Tunesien
Vom 08. bis zum 21.08.2000
Diese Reise führte mich und meine Freundin Isabel im August 2000 entlang der TunesieschenKüste. Wir vertrauten damals auf meine Kawasaki KMX 125 ind eine Honda Custom 125.Aus diesem Grund fiel der Offroadanteil sehr klein aus. Dafür hatten wir sehr eindrücklicheErlebnisse mit der Bevölkerung.0. Tag: Der Tag vor dem grossen Tag (07.08.2000)Heute ist der Tag vor dem grossen Tag. Alles gepackt und vorbereitet. Meine Kawa hat vorneneue, sanddichte Radlager und ausserdem einen Satz Wüstenreifen erhalten. Isabel hat fürihre Honda CM keine speziellen Massnahmen treffen wollen. Die Tankrucksäcke undTopcases sind randvoll mit Campingmaterial, Werkzeug, Ersatzteilen und ein paar (viel zuwenigen) Kleidungsstücken. Zahnbürste, Tickets für die Fähre, Karten, GPS (Danke Diego),Lebensmittel, Seife, ... schlafen können wir diese Nacht sowieso nicht.1. Tag: Erster Tag  Erste Panne (08.08.2000)Heute ist der grosse Tag. Um 06.00 aufgestanden, um 07.00 die Esel bepackt, um 07.30abgefahren, um 10.00 im Gotthardtunnel die Kerze verbrannt und um 10.15 von Ambri ausverzweifelt den Mechaniker angerufen. Das kann ja heiter werden. Eine Autowerkstatt hatzufälligerweise passende Kerzen. Ich kaufe gleich zwei.Am Nachmittag folgen wir dem Lago Maggiore bis zu seinem Abfluss in die Poebene. Einziemlich übler Verkehrsunfall mit Polizei, Feuerwehr und Leichenwagen verzögert unsereReise um eine weitere Stunde und irgendwie will auch das flaue Gefühl im Magen nicht sorecht zur Ferienstimmung passen.Um 20.00 erreichen wir nach 550 km endlich die Hafenstadt Genua. Genua ist eine dreckigeStadt, die zahlreichen Paläste und Villen mit ihren düster verschmierten Fassaden könnten denAbstieg Genuas in den letzten paar hundert Jahren nicht deutlicher dokumentieren. In denGassen lungern zwielichtige Gestalten herum, von dem sonst in Italien üblichen Strassenlebenist rein gar nichts zu sehen. Die Hotels in unserer Preisklasse sind alle voll, so dass wir nachlangem Suchen auch 200 CHF als angemessenen Preis betrachten. Wir sind einfach froh, einbequemes Bett zu haben und die Motorräder vor der ständig besetzten Reception parkieren zudürfen.2. Tag: Sinistra" (09.08.2000)Im Licht des neuen Tages zeigt sich Genua doch von einer etwas freundlicheren Seite. Dieüblen Gestalten sind verschwunden (entweder noch im Bett oder schon auf der Fähre) und somancher Einblick in Eingangshallen und Höfe enthüllt die Pracht der einstmal reichenHandelsstadt. In einem engen Gässchen entdecken wir ein paar typisch italienischeLebensmittelgeschäfte, wo wir uns mit Proviant für die Überfahrt eindecken.Um 08.00 machen wir uns auf den Weg zum Hafen. Nachdem wir die IP-Tankstelle zumdritten mal passiert haben (immer der Beschilderung nach), fragen wir einen Hafenatrbeiternach dem Weg zur tunesischen Fähre. Er erklärt, sagt sinistra (links) und zeigt gleichzeitignach rechts, wir bedanken uns und erkennen erst an der nächsten Kreuzung, dass wir nicht
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links und rechts gleichzeitig fahren können (Physik!). Wir entscheiden uns für links, tauchenein in eine schlecht ausgeleuchtete, nicht beschilderte Katakombe, passieren einenSchlagbaum und stehen plötzlich vor der Carthage, der neuesten Fähre der CTN. Warum manvon uns verlangt, drei Stunden vor dem Auslaufen einzutreffen, können wir nichtnachvollziehen. Die folgenden drei Stunden warten wir direkt vor dem Zaun (die Motorräderzuerst) in der prallen Sonne (also damals haben wir das noch für eine pralle Sonne gehalten).Endlich an Bord, vertäuen wir unsere Mopeds und beziehen die Kabinen. Das Schiff verfügtüber drei Restaurants, einen Laden, einen Pool, einen Nachtclub und Platz für 600 Autos und3000 Personen. Trotz der enormen Grösse erweist sich die Carthage beim Manövrieren imHafen als äusserst wendig. Mit einer Stunde Verspätung verlassen wir 13.05 Genua, Italien,Europa.3. Tag: Cap Bon (10.08.2000)Afrika begrüsst uns mit einem kleinen Staubsturm, Tunesien mit einer nicht enden wollendenBürokratie. Nachdem wir bereits auf dem Schiff in nicht weniger als drei (selbstverständlichauf dem ganzen Schiff verstreuten) Büros von Polizei, Zoll und Fremdenpolizei diversePapiere ausgefüllt haben, müssen wir diese nun im Hafen an zahlreiche, nicht koordinierteBeamte verteilen. Die tunesischen Passagiere haben noch eine pedantische Durchsuchungihrer Fahrzeuge vor sich, während wir unseren Maschinen so gut es geht die Sporen geben,um aus der Stadt zu kommen. Des auf tunesischen Strassen üblichen Verhaltens völligunkundig, brauchen wir volle Konzentration und starke Nerven: blinken und in der dafürvorgesehenen Spur fahren unbekannt, Rotlichter reine Empfehlungen, überhohlt wirdgrundsätzlich links und rechts, manchmal auch dazwischen.Wir beschliessen uns bei den Thermalbädern von Korbous zu verpflegen und anschliessenddas Cap Bon zu umrunden. Endlich will so richtiges Easy Rider Feeling aufkommen. Auf derengen Strasse folgen wir der wilden Nordküste des Caps, geniessen die herrliche Aussichtüber die Felsen auf das Meer. Nach ca. 70 km kürzen wir die Küstenstrecke das Cap inRichtung Menzel Temime überquerend ab, da mein 2-Takter bereits wieder Durst hat. GegenAbend treffen wir in Nabeul ein, wo wir ohne viel zu suchen den Campingplatz direkt amMeer finden. Unser VauDe kontrastiert wunderbar mit den "Nomadenzelten" dereinheimischen Camper, vielleicht auch deshalb, weil es das einzige Zelt ist, das nicht mitmindestens 500 W beschallt ist. Nachdem ich ein bisschen mit den Herren der Schöpfung aufder Veranda geplaudert habe (für Frauen ziemt sich das offensichtlich nicht), versuchen wirauf unserem Benzinkocher eine kleine Malzeit zu zaubern. Da der Hunger bekanntlich derbeste Koch ist, schlafen wir schliesslich satt und zufrieden ein.4. Tag: Nos amis d'Enfida (11.08.2000)Die römische Siedlung Pheradi Maius ist definitif ein Abstecher wert. Erstens führt der Wegdorthin über eine Schotterpiste, zweitens ist die Ausgrabung absolut frei von Touristen unddrittens gibt es für archäologisch Interessierte eine Menge zu sehen. Leider müssen wir andieser Stelle einsehen, dass man in Tunesien wirklich immer Wasser dabeihaben sollte undbrechen durstig auf.Kurz vor Enfida lässt uns das Schicksal bei Klifa einkehren. Er verkauft uns einen Liter Cola,plaudert ein bisschen mit uns und lädt uns kurzum zur Hochzeitsfeier seines Bruders ein. Wirfreuen uns über die Gastfreundschaft und sitzen schon bald (nach Geschlecht getrennt) beimMittagessen der Familie. Während Isabel sich von Naoufel, einer jungen Beduinin, die Händemit Henna verzieren lässt, wird mir langsam klar, dass unsere Anwesenheit nicht nur mitGastfreundschaft zu tun hat. Jeder der Männer lädt mich auf einen Spaziergang ein, um mich
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entweder um ein Geschenk (z.B. meine Uhr oder den Photoapparat) oder einen Arbeitsplatz inder Schweiz zu bitten. Nicht dass ich mich nicht für die Gastfreundschaft revanchierenmöchte, aber irgendwie schenke ich lieber ohne dazu aufgefordert zu werden. Die Krone setztdem Ganzen der Bräutigam auf, der mich in das zukünftige eheliche Schlafzimmer führt, woer mir unumwunden mitteilt, dass jeder Gast dem Brautpaar ein Geldgeschenk zu machenhabe, 10 Dinare (14 CHF) pro Person und ebensoviele für die Motorräder (ob man da nochübersehen kann, dass der Mann als Fremdenführer arbeitet?). Nachdem wir die Adressenausgetauscht haben, verabschieden wir uns trotz heftiger Gegenwehr von Naoufel, Klifa,Boumaigel und dem ganzen Rest der Familie. Wir müssen definitiv noch viel im Umgang mitdieser Kultur lernen!Nach langem hin und her finden wir in Sousse sowohl ein Zimmer als auch eine bewachteGarage für die Mopeds. Leider beginnt sich im Laufe des Abends zu rächen, dass wir beimBesuch in Enfida Wasser aus dem Ziehbrunnen getrunken haben. Wir sind froh, zwei PacketeImmodium dabei zu haben.5. Tag: Staubige Strassen (12.08.2000)Heute besichtigen wir als erstes Sousse. Angefangen beim Blick über die Medina vom Dachunseres Hotels aus, gefolgt von einem Bummel durch die Souks, beeindruckt uns diese alteInnenstadt tief. Leider haben wir auf unseren Mopeds nur begrenzten Platz, so dass wir keineOriginalwasserpfeife made in Taiwan erstehen können. Da wir nicht den selben Fehler wiegestern machen möchten, kaufen wir heute 5 Flaschen Mineralwasser und genügendLebensmittel. Vor uns stehen 300 km staubige Strassen von Sousse via Sfax nach Gabès.Da wir keine Lust haben, noch einmal unser ganzes Gepäck studenlang auf der Suche nacheinem Bett durch irgendwelche Souks zu tragen, beschliessen wir in einem ***Hotelausserhalb Gabès zu logieren. Als wir ankommen ist der Parkplatz gähnend leer. Wir hattenauf Horden von Touristen gehofft, damit Isabel sich mal im Badekleid ans Meer oder in denPool wagen kann. Stattdessen sitzen einige männliche Tunesier um den Pool, von Frauen weitund breit nichts zu sehen. Das Abendessen nehmen wir mit einem italienischen Paar undeinem älteren Franzosen ein. Ansonsten scheint das Hotel unbelegt zu sein. Trotzdemgeniessen wir das eigene Badezimmer, das geräumige, saubere Zimmer mit den riesigenBetten, die Klimaanlage und den herrlichen Blick aufs Meer.6. Tag: Mit etwas Schwung leicht zu passieren" (13.08.2000)Wir haben beschlossen, gegen 11.00 aufzubrechen und die Mittagssonne im Schatten derOase von Chenini vorbeiziehen zu lassen. Schliesslich wollen wir heute nur 120 km nachKsar Ghilane, einer Oase in der Sahara unter die Räder nehmen. Zu diesem Zeitpunkt glaubenwir noch, dass diese 120 km eine Frage von zwei bis drei Stunden sein werden. Als erstesmüssen wir in Matmata, der letzten Stadt vor der Wüste, feststellen, dass die in der Karteeingezeichnete Tankstelle rein fiktiv ist. Ausgerüstet mit zwei vollen Benzinknistern beginntin Matmata das eigentliche Abenteuer.Bis zum Cafe Bir Soltaine haben wir 60 km Piste hinter uns gelassen. Die Nadel meinerMotortemperatur wandert immer wieder von "heiss" über "sehr heiss" nach "zu heiss".Manchmal hilft schnelleres Fahren, manchmal bleibt mir nur noch über den Kühler zupinkeln. Nach Bir Soltaine wird die Piste zunehmends schlechter. In unserem Reiseführersteht, dass die gelegentlichen, "wenige Meter langen" Sandverwehungen auf der Piste vonPkws "mit etwas Schwung leicht zu passieren" seien. Die Sandverwehungen sind allerdingsziemlich häufig und zum Teil bis zu hundert Metern lang. Mit den glatten Strassenreifen von
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Isabels Honda habe ich ordentlich Mühe die Spur zu halten und vorwärtszukommen. Isabelwird indessen von meiner Kawa abgeworfen und verflucht den Tag, an dem ihr 35 CHF fürKnieschoner zu schade waren. Allmählich geht die Sonne unter und ein Ende dieser Etappescheint nicht in Sicht zu sein. Es ist bereits stockdunkel, als wir endlich die Abzweigung vonder Pipelinepiste in Richtung Ksar Ghilane erreichen. Und wie im Reiseführer versprochenbeginnt hier, nach hundert Kilometern Piste, ein 15 km langes Stück asphaltierter Strasse.Die letzten Kilometer durch die Oase fühlen wir uns wie im Paradis: Über unseren Köpfenweht der Wind durch mächtige Dattelpalmen und der Weg ist gesäumt von Büschen allerArt.Wir stellen unser Zelt in einer ruhigen Ecke (hier wimmelt es von Touristen) auf,geniessen eine warme Dusche und eine eiskalte Cola.7. Tag: Ruhetag in Ksar Ghilane (14.08.2000)Der Versuch auszuschlafen ist daran gescheitert, dass sich unser Zelt gegen 07.00 in einenBackofen verwandelt hat. Während wir frühstücken, können wir die seltsamen Züge derTourismusindustrie mitverfolgen. Die mit Turban und Kamera bewaffneten Schweizer undDeutschen werden in vollklimatisierten Geländewagen eingesammelt und zurück auf die InselDjerba transportiert. Sofort verschwinden die romantischen Wasserpfeiffen, die Lagerfeuervor den Nomadenzelten werden ausgemacht und das Personal macht eine Metamorphose vonautentischen Nomaden mit Pluderhosen und Turban zu normalen Tunesiern durch.Ich nutze den freien Tag um die Luftfilter zu reinigen und die Ketten zu spannen. Isabel liegtderzeit wie eine tote Fliege im Schatten und erholt sich von den gestrigen Strapazen. Hinterdem Polizeiposten (warum gibt es hier einen Polizeiposten???) entdecke ich eine völligausgebrannte Suzuki DR. Für irgend einen armen Kerl waren hier jedenfalls die Feriendefinitiv vorbei.Da wir gestern kurz vor der Oase noch einen überdimensionalen Sandhaufen überquerenmussten, mache ich mich zu Fuss auf die Suche nach einem besseren Weg ins Dorf KsarGhilane. Und tatsächlich werde ich fündig: ein wunderbarer Weg über Schotter, der auch vonden einheimischen Bauern rege benutzt wird. Warum man uns über den üblen Haufengeschickt hat verstehe ich erst, als die nächste Ladung Touristen angeliefert wird. MitSchwung steuern die Fahrer ihre Geländewagen mit den kreischenden Touristinnen und denentzückten Touristen über die Düne (Effekt: "Wir waren voll in der Wüste ey, da hat echt keinanderer Weg in die Oase geführt als über die fast tausend Meter hohe Düne. Beinahe wärenwir eingesandet und verdurstet..."). Für den Araber, der uns am Vorabend den Weg gezeigthat, war das halt einfach die für Touristen übliche Route. Nach fast zwei Stunden komme ichzurück. Ich habe wiedereinmal nichts zu trinken mitgenommen und leere jetzt eine Flasche ineinem Zug. In dieser Hitze muss der Europäer echt umdenken.8. Tag: Fischköpfe (15.08.2000)Im Wissen, dass die Banken um 11.00 schliessen (und danach während des islamischen undanschliessend des christlichen Wochenendes geschlossen bleiben), stehen wir um 05.00 aufund verlassen Ksar Ghilane um 05.45. Um wenige Minuten verpassen wir denSonnenaufgang. Wir kommen zügig voran, so zügig, dass wir sogar verpassen, die übelstenVerwehungen auf der Piste zu fotografieren. 20 km vor Matmata steht plötzlich ein Anhalterauf der Strasse. Kaum im zweiten Gang verliehrt er eine Sandale. Er spricht nicht französisch,ich verstehe kein arabisch, so dass wir erst ziemlich spät zum einsamen Schuh zurückkehren.Um 10.00 können wir in Matmata Nouvelle endlich unseren finanziellen Notstand beheben.Vor Gabès machen wir Rast in einer herrlichen Oase. Sie wird in drei Etagen bewirtschaftet:
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Zuoberst spenden Dattelpalmen Schatten, in der Mitte wachsen Granatäpfel, Feigen, Traubenund sogar Pfeffer während direkt auf dem Boden Melonen und Gemüse angebaut wird.Während wir im Schatten dösen, taucht ein kleiner Junge auf, der uns mit Granatäpfeln undTrauben beschenkt. Kurz bevor wir aufbrechen wollen, erscheint sein Vater und bietet unsUnterkunft in seinem Haus an. Anders als unsere Freunde von Enfida lässt er uns ohneEnttäuschung ziehen und wünscht uns eine gute Reise.Heute Nacht soll ein einsamer Platz am Meer unser Lager sein. Unser Reiseführer beschreibtden Strand von Nakta als einen der saubersten Tunesiens, da hier die reichen Tunesier ihreFerien verbrächten. Als wir ankommen verlassen die Familien den Strand und einige Arbeiterbeginnen den Abfall zusammenzukehren. Obwohl in regelmässigen Abständen Abfallfässerstehen, werden sie nicht benutzt. Die Reichen des Landes stellen lieber jemanden ein, der denAbfall einsammelt. Wir stellen unser Zelt auf einem kleinen Hügel auf und graben einigeSteine zur Befestigung der Schnüre ein. Dabei stossen wir auf verwesende, halb abgenagteFische inklusive Beilagen. Da wir nicht hier sind, um über Land und Leute zu urteilen,versuche ich, mich möglichst wenig aufzuregen und grabe den stinkenden Haufen wieder ein.Das Meer ist allerdings herrlich und ich geniesse das kleine Nachtbad in vollen Zügen.9. Tag: Die heilige Stadt des Magreb (16.08.2000)Kairouan wurde im Jahre 671 von Oqba Ibn Nafi - einem Gefährten des ProphetenMohammed - mitten im trockenen Steppenland an der Kreuzung zweier Karawanenwegeerrichtet. Oqba Ibn Nafi soll an dieser Stelle seine Lanze in den Boden gerammt haben,worauf eine Quelle entsprang, die mit Mekka in Verbindung stand. Wir steigen nach dreiNächten im Zelt wieder einmal in einem ***Hotel ab, welches vor allem duch modernsteTechnik (z.B. in Nachttischchen eingebaute Radios) glänzt. Als wir uns auf den Weg in dieMedina machen wollen, stellen wir fest, dass Isabels CM ordentlich Öl verliert. Die Ölwanneist eingeschlagen und aus einem kleinen Loch tropft Öl. Diemal fluche ich, dass mir 10 CHFfür Flüssigmetall zu schade waren. Die Besichtigung der Medina entpuppt sich zu einemwahren Genuss. Wir können jedermann empfehlen, arabische Städte während derGebetszeiten zu besichtigen: all die aufdringlichen Ramsch-Verkäufer sind beim Gebet undman kann mal stehen bleiben und in den Reiseführer schauen, ohne dass sich ein dutzendselbsternannte Führer um eine Führung prügeln. Die Medina ist umringt von einer komplettintakten Stadtmauer und wird von der Kuppel der grossen Moschee regelrecht gekröhnt. Diegrosse Moschee selbst stellt jede Kirche in den Schatten, die ich in meinem bisherigen Lebengesehen habe (und meine Eltern haben mich früher in tausende davon geschleppt).Wir verpflegen uns schliesslich in einem kleinen Restaurant ausserhalb der Medina. Der Wirtist ein aufgeschlossener Tunesier, der jeden ausländischen Gast um einen Eintrag in seinGästebuch bittet (er hat mittlerweilen drei davon) und zauberhafte Gerichte aus seiner Küchebringt. Er organisiert sogar eine Toilette für uns, da bei seiner eigenen das Licht defekt ist...Auf dem Heimweg muss ich (als alter Pfadfinder) trotz dreimaligem Erfragen des Weges vordem Stadtplan kapitulieren und ein Taxi rufen.10. Tag: Vom Römischen bis zum Deutschen Reich (17.08.2000)Die Ölpfütze unter Isabels CM hat sich über Nacht nur unwesentlich vergrössert. Ich schätze,dass die Maschine pro Tag ungefähr 0.2 Liter Öl verliert. Deshalb beschliessen wir, auf eineReparatur in Tunesien zu verzichten, und stattdessen immer mal wieder ein bisschen Ölnachzugiessen.Thuburbo Maius ist nach Dougga die grösste, freigelegte Römersiedlung in Tunesien. Leider
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ist die Ausgrabung ziemlich ausgeschlachtet. Die meisten Mosaiken und sämtliche Statuenwurden entfernt und zum Teil im Bardo-Museum ausgestellt. Trotzdem gibt es für deninteressierten Touristen genügend zu sehen, allem voran die gewaltige Zisternenanlage, dieeinst die ganze Stadt mit Wasser versorgt haben soll. Die zahlreichen Touristen, die währendunseres Besuchs durch die Anlage getrieben werden, bekommen davon allerdings nichtallzuviel mit: Raus aus dem klimatisierten Bus, Kapitol, Forum, Videokamera, Merkurtempel,Sommertherme, Filmwechsel, Wintertherme, Amphitheater hamma in Rom schon gesehen,Trinkgeld, zurück in den Bus, 15 Minuten, neuer Rekord. Die folgenden Kilometer nachTunis führen uns entlang eines imposanten Aequadukts. Dieser wurde einst vom römischenKaiser Hadrian errichtet, um Carthago mit Süsswasser zu versorgen. Bei den immerwiederkehrenden Kriegen wurde er wiederholt beschädigt und anschliessend wieder repariert.Die letzte Auseinandersetzung um Tunesien - der zweite Weltkrieg - bedeutete dann auch dasdefinitive Ende für die fast 90km lange Wasserleitung.Das Hotel du Lac in Tunis erfüllt unsere Erwartungen nicht ganz, sprich in Europa würde hierdie Gesundheitspolizei einschreiten: Im Badezimmer tummelt sich allerlei Getier, derDuschvorhang ist von oben bis unten verschimmelt und von der Bettwäsche kann ich nichtguten Gewissens behaupten, dass sie gewaschen wurde. Dafür kann mit dem Fernseher VIVAempfangen werden und wir freuen uns, nach all der Zeit europäische Musik hören zu können.11. Tag: Tunis (18.08.2000)Nach einer schweisstreibenden Fahrt in der brutal überhitzten Strassenbahn von Tunis (vormeinem geistigen Auge sehe ich Isabel mehrfach zusammenbrechen und dahinschmelzen)erreichen wir endlich das Bardomuseum. Hier werden die Zeugnisse der tunesischenVergangenheit aufbewahrt, von den Phöniziern über die Römer, Vandalen, Byzantiner undAraber bis hin zu den Türken. Das Gebäude selbst entstand im 19. Jh. und diente demdamaligen Bey Mohammed II als Privatresidenz. An Prunk und Überschwang sind dieseRäumlichkeiten nur schwer zu übertreffen: Malereien und Stukaturen schmücken Decken undWände, Mosaiken die Böden und die Stockwerke werden durch Marmortreppen verbunden.Bei aller Pracht stört lediglich der Gedanke, dass der Bey sich diese bescheidene Hütte ineiner Zeit errichten liess, als seine Untertanen kaum genug zu beissen hatten.Zurück in unserem Zimmer werfen wir zum ersten Mal einen bewussten Blick aus demFenster. Was sich unserem Auge bietet ist ein gewaltiger Kontrast zum eben besuchtenBardomuseum: Dreckige Häuser, auf deren Dächer slumartige Hütten stehen, Abfallberge, dienicht weggeräumt werden und Baustellen, die sich wahrscheinlich seit mehreren Jahren nichtverändert haben. Die Vorstadt von Tunis ist wahrhaftig kein zweiter Besuch wert.12. Tag: Auf Wiedersehen Afrika (19.08.2000)In Erwartung der üblichen tunesischen Bürokratie stehen wir am Fährterminal von LaGoulette. Beim Warten vor einer der zahlreichen Kontrollen kommen wir mit einemitalienischen Africa Twin Fahrer ins Gespräch. Kurz vor Gabès hat er uns mal überholt:Italienisch lässig in T-Shirt und kurzer Hose. Eine lange, hässliche Schürfung an seinemlinken Unterarm lässt darauf schliessen, dass auch er diese Lektion nun gelernt hat. SeineFreundin hatte allerdings weniger Glück: Sie musste sofort nach Italien ausgeflogen werden.Vom Oberdeck her beobachten wir das Durcheinander des Verladens. Unter den Passagierensind viele tunesische Gastarbeiter, die ihren gesamten Hausrat mit nach Europa zu nehmenscheinen. Viele Autos sind mit Lebensmitteln, Gebrauchsgegenständen und Möbelnregelrecht überladen. Beim Blick über die Hafenanlagen entgehen meinem interessierten
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Ingenieursblick natürlich nicht die elegant geschwungenen, selbsttragenden Dächer derumliegenden Lagergebäude.Wir verlassen Afrika schliesslich bei grösster Hitze. Leider haben wir das Schiff betreffendweniger Glück als bei der Hinfahrt: Der Habib ist das Alter rundum anzusehen. Alles istziemlich schmuddelig, aber nach zwei Übernachtungen im Hotel du Lac in Tunis schreckt unsdiesbezüglich kaum mehr etwas.13. Tag: Meteorologie ist nichts für Anfänger (20.08.2000)Gegen 17 Uhr legt die Habib in Genua an und wir beladen unsere Motorräder. In einembesonders günstigen Augenblick lasse ich den Schlüssel fallen - prompt in einen bodenlosenGulli! Und in solchen Fällen ist der Ersatzschlüssel immer irgendwo - nur nicht da, wo manihn sucht (Isabel hätte gar keinen dabei gehabt).Wir verlassen die Fähre und fahren zum Unmut der in der Kolonne stehenden Autofahrer vorzur Grenzkontrolle. Ohne irgendwelche Fragen oder Kontrollen werden wir durchgewunken.Wir geben Gas, um Genua so schnell wie möglich hinter uns zu lassen. In Novara rufen wirkurz zuhause an, um unsere Ankunft in Europa mitzuteilen. Mein Vater warnt uns vor einemgewaltigen Gewitter, das laut Wetterbericht auf dem Weg in die Südschweiz ist und empfiehltuns, noch in Italien zu campieren. Da ich natürlich mehr vom Wetter verstehe als dieMeteorologen vom Schweizer Fernsehen überqueren wir gegen 22 Uhr am Lago Maggioredie Grenze, wo es dann prompt zu regnen beginnt. Wir wollen noch Bellinzona hinter unslassen und dann irgendwo in der Leventina das Zelt aufschlagen. Nach Bellinzona kommt 20km lang keine Autobahnausfahrt und ausgerechnet hier beginnt es so richtig zu regnen, nichtzu regnen, zu giessen, zu schütten. Als wir bei Biasca endlich (mit den langsamen Mopedsnach über 10 Minuten) die Autobahn verlassen, sind wir tropfnass. Da das natürlich nochnicht übel genug ist, beschliesst mein Zweitakter ausgerechnet hier den Geist aufzugeben.In Biasca gelingt es Isabel um 23 Uhr das Mitleid eines Hoteliers zu erregen und kanntatsächlich ein Zimmer für zwei triefende Motorradfahrer organisieren. Im Badezimmerkochen wir auf dem Benzinkocher Würstchen und fallen anschliessend todmüde ins Bett.14. Tag: Es ist kalt in der Schweiz (20.08.2000)Gegen sieben Uhr erweckt uns der gnadenlose Wecker von den Toten. Wir geniessen dasreichhaltige, europäische Frühstück und machen uns zeitig auf den Weg nach Norden. MeinZweitakter hat ein Einsehen mit meiner Situation und läuft auf den ersten Kick.Jenseits des Gotthards empfängt uns eine bittere Kälte.Wir machen erstmal Pause, um diedicksten Kleider anzuziehen, die wir dabeihaben. An einer kleinen Tankstelle kurz nachAmsteg begrüsst uns eine offensichtlich kälteunempfindliche Tankwärtin in T-Shirt undkurzer Hose. Sie scheint allerdings über unsere Winterausrüstung ebenso erstaunt zu sein, wiewir über ihren Hawailook. Ein paar Mädchen in leichten Sommerröcken vor dem Telldenkmalin Altdorf räumen dann die letzten Zweifel beiseite, dass wir uns erst wieder an die Schweizgewöhnen müssen.
http://www.jenniweb.ch/reisen/tunesien/tunesien00/downloads/Bericht.pdf.