Sonntag 23. Juni 2002, 10:50 Uhr (Tageshöhepunkte)
Politiker fordern für das Halbfinale «fußballfrei»
Hamburg (dpa) - Die Arbeitgeber in Deutschland sollen ihren Mitarbeitern ermöglichen, am Dienstagmittag das
WM-Halbfinale der DFB-Auswahl gegen Südkorea an den TV-Geräten verfolgen zu dürfen.
Diesen Appell haben Politiker aller Parteien an Unternehmer gerichtet. «Die Fußball-Fans wollen weiter mitfiebern.
Und die Arbeitgeber sollten sich ein Herz nehmen und das ermöglichen - wo immer es geht», sagte der
rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) der «Bild am Sonntag».
CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer betonte: «Deutschland ist schließlich nicht alle Tage im Halbfinale einer WM. Ich würde mir wünschen,
dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer flexible Möglichkeiten finden, damit möglichst viele das Halbfinalspiel sehen können.» Auch der
stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle forderte: «Die Arbeitgeber sollten als Leistungsprämie fußballfrei geben oder die
Arbeitsabläufe so organisieren, dass eine möglichst große Zahl von Mitarbeitern das Spiel live erleben kann.» CDU-Vize-Chef Christian Wulff
sagte, gemeinsam Fußball zu gucken, sei «auch eine Form der Mitarbeitermotivation».
Mehrere deutsche Großunternehmen geben ihren Mitarbeitern für das Halbfinale frei. Allianz-Sprecher Oliver Santen sagte der «Bild am
Sonntag»: «Wegen der großen Nachfrage stehen mehrere Konferenzräume zur Verfügung.» Auch bei IKEA können Mitarbeiter das Spiel
verfolgen. Dazu hat das Möbelhaus mehrere Fernseher in ihren Filialen aufgestellt.
Der ADAC beweist ebenfalls Fußball-Toleranz: «Bei uns kann sich jeder ausstempeln und Fußball gucken. Rund um die ADAC-Zentrale in
München sind jede Menge Biergärten», so Sprecher Peter Hemschick. «Natürlich können nicht alle frei machen, denn Autopannen gibt es
auch während der WM.»
VW gibt seinen Arbeitern in Wolfsburg kein frei für das Halbfinale, da die Produktionsbänder nicht gestoppt werden können. Sprecher Fred
Bärbock schlug vor: «Echte Fans, die das Spiel unbedingt sehen wollen, können versuchen, die Schicht mit einem Kollegen zu tauschen.»
Konkurrent DaimlerChrysler ist rigider. «Da wir die Produktion in unseren Werkshallen unmöglich unterbrechen können, sind wir überein
gekommen, dass aus Solidarität mit den Kollegen auch in der Verwaltung nicht geguckt wird», sagte Sprecherin Silke Walters. Auch die
Deutsche Telekom verbietet seinen Mitarbeitern, während der Dienstzeit das Deutschland-Spiel zu sehen: «Wie sollen wir den Kunden denn
klar machen, dass wir nicht zur Verfügung stehen, nur weil Fußball läuft?», sagte Sprecher Ulrich Lissek.