfus schließlich wird durch die Aufnahme in die Bibliothek Suhrkamp geadelt. Hier erscheint eine Neuauflage des vergriffenen Klassikers Das Hausboot am Nil.

Die Novitäten im, Sommer und Herbst sind Lesestoff genug für das Publikum – und für den Messeschwerpunkt. Problematisch für die arabische Literatur erweist sich ein anderer Umstand: Es gibt kaum Kritiker, die auf orientalische Literatur spezialisiert sind. Von den großen Zeitungen lassen nur die Neue Zürcher Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung regelmäßig arabische Literatur besprechen.

Die Spreu vom Weizen trennen

Somit besteht die Gefahr, dass im kommenden Herbst zwar genügend arabische Bücher auf dem Markt sind, aber nur wenige, die diese Bücher bekannt machen und die Spreu vom Weizen trennen können. Zudem gibt es keine Überblicksdarstellungen, mit deren Hilfe sich der interessierte Buchhändler, Kritiker oder Leser informieren könnte. Ein Geheimtipp: Bei der Wiener Edition Selene erscheint im September ein Werk, das in diese Marktlücke stößt: Erlesener Orient. Ein Führer durch die Literatur der islamischen Welt.
Fazit: Beim Buchmesse-Schwerpunkt Arabische Welt sind Neugier, Aufgeschlossenheit und Experimentierfreude bei allen Beteiligten gefragt: Buchhändlern, Kritikern, Literaturveranstaltern, Verlagen und nicht zuletzt Lesern. Der Lohn dafür ist die Entdeckung eines neuen literarischen Kontinents, der einen lange nicht loslassen wird und der noch viele Überraschungen bereithält.

Quelle: Goethe.de

Re: Arabsice Literatur/Frankurter Buchmesse #98037
04/10/2004 08:47
04/10/2004 08:47

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http://www.tagesspiegel.de/kultur/index.asp?gotos=http:
//archiv.tagesspiegel.de/toolbox-neu.php?ran=on&url=http:
//archiv.tagesspiegel.de/archiv/04.10.2004/1398076.asp#

Kultur oder Terrorismus

Araber und Deutsche im Frankfurter Römer

Wenn das „Annemarie Schimmel Forum für Interkulturelle und Interreligiöse Verständigung“ kurz vorm Auftakt der dieses Jahr der „Arabischen Welt“ gewidmeten Frankfurter Buchmesse Wissenschaftler und Politiker zu einem Symposium lädt, dann darf man mehr erwarten als Formeln. Wie ein neuer Anfang im Verhältnis von Orient und Okzident aussehen könnte, das war die Leitfrage im Frankfurter Römer. Samuel Huntingtons als „Kampf der Kulturen“ bekannt gewordene Theorie vom Zusammenprall der Zivilisationen soll nicht das bestimmende Raster sein, durch das sich Islam und Christentum gegenseitig wahrnehmen, darin waren sich die Redner einig. Aber will man von Islam und Christentum überhaupt sprechen?

Der Eröffnungsvortrag des Friedens- und Konfliktforschers Ernst-Otto Czempiel gibt die Lesart vor: Nein, der politische Terror sei kein Produkt des Islam oder eines radikalisierten Flügels. Moderne Religionen seien grundsätzlich „gewaltavers“. Die religiös-kulturelle Deutung der gegenwärtigen Konflikte verdecke den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Beitrag des Westens zur Gewalteskalation. In den fundamentalistischen Bekundungen von Terroristen vermag Czempiel nur den subjektiven Glauben an religiöse Motive zu erkennen, in dem sich einst auch mancher Kreuzritter befunden habe.

„Interessen“ heißt das Zauberwort, auf das die Redner unisono die Aufmerksamkeit lenkten. Eine merkwürdige Umkehrung: Wenn sonst die großen Köpfe für die hehren Motive zuständig sind, während der gemeine Zeitgenosse dem Realismus materialistischer Motive frönt, scheint es sich hier genau andersrum zu verhalten. Über 60 Prozent der Deutschen glauben einer Allensbach-Umfrage zufolge an einen Kampf der Kulturen. Dagegen hämmern die Profis der interkulturellen Verständigung uns ein: „It's the economy, stupid!“ So, nur höflicher, Scheich Ahmed Zaki Yamani, Gelehrter, Mäzen und über 20 Jahre saudi-arabischer Ölminister.

Der Publizist Michael Lüders begründet, warum man den Blick von Kulturen auf Interessen lenken sollte: In Huntingtons Modell sind die wesentlichen Züge der Kulturkreise schon vorgegeben und in den Religionen fest verankert. Daher müsse man auf die Interessen gar nicht mehr eingehen. Lüders mahnt den Westen wie die arabische Welt zu Realismus. Letztere fordert er auf, anzuerkennen, dass der politische Islamismus ebenso gescheitert ist wie vor ihm der arabische Nationalismus. Deren Antworten auf die Herausforderung des Westens haben die Verhältnisse in den arabischen Ländern nicht verbessert. Nun stünde die arabische Welt vor der Aufgabe, die Initiative für Bildung und Bürgerrechte zu ergreifen.

Doch genau hier stößt der Spaten des Dialogs auf den Fels der Interessen. Das wurde im leidenschaftlichsten Beitrag der Tagung deutlich. Mit sarkastischen Worten legt der tunesische Historiker Mohammed Talbi seinen vorbereiteten Vortrag über den „Euro-Islam“ beiseite: „Das ist ja nutzlos, hier von Kultur zu sprechen, denn alle anderen sprechen von Terrorismus.“ Scharf geißelt der 80-Jährige jeden Versuch, das Konfliktpotenzial in der Religion auszumachen. Wenn man glaube, dass das Evangelium von der Liebe spricht, der Koran aber von der Gewalt, dann führe man einen Dialog zwischen Tauben.

Vor allem aber macht Talbi deutlich, wie bitter es für arabische Intellektuelle sein muss, vom Westen zur Initiative für Menschenrechte aufgerufen zu werden. Das Interesse des Westens verkörperten stabile undemokratische Regimes wie Tunesien und Saudi-Arabien. Wie müssten sich Menschen fühlen, die sich den Werten der westlichen Aufklärung verschreiben, um genau diese Werte unter Mithilfe westlicher Politiker mit Füßen getreten zu sehen?

Wenn ein Dialog damit beginnt, dass sich die Partner kennen lernen, dann sind Talbis Ausführungen eine erste echte Übung in Verständigung. Es gibt freilich auch Optimismus. Der Islamwissenschaftler Tariq Ramadan erläutert eine Lesart des Islam, nach der die europäischen Muslime die europäische Kultur keineswegs abstoßen müssen, um Muslime sein zu können. Michael Adrian

Re: Arabsice Literatur/Frankurter Buchmesse #98038
04/10/2004 23:38
04/10/2004 23:38

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SPIEGEL special 4/2004 - 28. September 2004
URL: http://www.spiegel.de/spiegelspecial/0,1518,320332,00.html

Arabische Welt

Die Mutter des Friedens

Von Rainer Traub

Der Austausch zwischen der arabischen und der europäischen Kultur soll mit dem diesjährigen Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse gefördert werden. Doch auf dem Weg zu diesem Ziel sind enorme Hindernisse zu überwinden.

Es war riskant, "Die arabische Welt" als Ehrengast ins Zentrum der bevorstehenden Buchmesse zu rücken: Kaum je standen der Idee und Praxis eines freien Dialogs der Kulturen größere Schwierigkeiten im Weg als heute - auf beiden Seiten. Gerade darum war die Entscheidung mehr als nur mutig. Sie war dringend notwendig.

Auf arabischer Seite beginnen die Probleme mit der Lage der Schriftsteller in den 22 eingeladenen Staaten der arabischen Liga - von Algerien über Ägypten und Oman bis Saudi-Arabien. Die Tyranneien in diesen Ländern sind graduell unterschiedlich ausgeprägt, doch wirkliche Freiheit gibt es in keinem von ihnen.

Niemand attackiert die arabischen Herrscher so zielsicher und leidenschaftlich wie die liberale arabische Opposition: "Sie dulden keine Kritik, und Kritik ist die Lunge der Freiheit", schreibt der in Deutschland lebende syrische Erzähler Rafik Schami. Er ging ins Exil, um dem "Mord an Geist und Seele" zu entkommen - wie zahllose Leidensgenossen: "Die arabischen Intellektuellen flüchten, werden mundtot gemacht, oder sie werden gekauft. Die Diktatoren versuchen - nicht ohne Erfolg - mit einem Heer gekaufter Dichter, Denker und Künstler die Herzen ihrer Bevölkerung zu erreichen."

Die Bedingungen der Buchproduktion nennt der Vizepräsident der arabischen Verlegerunion, Hafis Chalil al-Bis: "Autor und Verlag sind gezwungen, den Launen und Instruktionen von 22 arabischen Zensoren gerecht zu werden." Die arabischen Medien erlebten in den vergangenen 50 Jahren generell einen "immer stärker zunehmenden Niedergang". Das stellt Saad Eddin Ibrahim fest, ein Soziologieprofessor aus Kairo. Er beschreibt den grotesken "Comical Ali", Saddam Husseins einstigen Informationsminister ("Der Mann liquidierte Tausende amerikanische 'ungläubige Krieger' in ihren Panzern oder Flugzeugen, bevor sie Bagdad erreichten"), als typisches Produkt dieses Niedergangs.


Khalid Al-Maaly
Die arabische Welt - Zwischen Tradition und Moderne
Palmyra Verlag, Heidelberg;
ca. 270 Seiten;
19,90 Euro
Ibrahims Beitrag findet sich wie der von Schami im Sammelband "Die arabische Welt - Zwischen Tradition und Moderne". Das Buch vereint eine Fülle kritischer, profilierter Stimmen der arabischen Literatur und Kultur. Sie analysieren die wichtigsten politischen, kulturellen und religiösen Probleme der arabischen Welt. Ein Großteil der Autoren lebt in der europäischen Emigration - wie der 1979 aus dem Irak geflohene Herausgeber des Bandes, der in Köln ansässige Schriftsteller und Übersetzer Khalid Al-Maaly.

Neben dem elementaren Mangel an Demokratie ist der aggressive islamistische Fundamentalismus das aktuelle Hauptproblem. Der irakische Autor Najem Wali nennt in seinem Essay über "Die Nöte der arabischen Kultur" (siehe Seite 16) ein Schlüsseldatum für die Ausbreitung dieser geistigen Seuche mit ihrer fortschreitenden Erstickung aller liberalen Kulturtendenzen. Es ist der 5. Juni 1967, der Tag der Niederlage im Sechstagekrieg. Die Militärs rächten sich, so Walis Erklärung, mit einer scharfen innenpolitischen Reaktion für die Niederlage ihrer Männlichkeit auf dem Schlachtfeld: Ein massives patriarchalisches Rollback gegen die beginnende Emanzipation der Frauen und gegen alle Ansätze einer freieren, offenen Gesellschaft setzte ein. So wurde der Boden für die Islamisten bereitet.

Die hätten sich - unter dem Vorwand, wieder die Initiative im Kampf gegen Israel und bei der Befreiung Palästinas zu ergreifen - der politischen Bühne bemächtigt, sie vollständig "mit ihren paternalistisch-männlichen Vorstellungen geprägt" und die Frauen in die Häuser und unter den Schleier zurückgescheucht. Damit, so fährt Wali fort, begnügten sie sich nicht: "Sie mauerten auch das nationale Selbstgefühl in der Einsamkeit und Enge von uraltem Kulturgut ein. Es ist gefangen im geistigen Verlies fundamentalistischer Ideologien, die selbständiges Denken durch gedankenlose Übernahme ersetzen, Toleranz durch Fanatismus, Meinungsvielfalt durch Einheitsbrei und kritische Fragen durch blinde Zustimmung."

Arabische Satellitenprogramme, allen voran der Sender al-Dschasira, berieseln die Zuschauer nach Walis Zeugnis ununterbrochen mit reaktionärem Stumpfsinn und Hasstiraden auf den Westen. Die arabische Kultur, so fasst der irakische Schriftsteller seine schonungslose Diagnose zusammen, war noch nie in ihrer Geschichte "aus ihrer eigenen Mitte heraus derart bösartigen Angriffen ausgesetzt wie heute".

Die Nöte der Autoren hängen aber auch mit einem ganz anderen Problem zusammen. Schon lange bevor der islamistische Fundamentalismus sich in den Vordergrund drängte, war die westliche Neugier auf arabische Literatur und Kultur minimal. Von mehr als 125 000 belletristischen Titeln (darunter etwa 40 Prozent Übersetzungen), die gegenwärtig auf dem deutschsprachigen Buchmarkt erhältlich sind, stammen weniger als 0,3 Prozent aus der arabischen Welt. Bis auf wenige Ausnahmen, zu denen die frankophone Algerierin Assia Djebar und - seit seinem Nobelpreis von 1988 - der Ägypter Nagib Machfus gehören, ist das literarische Desinteresse an der arabischen Welt überall in Europa ähnlich ausgeprägt.

Anstelle von Kenntnissen herrscht bis heute ein Stereotyp vom märchenhaften Orient vor, das vor 300 Jahren geprägt wurde. Beträchtlichen Anteil an der Karriere dieses Klischees hat das literarische Schicksal eines Werks der Weltliteratur: Die Geschichten aus "Tausendundeiner Nacht" erreichten das europäische Publikum Anfang des 18. Jahrhunderts durch eine französische Übersetzung des Pariser Diplomaten und Orientalisten Antoine Galland. Der fügte dem Inhalt der dreibändigen arabischen Handschrift nach eigenem Gutdünken zahlreiche Geschichten hinzu und schmückte seine Übersetzung mit allerlei pikanten Details aus. In dieser retuschierten Form befeuerten die Märchen die damals um sich greifende romantische Orientbegeisterung.

Paradoxerweise erschien die erste arabische Druckausgabe von "Tausendundeiner Nacht" erst, nachdem die französische Version die Phantasie der Europäer schon ein Jahrhundert lang erhitzt hatte - im Jahr 1814. Der Druckort war Kalkutta; in Arabien galt das erotisch freizügige Buch als anstößig. Es ist bis heute in vielen arabischen Staaten verboten. Das Märchenreich aber, das Galland präsentierte, wurde gerade im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung, die mit massenhafter wirtschaftlicher Entwurzelung und sozialer Verunsicherung einherging, zum idealen Fluchtpunkt der europäischen Phantasie: zu einem fremden Reich der Sinne, in der all jene Ausschweifungen imaginär ausgelebt werden konnten, die im damals noch kirchenstrengen Europa tabuisiert waren.

Verschleierte Frauen in Arabien: Instruktionen von 22 Zensoren

Verschleierte Frauen in Arabien: Instruktionen von 22 Zensoren
"Dieses Bild vom märchenhaften Orient ist zwar sympathisch, aber letztlich ein verheerender Mythos, der allzu viel zudeckt", sagt Lucien Leitess, Chef des Zürcher Unionsverlags (siehe Seite 20) und fügt hinzu: "Mir graut vor einer europäischen Blamage beim Austausch mit der arabischen Kultur anlässlich des diesjährigen Buchmessenschwerpunkts." Angesichts der tief verwurzelten Stereotype, klagt er, werde die Vielstimmigkeit der arabischen Welt nicht wahrgenommen. Europa identifiziere sie generell mit der islamischen Religion und benutze die Begriffe "islamisch" und "arabisch" wie Synonyme. Dabei seien unter den arabischen Autoren "Muslime, Christen, Juden und vor allem eine Mehrheit, die sich nicht über Religion definieren will. Sie schreiben in Arabisch, Französisch, in Berbersprachen, sogar in Englisch und Deutsch".

Selbst wenn es um die arabisch-islamische Kultur im engeren Sinn des Wortes geht, ist das übliche Gegensatzpaar "der Westen" und "der Orient" eine höchst fragwürdige ideologische Konstruktion. Ihre Entstehung und Funktion sind historisch erklärbar, doch der geschichtlichen Wirklichkeit entspricht sie nicht. Dieses Thema beleuchtet das Buch "Missverständnis Orient. Die islamische Kultur und der Westen". Autor Georges Corm, ehemaliger Finanzminister des Libanon und Autor zahlreicher Bücher, legt eine furiose Streitschrift gegen den "imaginären Bruch" zwischen "dem Westen" und "dem Orient" vor. Er bezieht sich auf die kritische Tradition des europäischen Denkens und argumentiert mit stupenden geistesgeschichtlichen Kenntnissen. So zerlegt er das Orient-Klischee mit den analytischen Mitteln jener Aufklärung, die auch er zu den größten Errungenschaften des Denkens rechnet.

"Der narzisstische Diskurs des Westens über sich selbst" kenne "seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende der marxistischen Ideologien" keine Grenzen mehr. Er habe "den kritischen Diskurs", der "einst doch seine Stärke war, zunehmend marginalisiert", so Corm. "Wir sind allzu oft Gefangene einer binären Sicht des Daseins: Himmel und Hölle, das Gute und das Böse, Tradition und Moderne, Zivilisation und Barbarei, Orient und Okzident. Angesichts der Vielfalt und Unterschiedlichkeit in der Welt kann es nur verwundern, wie viele große Geister sich dazu hinreißen ließen, das Mannigfache ins Stereotyp zu pressen, in die binäre Logik des 'Ihr' und 'Wir'."


Georges Corm
Missverständnis Orient. Die Islamische Kultur und der Westen
Rotpunktverlag, Zürich;
180 Seiten;
18 Euro
Einen besonders brisanten Ausdruck hat diese binäre Logik, die in ähnlicher Weise dem manichäischen Denken des Fundamentalismus zu Grunde liegt, in einem der politisch einflussreichsten Bücher der Gegenwart gefunden: in Samuel Huntingtons "Kampf der Kulturen". Islamistisch motivierte Terroranschläge in aller Welt scheinen die polarisierende Titelthese erschreckend plausibel zu machen. Auch in Deutschland tragen nicht wenige so genannte Experten zur Verbreitung der Vorstellung bei, der Fundamentalismus sei die einzige authentische Form des Islam. Weil sie das Stereotyp vom ewigen Antagonismus zwischen dem Orient und dem Westen bedienen, kommen sie gut damit an. Arabische Oppositionelle und Vertreter eines aufgeklärten Islam dagegen, die den Dialog der Kulturen auch in den Medien fordern, fallen - so klagt der Iraker Najem Wali in seinem Essay - in Deutschland einem "systematischen Ausschluss" zum Opfer. So kommt das westliche Orient-Klischee auf fatale Weise dem fundamentalistischen Dogmatismus und dem Terrorismus entgegen.

An Schwierigkeiten fehlt es also nicht im Verhältnis zur arabischen Kultur. Hinzu kommt, dass es schon im Vorfeld heftige Auseinandersetzungen und Eifersüchteleien zwischen einzelnen arabischen Teilnehmerländern gab. Sie führten dazu, dass 5 der 22 eingeladenen Staaten aus der offiziellen Gemeinsamkeit der arabischen Liga ausscherten. Sie gaben dafür unterschiedliche Gründe an: Der zerstörte Irak hat dringendere Sorgen. Marokko und Algerien wollen lieber unabhängig, mit nationalen Pavillons auftreten, weil ihnen der ägyptische Einfluss zu groß ist und weil sie sich durch Nichteinladung verschiedener Literaten benachteiligt sehen. Kuweit und Libyen haben finanzielle Gründe für ihre Nichtteilnahme genannt.

"Man wollte die arabische Welt einladen und hat doch nur die Konflikte zwischen Arabern geschürt", kommentiert der marokkanische Erzähler Tahar Ben Jelloun in einem "Zeit"-Artikel zur Buchmesse. Aber sogar ein Skeptiker wie er kommt zu dem Schluss: "Und dennoch ist dies eine einmalige Chance für eine wenig bekannte, vielfältige Literatur."

Über 200 verschiedene Schriftsteller hat eine Jury, deren Unabhängigkeit die arabische Seite beteuert, eingeladen. Unter den Gästen sind Exilanten und Autoren, die im arabischen Raum leben, frankophone, anglophone und deutschsprachige Repräsentanten der arabischen Kultur, Muslime und Christen, Juden und religiös Indifferente.

Die israelische Schriftstellerin Batya Gur hat kürzlich einen SPIEGEL-special-Essay (2/2004) unter dem Titel "In der Falle" veröffentlicht. Er beginnt mit der Schilderung eines grausigen Bombenattentats in einem Jerusalemer Café, dem sie ganz knapp entging. Später im Text folgen zwei kurze, klare Sätze: "Die Verallgemeinerung ist die Mutter der Feindseligkeit. Differenzierung ist die Mutter des Friedens."

Treffender könnte man die Idee des Buchmessenschwerpunkts "Arabische Welt" wohl nicht ausdrücken.

Re: Arabsice Literatur/Frankurter Buchmesse #98039
06/10/2004 07:04
06/10/2004 07:04

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stern.de - 5.10.2004 - 16:49
URL: http://www.stern.de/unterhaltung/buecher/index.html?id=530681&eid=530459
Beginn des Artikels
Arabische Literaten

Ihr Stern leuchtet in der Heimat nur schwach

© Boris Roessler/DPA
Mit traditionellen jemenitischen Krummdolchen verziert ist eine Wand im arabischen Pavillon

Obwohl die arabische Welt auf eine Jahrhunderte alte literatische Tradition zurückblicken kann, haben zeitgenössische Romanautoren einen schlechten Stand.

Wer als Romancier oder Lyriker in der arabischen Welt lebt, braucht eine hohe Frustrationstoleranz. Denn allein zum Vergnügen liest zwischen Rabat und Damaskus nur eine verschwindend kleine Minderheit. Obwohl das Arabische die Muttersprache von weltweit rund 250 Millionen Menschen ist, erreichen selbst Romane relativ bekannter Autoren in arabischer Sprache nur sehr selten eine Auflage von mehr als 3000 Exemplaren. Zum Vergleich: Martin Walsers Roman "Der Lebenslauf der Liebe" hatte eine Startauflage von 100.000 Exemplaren. "In Ägypten liegt die Zahl der Konsumenten von Literatur wohl irgendwo zwischen einem und zwei Prozent der Bevölkerung", meint der Präsident des arabischen Verlegerverbandes, Ibrahim el Moallem.

Exilautoren haben mehr Erfolg
Besser geht es allein einem halben Dutzend arabischer Autoren, die im Exil leben und die mit ihren Büchern in Englisch, Französisch oder Deutsch ein größeres Publikum in Europa ansprechen. In der arabischen Welt sind einige von ihnen, wie etwa der in Deutschland so populäre Erzähler Rafik Schami aus Damaskus, allerdings kaum bekannt. Manche Schriftstellerkollegen in der alten Heimat behaupten sogar, die "Exilanten" seien "verwestlicht", bedienten Klischees vom exotischen Orient und hätten kaum noch Bezug zur arabischen Realität. Der ägyptische Literaturkritiker Gaber Asfour ist da allerdings ganz anderer Meinung: "Für mich gehören Schriftsteller wie (der in Paris lebende Marokkaner) Tahar Ben Jelloun oder (die Ägypterin) Ahdaf Soueif trotz der anderen Sprache auf jeden Fall zur arabischen Kultur, denn aus dieser schöpfen sie ihre Inspiration."
.

Der Roman kam erst spät nach Arabien
Traditionell kommt der Lyrik im arabischen Raum eine große Bedeutung zu. Der Roman ist dagegen eine relativ neue Erscheinung. Der erste arabische Roman, "Zeinab" von Mohammed Hussein Heikal, wurde 1913 veröffentlicht. Eine weitere Besonderheit der arabischen Literaturszene ist der hohe Anteil politisch engagierter Autoren, wobei die Auseinandersetzung mit dem Palästina-Konflikt eine zentrale Rolle einnimmt.

Erstes Hindernis für die arabische Literatur ist die hohe Zahl von Analphabeten. Zwar haben viele Staaten in den vergangenen Jahrzehnten enorm aufgeholt. Doch in Ägypten, dem bevölkerungsreichsten arabischen Land, können nach offiziellen Angaben 12 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen überhaupt nicht lesen.

Hinzu kommt die literaturfeindliche Einstellung islamischer Fundamentalisten, die in einigen Staaten seit Anfang der 90er Jahre stark um sich greift. Für diese Menschen ist das Lesen nicht- religiöser Bücher Zeitverschwendung und im schlimmsten Fall sogar eine Sünde.

Islamisten bedrohen immer wieder Autoren
Eine weitere Hürde sind Zensur und Selbstzensur, wobei sich die Themen, die Autoren Ärger oder sogar Verfolgung einbringen können, geändert haben. War es in den 60er und 70er Jahren noch in der gesamten arabischen Welt die Kritik am jeweiligen Regime, so sind es in einigen Staaten der Region heute vor allem religiöse Fragen und Sexualität. Wegen vermeintlicher Gotteslästerung in einem seiner Romane wurde Nobelpreisträger Naguib Mahfus von Fanatikern in Kairo niedergestochen. Weitere Beispiele für den Einfluss der Islamisten sind der Ägypter Nasr Hamid Abu Zaid, der von seiner Frau zwangsgeschieden wurde und ins Exil flüchtete, oder der syrische Romanautor Haidar Haidar. Er wurde 2000 zum Opfer einer Kampagne ägyptischer Islamisten, die Protestmärsche organisierten, da er ihrer Meinung nach in einem seiner Bücher den Islam verunglimpft hatte.

Dafür ist das Risiko, wegen eines Buches, in dem es um Korruption, soziale Missstände oder unfähige Regierungsbeamte geht, im Gefängnis zu landen, heute zumindest in Ägypten nicht mehr groß wie früher. "Als (Romanautor) Sonallah Ibrahim letztes Jahr in Kairo vor großem Publikum verkündete, er lehne die ägyptische Regierung ab und wolle von ihr deshalb keinen Preis annehmen, ging er als freier Mann nach Hause. Das wäre sonst höchstens in Libanon oder vielleicht noch in Marokko möglich", meint der Kritiker Gaber Asfour.

Neben den großen staatlichen Verlagshäusern gibt es in der arabischen Welt inzwischen zwar auch zahlreiche private Verlage, doch das Verhältnis zwischen Autoren und Verlegern ist nicht immer sehr innig. So entschloss sich der ägyptische Kinderbuchautor Nazih Girgis vor einigen Jahren, seine Bücher selbst zu verlegen. "Die meisten ägyptischen Verleger wollten mir 1000 Pfund (rund 135 Euro) in die Hand drücken und dann alle Rechte für sich behalten", sagt er.

Anne-Beatrice Clasmann, DPA