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Freitag, 26. März 1999
Auf nach Hammamet

Urlaub mit drei Kids (Marcel, 22, Oliver, 16 und Svenja, 13), eine Woche lang in den Osterferien. Freitags geht es los, und wir beraten vorher: Wann fahren wir los? Schließlich ist schon auf der Rheinbrücke eine Baustelle und jeden Morgen Stau...

Pünktlich um halbacht sind wir on the road. Es klappt alles wie am Schnürchen. Die drei Kids stehen geschniegelt und gestriegelt da, die Hausfrau hat nach dem Bügeleisen geguckt, schnell noch Kloreiniger in die Klos geschüttelt unter den üblichen männlichen Kommentaren: "schließlich wollen die Einbrecher ja eine saubere Wohnung vorfinden". Die fünf Koffer passen mit Müh und Not in den Kofferraum und die Rheinbrücke ist leer wie nie. Sogar die Strecke Pforzheim – Stuttgart ist einigermaßen frei. Also sind wir vieeeeel zu früh dran.

Bis wir aber endlich einen Parkplatz gefunden haben im knallvollen Parkhaus und uns am Flughafenschalter einfinden, vergeht die Zeit doch. Einchecken, rumhängen, Brötchen kaufen – Urlaub fahren macht doch so hungrig. Paßkontrolle – Abflugraum. Dann kommt die Ansage. "aus technischen Gründen eine Stunde Verspätung". Auf diesen Schreck gönnen wir uns erst mal nen Kaffee.

Svenja kramt ihren CD-Player raus. Ein junger Mann am Nebentisch beugt sich rüber: "Willst du den mitnehmen zum Flug?" Svenja weiß, dass sie ihn ausschalten muß. Aber wo ist der Knopf?

Mit einer Stunde Verspätung geht’s los. Oli, Svenja, Marcel sitzen in einer Reihe. Svenja kreideweiß, verkrampft, sich gegenseitig mit Oli anheizend in ihrer Flugangst. Marcel daneben: "Ich will weg hier, das ist ja furchtbar, wie die zwei in Panik machen. Steckt ja richtig an."

Es wird ein ruhiger Flug. Kurz vor der Ankunft schockt uns der Capt’n: "17° in Monastir". Oh. Lange Gesichter. Nicht wärmer? Na wenigstens regnet‘s nicht.

Chaos in der Flughalle. Die üblichen Einreise-Zettelchen ausfüllen. Wir haben französische erwischt. Später stellen wir fest, die vor uns haben deutsche. Aber wir dürfen dann doch durch, während die ersten Touristen, wir wir später bei einem Abendessen erfahren, wieder zurückgewiesen wurden und sich mit deutschen Zetteln nochmal von hinten anstellen mußten.

Eine sehr müde aussehende Frau in der Schlange vor uns erzählt: "Unser Flugzeug hat fast sieben Stunden Verspätung gehabt." Na, da können wir uns über ein Stündchen wahrhaft nicht beklagen.

Erfreulicherweise sind wir in wenigen Minuten im Besitz unserer Koffer, und begeben uns auf die Suche nach dem richtigen Bus. Svenja schließt gleich Bekanntschaft mit Christin, einer 10-jährigen Ludwigshafenerin, die beiden hängen in den Folgetagen zusammen wie Pech und Schwefel.

Zwei Stunden Busfahrt, wir müssen eine Menge Hotels abklappern, unser Club ist anscheinend etwas weiter draußen. Manche Hotels sind schön, manche eher abschreckend mit Riesenbaustellen davor. Endlich taucht er auf – der Club Manar Magic Life. Sieht schön aus. Macht einen guten Eindruck.

In der großen Empfangshalle ist ganz schön was los. Mittlerweile ist es fast sechs, Menschen mit kurzen Hosen und Halbarm-T-Shirts laufen umher. Ziemlich übertrieben bei den Temperaturen, finden wir. Wir schmiegen uns eng in unsere Pullöverchen... Ein Begrüßungsdrink wird gebracht, die Zimmerschlüssel in die Hand gedrückt, die Zimmer verteilt - wer muß das Einzelzimmer nehmen?

Die Zimmer sind im 3. Stock, etwas abseits von der großen Halle. Muß man zwar ein bißchen laufen, dafür ist es dort ruhig. Die Zimmer rund um die Hotelhalle kriegen nämlich nachts einen guten Lärmpegel ab...

Unser Blick ist traumhaft, auf eine weitläufige Anlage voller Grün, ein großer Swimmingpool mt Palmen, im Hintergrund das Meer. All inklusive. Die Zimmer sind okay, Bad und Toilette gut in Schuß. Die Kids haben das größte Zimmer, dafür keinen Meerblick. So gleicht sich doch alles aus...

Panoramablick von unserem Balkon auf die Hotelanlage

Kurz auspacken, frischmachen, Außenanlagen begutachten und gleich mal den Strand erkunden. Wir machen einen kurzen Strandspaziergang im frischen Wind im kilometerlangen Sandstrand, stürmische Wellen begrüßen uns, fast wie am Atlantik.

Schon ist es Zeit zum Abendessen. Wir müssen uns doch erst mal orientieren. Ein großes Büfett empfängt uns innen aufgebaut, draußen ist es zum Sitzen zu kalt. Aber gegrillt wird draußen, frischer leckerer Fisch und kurzgedünstetes Gemüse. Zu fünft einen Platz finden ist gar nicht so einfach. Wir lassen es uns schmecken. Alle sind rundrum zufrieden mit dem ersten Eindruck.

Nach dem Essen ist die Empfangshalle knallvoll. Männerüberschuß herrscht, da scheint ein Tennisclub oder sowas unterwegs zu sein. Um neun erscheinen plötzlich ein paar laut rufende, bunt gekleidete Gestalten in der Eingangstür: "Showtime, Showtime".

Showtime ist drüben im anderen Gebäude. Es regnet. Igitt. Ein paar Plätze sind noch frei, wir lassen uns nieder und warten auf die Show. Sketche werden geboten. Naja, ganz nett, nichts Weltbewegendes.

Die Kids erkunden anschließend die Disco. Da ist noch nichts los. Wir gehen so langsam ins Bett. Die Kinder noch nicht. Denn auch das hat sich geändert. Früher schickten wir die Kids ins Bett. Heute sind sie länger auf als wir.

Samstag, 27. März 1999
Orientierungstag im Hotel

Frühstück draußen? Oder lieber im Warmen? Wir entscheiden uns für drinnen, obwohl draußen schon tapfer mehrere kurzbehoste Touristen harren. Das Büfett lockt. Natürlich nicht ganz so reichhaltig wie im Robinson-Club, dafür ist das Ganze ja doch auch ein paar Nummern preiswerter. Großer Andrang herrscht am Tisch mit der Orangenpresse. Jeder kann sich seinen O-Saft selber pressen. Pro Glas braucht man so ungefähr vier bis sechs Orangen. Es dauert also, bis die Schlange kürzer wird.

Aktivitäten gibt’s natürlich auch. Ein Schild verrät uns, was wann stattfindet. Vom Tennis bis zum Golfen, vom Reiten bis zum Tretboot, Sprachkurs, Kreativkurs, vom Schwimmen bis zur Massage – tatsächlich all inklusive. Schnell umziehen, dann langts noch für Aerobic. Das findet draußen statt unter einem Strohdach, mit Blick auf ein wunderschönes Palmen-Meer-Panorama. Strahlendblaue Sonne scheint gutgelaunt auf uns, der kühle Wind ist vergessen nach wenigen Minuten. Ist direkt ein Stück Glück, diese Bewegung unter freiem Himmel. Naja, ganz so graziös wie die Vorturnerin machen wir das alle nicht. Aber zum Glück gibt’s keinen Spiegel hier.

Gleich danach folgt Step Aerobic. Von wegen kühl. Wir schwitzen allesamt und absolvieren unsere Schritte mit knallroten Gesichtern. Der Gatte liest derweil gemütlich am Rande der Veranstaltung und aalt sich in der Sonne. Ich brauche am Sportende dringend was zu trinken. An der Bar kriege ich meinen frischgepreßten Orangensaft, ganz ohne anzustehen.

Eine mitgenommene Dame neben mir erzählt von durchsoffener Nacht mit dem Tennisclub. Sieht zwar aus wie eine Dame, redet aber gar nicht so. Sie ist zwar verheiratet, aber der Mann ist zu Hause, und sie schwebt hier "von Blüte zu Blüte. Wär ganz schön hart". Und entschwebt gleich wieder Richtung Männertisch, der auch mich unverhohlen-abschätzend mustert, obwohl ich mit dem rechtmäßig angetrauten Gatten eng umschlungen meinen O-Saft schlürfe.

Draußen auf der Terrasse entwerfen wir die Tagesplanung. Dort in der prallen Sonne ist es dann wieder zu heiß in der langen Hose. Also umziehen, Kinder suchen. Wir haben uns um 12 verabredet. Ist aber irgendwie lästig, sowohl für die Kids als auch für uns. In der Folgezeit regelt sich das von allein, man läuft sich des öfteren über den Weg oder trifft sich bei ausgedehnten Mahlzeiten. Macht unheimlich Spaß mit den dreien. Es gibt Tischwein, die Sonne scheint. Das Leben ist einfach schön. Fehlt bloß noch eine gediegene Siesta, zu zweit. Aber die können wir uns ja leisten.

Von wegen können wir das. Der Doppelpack Svenja und Christin versperrt uns den Rückzug in unser Privatgemach. Der Schlüssel aus dem Doppelzimmer ist weg. An der Rezeption verlorengegangen. Es bedarf längerer Nachfrage, den Schlüssel wieder aus der Versenkung zu zaubern. Die Stimmung für die Siesta ist dann verflogen. Es ist schon das zweite Schlüsselunglück. Gleich am ersten Tag hatte Marcel aus Versehen den Haustürschlüssel eingesteckt. Doch damit ließ sich die Hoteltür nicht öffnen.

Marcel hat auch schon festgestellt, dass er die falschen Klamotten eingepackt hat. Ihm fehlen kurze Hosen und Sportschuhe. Doch Oli, der "Kleine", kann ihn ausstaffieren und so vergnügen sich die beiden nachmittags am Meer. Sie wollen kanufahren. Klappt aber nicht. Die Wellen sind zu hoch, sie kommen nicht drüber. Dafür kriegt Marcel eine geballte Ladung kaltes Meer ab. Eiskaltes Meer, er ganz drin, und das Kanu über ihm... Danach vergnügen sich die beiden lieber am Strand bei Volleyballspielen und kleine-Mädchen-ärgern.

Um vier haben wir einen weiteren familiy-Treffpunkt vereinbart. Ganz schön was los in der Halle. Viele kurzbehoste, bewaffnet mit Tennisschlägern, oder Golfwägelchen hinter sich herziehend.

Wir gucken mal nach der Tischtennisplatte. Die ist einem anderen Haus, und belegt. Gegenüber ein Billardtisch. Marcel erklärt die Regeln, Papi zieht Oli ab nach Strich und Faden. Zwischenzeitlich haben Marcel und ich die Tischtennisplatte erobert. Marcel hatte bisher noch nicht viel Gelegenheit zum Tischtennisspielen, lernt aber sehr schnell. Neben uns postieren sich zwei Knirpse, die uns nicht aus den Augen lassen. Wir geben bald auf unter den fordernden Augen. Marcel spielt zu dritt mit ihnen. Gibt bald eine wilde Jagd, weil er sich beschummelt fühlt von den Knirpsen. Ich schau mir inzwischen an, welch klägliche Figur Oli beim Billard abgibt. Ich geb bald dieselbe ab, denn das liegt uns beiden wohl überhaupt nicht. Aber das Abendessen haben wir uns doch redlich verdient.

Es gibt vier Lokale, stellen wir fest, in denen man essen kann. Ultra all inklusive. Man muß sich bloß einen Tag vorher anmelden. Also gehen wir heute wieder ans Büfett, im Schlepptau Christin.

Hinterher ein Drink. Dann zur Show. Ist schon fast Routine. Future-Show steht heute auf dem Programm. Wirkt relativ einschläfernd. Die Kostüme sind zwar toll gemacht, aber die Tanzschritte immer die gleichen. Und es ist irgendwie so dunkel, und irgendwie so eine einschläfernde Atmosphäre. Diethard ist heute abend völlig kaputt, will nur noch ins Bett. Sonst bin ich eher diejenige, die schlappmacht. In der Hotelhalle tost das Leben, in der Ecke spielt ein Alleinunterhalter. Marcel will tanzen lernen. Im Gegensatz zu seinem störrischen Vater läßt er sich von mir widerstandslos führen.

Doch es hilft nix. Diethard hängt kraftlos im Sessel. Die Kraft reicht noch nicht mal mehr fürs Absackerbier. Ich bin wach. Aber natürlich gehe ich brav mit dem Gatten mit. Kaum im Zimmer wird der wieder wach und schaltet den Fernseher ein. Ingo Lück verfolgt mich in den Schlaf. Nachts schütteln mich schreckliche Träume...


Sonntag, 28. März 1999
Einkaufstour nach Hammamet


Gleißender Sonnenschein treibt uns fast die Tränen in die Augen beim morgendlichen Blick ins traumhafte Panorama. Aber die haben vergessen, die Heizung einzuschalten. Deshalb frühstücken wir lieber drinnen. Erstaunlicherweise finden sich auch die Kids bald ein.
Danach schlendern wir durch die Halle, vorbei an den angebotenen Ausflügen. Kamelreiten? Mmm, ohne mich. Hab ich vor 26 Jahren mal gemacht, reicht. Aber die Kids und Diethard fassen es mal ins Auge. Ein Tagesausflug nach Tunis, Sidi Bou Said und Karthago hingegen gefällt uns allen. Zwar ist unser Urlaubsziel eindeutig das Relaxen, Faulenzen und Gepflegt werden, aber ein bißchen von der Umgebung wollen wir natürlich mitbekommen und buchen gleich.

Ein dunkelhäutiger freundlich-lächelnder Mensch spricht uns an: "Woher kommt Ihr? Seid Ihr schon länger da? Gefällt es Euch?" Höflich geben wir Antwort, wie man uns das so beigebracht hat und freuen uns an der Anteilnahme bis zum nächsten Satz, mit dem er uns in die Boutique reinlocken will. Tja, da läßt sich die Motivation für die Freundlichkeit glasklar erkennen...

Da hängt doch genau so eine Lederjacke, wie sie mir seit zehn Jahren schon gefällt. Aber in Größe 46. Sie schlabbert erwartungsgemäß um mich rum. Der Anreißer zupft: "Paßt, wunderbar." Der Meinung sind wir nicht. Der Gatte zeigt auf eine braune kürzere Lederjacke. Die soll ich anziehen. Mach ich auch, ist aber doch ein gaaanz anderer Stil, als ich sonst trage. Ne, steht mir nicht, finde ich, auch wenn Gatte anderer Meinung ist.

Nun, die Verkäuferin, Haner, zu der ich bald ein vertrautes Verhältnis bekomme, macht mir klar: "Ich noch eine Fabrik. Du gucken, ganz umsonst. Wir Euch hinfahren. Sogar Stadtrundfahrt machen, kost nix"

Nun ja, unser Mißtrauen ist tief. Und natürlich versichere ich gleich deutlich, dass ich dann bloß gucken will und nicht unbedingt was kaufen. "Kein Problem." Also verabreden wir uns um halbdrei.

Die Aerobic-Schritte sind mir heute viel vertrauter als gestern und ich hoppel nicht dauernd hinterher. Der Drink an der Bar entpuppt sich zum schnell liebgewordenen Ritual. Leider gibt es heute keinen frischgepreßten O-Saft. Aber ein Cocktail ist ja auch nicht schlecht.

Danach ein Strandspaziergang. Svenja ist unterwegs mit Christin. Marcel hängt ausgepowert in der Hotelhalle herum nach stundenlangem Volleyballspiel. Er übt übrigens eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf kleine Mädchen aus, stellen wir fest. Im Schlepptau hat er Svenja, Christin und Kira. Ein kleiner frecher Steppke, eigentlich süß, aber eine fürchterlich nervige Klette.

Schon wieder Zeit zum Mittagessen. Mein Gott, wie die Zeit vergeht. Ich schleppe zwar mein kleines Spick-Trennkostheftchen und ganz viele gute Vorsätze mit herum, aber die Trennkost läßt sich doch hier nicht so ganz einfach durchführen. Der verlockende Nachtisch paßt wohl in keine erlaubte Kategorie. Von Mousse au chocolat steht nix drin.

Christin scheint ein kleines Teufelchen zu sein, wenn Mama ausser Sichtweite ist. Nun, wer weiß, was unser Töchterchen treibt, wenn es sich unbeobachtet wähnt.

Pünktlich um halbdrei finden wir uns an. Lederjacken gucken. Draußen steht auch schon ein kleiner Bus, davor sprungbereit eine einzelne Dame. Sie atmet bei unserem Anblick sichtlich auf: "Gottseidank, ich hab schon gedacht, die wollen mit mir allein dahinfahren. Ich wollte mich ja schon verdrücken, aber die haben mich nicht gelassen."

Es stellt sich heraus, dass es eine DOB-Fachkraft ist, Abteilungsleiterin bei Karstadt irgendwo im Hohen Norden. Na wunderbar. Kann die Dame doch beim Preis-Leistungs-Verhältnis mitreden.

Die Lederwarenfabrik ist nicht weit und stellt sich heraus als Kombination zwischen Leder- und Teppichfabrik. Wir werden in den Keller geführt, wo eine junge Knüpffrau ihr einsames anstrengendes Knüpfdasein fristet. Ich muß natürlich auch gleich einen Knoten machen und stelle mich programmgemäß touristenungschickt an dabei.

Bis wir uns versehen, hocken wir schon auf dem Bänkchen im Vorführraum. Ringsrum an der Wand stapeln sich die Teppichrollen. Einer nach dem anderen wird vor uns im eleganten Bogen ausgerollt. "Wollen Sie Pfefferminztee?" "Wir wollen aber nicht kaufen", wenden wir zaghaft ein. "Das dürfen Sie nicht ablehnen, das gehört zu unserer Gastfreundschaft", erklärt uns der freundliche Herr und gibt den Auftrag, uns mit "Gastfreundschaft" zu versorgen. "Peinlich, peinlich", zischt die DOB-Dame daneben immer. "Ich hasse das, dieses Aufdrängen von Tee. Ist immer so verpflichtend." Wir beschwichtigen sie: "Das gehört halt einfach dazu in diesen Ländern. Ist in der Türkei ja genauso. Wäre eine Beleidigung, das abzulehnen."

Es dauert arg lang, bis der Tee kommt. Inzwischen haben wir klar geäußert: "Wir wollen keinen Teppich. Unsere Wohnung ist komplett ausgestattet. Außerdem paßt diese Art von Teppichen nicht zu unserer Einrichtung."

Der Tee wird uns daraufhin tatsächlich nicht ausgehändigt. So weit her ist das also mit der Gastfreundschaft. Übrigens, das haben wir in der Türkei nie erlebt und wir weisen später in der Hotel-Boutique sehr deutlich auf diese seltsame Gastfreundschaft hin.

Also werden wir wieder in den vorderen Teil geführt, Lederjacken gucken. Da ist eine häßlicher als die andere, altmodisch, hart. Schnell wissen wir, dass wir da nichts finden. Was ist mit unserer kostenlosen fest versprochenen Stadtrundfahrt?

Das dauert. Mehrere Nichtskäufer stehen auf der Treppe rum im kalten Tunesien. Ich bin kuschele mich heilfroh in mein windabweisendes Regenjäckchen. Die arme DOB-Dame friert gottserbärmlich in ihren Halbärmelchen.

Doch der Bus kommt noch irgendwann und kutschiert uns Richtung Altstadt. Ein Österreicher hinten auf der Sitzbank beschwert sich lauthals: "Nicht schon wieder dahin, da waren wir schon. Fahr gefälligst woanders hin."

Also, wir waren da noch nicht. Der Busfahrer reagiert nicht auf das lautstarke Gemotze und bringt uns an den Eingang der Altstadt. Dort gibt’s heftige Verhandlungen mit dem Führer, dem Busfahrer und dem Österreicher-Paar, die damit enden, dass die beiden extra gefahren werden und ein kleines Häufchen ratloser Menschen etwas unschlüssig am Hafen zurückbleibt vor der Altstadt. Gegenüber ein Friedhof, den wir uns näher betrachten. In einer Viertelstunde soll ein Führer kommen, haben wir mitgekriegt. Die DOB-Dame bruttelt ohne Pause: "Habs doch gleich gesagt, die mit ihrer kostenlosen Rundfahrt. Wer weiß, wie lang wir hier warten müssen, ob die uns überhaupt abholen. Wir sollten ein Taxi nehmen und zurückfahren." Diethard und ich grinsen uns eins, ist doch immer schön, diese kleinen "Menschel-Szenen" am Rande zu verfolgen.

Währenddessen beobachten wir die Frauen, die ein Hammelfell auswaschen. Mit den nackten Füßen stehen sie im eiskalten Wasser, während sie schrubben. Eine setzt sich dann in den Sand und fängt mit einem normalen Messer an, mühevoll irgendwas an diesem Fell abzuschneiden. Ich versuche mich gedanklich in ein solches Leben zu versetzen, das gelingt mir natürlich nicht, aber ich bin wieder einmal mehr sehr dankbar für die Umstände, in denen ich leben darf.

Der Führer kommt, dahinter ein Rattenschwanz Touristen. Er trabt gleich wieder los mit uns Richtung Altstadt, und verfrachtet uns ins Hochzeitsmuseum. Sieben Tage soll eine tunesische Hochzeit dauern. Die traditionellen Gewänder sind ausgestellt. Sehen äußerst unpraktisch und sehr zeitaufwendig aus. Ob das heute noch alles so ist?

Unvorstellbar für unsereinen. Unvorstellbar aber auch, so zu wohnen und zu leben. Vom Museum aus haben wir einen Blick über die Medina. Wäsche flattert im Wind. Auf den Flachdächern teilweise Baumaterial, ein wenig Abfall liegt herum, ein paar zusammengerollte Teppiche. Wir klettern die steilen Stiegen wieder runter, setzen unseren Rundgang fort in aller Ruhe, denn am Wochenende ist Hammelfest und die Läden sind geschlossen. Einen Blick werfen wir noch in das große maurische Cafe innerhalb der Alt-Stadt. Ein paar Männer sitzen dort gelangweilt auf den Bänken, trinken Tee, einer raucht Wasserpfeife. Wir stiefeln zurück zum Bus. Oh, ist das schön im Warmen. Zurück geht’s in die heimische Hotelhalle. Die DOB-Dame hat versprochen, die Lederjacke aus der Boutique fachlich-kritisch zu begutachten.

Haner freut sich schon bei unserem Anblick und winkt mir zu, während sie bedient. Der Geschäftsführer ist auch wieder da, er wirkt sehr jung und ziemlich arrogant, fischt "meine" Lederjacke wieder raus, dann die kurze von gestern, die Diethard so gefiel.

Die DOB-Dame ist entsetzt über meinen Geschmack. "Also, der Schnitt steht Ihnen gar nicht. Ist richtig altmodisch. So was hat man vor 10 Jahren getragen. Sie sind doch schlank und müssen sich nicht in so einem Sack verstecken." Also probier ich die braune kurze an, Diethards Favorit. Eigentlich gefällt sie mir inzwischen auch recht gut. Scheint ein Stück zum Wohlfühlen zu sein. Sollte ich mal mutigerweise was anderes kaufen als sonst?

Also handeln. Gestern sollte diese Jacke 280 Dollar kosten. Zum Schluß nach den üblichen Feilsch-Spielchen kriege ich sie dann für 220 Dollar, obwohl normalerweise Handeln im Hotel nicht üblich ist. Eine schöne Jacke für ca. 350 DM aus ausgesprochen weichem Leder. Haner grinst, während sie das Spielchen mitverfolgt.

Nach all den Strapazen haben wir uns den Kaffee verdient an der Hotelbar. Ich will mich meinem mitgebrachten Rhetorikkurs widmen, Diethard geht Tischtennis spielen mit den Kids.

Abendessen gibt's heute im tunesischen Spezialitätenrestaurant, alles inklusive natürlich. Auch Christin ist mit dabei. Ich komme nach und renne durch den Regen, es plätschert nämlich ganz gewaltig vom Himmel runter. Noch mitten rein in eine große Pfütze, pfuiteufel. Im Lokal eine angenehme Atmosphäre, gedämpftes Licht, Bütett in der Mitte, alles schön dekoriert. Hier wird serviert, die Vorspeisen gibt’s am Büfett. Wir kriegen die Karte, studieren sie interessiert, aber natürlich weiß keiner, was sich hinter den klangvollen Namen verbirgt. Oli kann sich überhaupt nicht entscheiden, der Ober macht das für ihn: "Das schmeckt sehr gut, ist Fleisch mit Spinat überbacken, das nimmst du." Oli nickt mit eingezogenen Schultern ohne Widerrede, ich grinse über das ganze Gesicht. Was würde das für einen Wirbel geben, wenn ich ihm zuhause Spinat servieren würde?

Klar, dass ich ihn damit auch aufziehe. Aber Oli hat ein Argument parat: "Wenn's mir hier nicht schmeckt, lasse ich das einfach stehen und hole mir am Büfett was Gescheites." Wo er recht hat, hat er recht. Zwischenzeitlich fließt die Cola wie im Schlaraffendland. Die aufmerksamen Kellner schenken sofort nach.

Die beiden Mädchen sind ganz, ganz artig, Marcel vermag kaum zu glauben, wie absolut mustergültig sie sich benehmen, sobald wir dabeisitzen. Die reinsten Engelchen. Lange halten sie das natürlich nicht aus und so verschwinden alle vier gleich nach dem Dessert.

Danach ist Spieleabend angesagt im Foyer, mit den Gästen. Wir setzen uns in die Halle. Was sollten wir sonst auch tun?

Freudestrahlend stürzen die Kids auf uns zu. Aha. Was ist los? So viel freudige Beachtung? Natürlich klärt sich gleich, warum. Papas Wissen wird gewünscht. Die Fragen hageln nur so. Mindestens 15 Gruppen raten mit. Die Antworten müssen innerhalb 20 Sekunden abgegeben werden. Und so rasen sternförmig aus allen Ecken große und kleine Kids mit ihren Antworten zum Moderationstisch. Svenja und Christin machen das abwechselnd und hüpfen dabei gnadenlos über alles weg, was ihnen im Wege sitzt. Spannung beim Vorlesen, lauter Jubel nach jeder richtigen Antwort, angeheizt von den Animateuren, lange Gesichter nach falschen Antworten.

Wir liegen gut. Aber der Tennisclub, die große Mannschaft aus lauter gestandenen Männern, liegt noch besser. That's life. Die Sieger kriegen übrigens einen Cocktail serviert. Ein netter Gag in einem Ultra-All-inklusive Hotel, in dem sämtliche Getränke frei sind...

Svenja kommt stinkesauer an. Ein einziger Kompakt-Vorwurf. Christin muß spätestens um 10 ins Bett, weil ihre Eltern müde sind vom Golfen. Und jetzt kriegen wir Svenjas geballten Ärger ab. Dabei können wir doch ausnahmsweise gar nix für...

Montag, 29. März 1999
Ein Tag im Hotel

Blick ins Panorama. Sonnig, aber kühl. Die Stimmung den Temperaturen angepaßt. So nervt uns die kleine Tira ganz erheblich beim Frühstück. Tira, ein typisch überzüchtetes Kind von antiautoritären Intelligenzbestien-Eltern. Die kriegen wir aber tagelang nicht zu Gesicht, sie lassen sich ihr Töchterchen anscheinend lieber von anderen hüten. Kann ich gut verstehen...

Ich grins mir eins über die kleine Szene am Nachbartisch. "Entzugserscheinungen werd ich kriegen, zuhause", murmelt da einer. "So viel Vitamine auf einmal, und dann gibt’s nix mehr". Ein vernichtender Blick aus giftgrünen Augen seines weiblichen Gegenübers trifft ihn. Und ich denk: Ach, so unterschiedlich sind die Menschen doch gar nicht.

Fällt Aerobic aus bei dem Wetter? Sieht so aus, kein Mensch versammelt sich. Also trinke ich einen Trostcocktail an der Bar. Die DOB-Dame sitzt auch da, mit hängenden Gesichtszügen und permanent am Schimpfen, übers Wetter, über die aufdringlichen Händler, über.... Ich mache, dass ich vom Hocker komm'.

Aerobic ist heute in der Halle. Also krieg ich die Steprunde noch mit und schwitze noch ein bißchen mit. Ein gummiartiges Wesen ist auch dabei, es biegt sich hinterher auf einer Matte in alle Richtungen. Die Animateurin bleibt beeindruckt davorstehen: "Sag mal, wie machst du das denn?" Es stellt sich heraus, dass die junge Frau von Beruf Zirkusartistin ist. Die stolze Mama verrät es nämlich. Die Animateurin versucht sofort, die Artistin für eine Show in der nächsten Woche zu begeistern. Die Tochter ziert sich. Doch die Mutter verrät weiterhin, dass auch die zweite Tochter was kann, nämlich jonglieren. Beide Töchter sind peinlich berührt. Nichtsdestotrotz stimmen sie zu, und die jüngere wirft ungefragt ein, dass sie ihre Keulen mit dabei hat. Schade, an diesem Abend sind wir nicht mehr da.

Ich habe mich länger aufgehalten als erwartet. Der geliebte Gatte ist verschwunden. Mitsamt Schlüssel, den er in der Hosentasche hat. An der Bar lerne ich eine grauhaarige Mutter kennen, deren süß-aufgeweckter gefräßiger, knapp zwei Jahre alter Junge, mir im Restaurant schon aufgefallen ist. Als ein gleichaltriges Mädchen vorbeistolperte, hielt er es am Ärmel fest: "Junge oder Mädchen?" Das erinnerte mich sehr an die am meisten gestellte Frage im Chat: bist du w oder m?

Das Wetter macht sich zwischenzeitlich, als ich einen schweifenden Blick über die Hotelanlage werfe, finde ich auch den Liebsten wieder. Ist doch schon fast wieder Zeit zum Mittagessen.

Tischwein gibt's. Schmeckt gar nicht schlecht, und haut gut rein bei mir. Schließlich bin ich an Alkohol nicht sonderlich gewöhnt und tagsüber gar nicht. Ich muß zwei Stunden schlafen, so müde macht er mich. Diethard spielt so lange mit den Kids Trivial persuit. Langsam macht er sich Sorgen um mich, doch ich penne tief und fest. Urlaub macht müde. Und sooooo faul. Anschließend vertiefe ich mich in den leidenschaftlich-triefenden Konsalik statt in meine weiterbildende Rhetoriklektüre, bis ich erschrecke: Oh, 17 Uhr. Sollte ich mich doch anmelden zur kostenlosen Massage.

Die Schlange ist noch da. Marcel verkürzt mir die Wartezeit: "wir haben den einen Animateur in den Swimmingpool geschmissen. Tanja hat gesagt, das wär endlich mal Zeit für den. Ist der einzige Animateur, den es dieses Jahr noch nicht erwischt hat."

Tanja ist die, die den Aerobicunterricht durchführt. Und die Jungs taten begeistert, was sie ihnen befahl. Muß wohl ein Mordgeschrei gewesen sein, da das arme Opfer sich versteckte in sämtlichen Winkeln und Büschen, sich dann aber doch irgendwann der rohen Gewalt und Übermacht ergeben mußte. Sein Versuch, dabei unbedingt noch irgendeinen seiner Peiniger ins Verderben mitzureißen, mißlang leider auch...

Meine Massagebuchung hingegen gelingt. Das nachfolgende Tischtennisspiel auch. Marcel lernt schnell, aber ich kann doch ziemlich fies spielen, wenn's denn sein muß.

Oli will's auch wissen. Hmmm. Seine Spielweise ist anders. Nach jedem mißglückten Schlag (davon gibt’s genügend) schaut er seinen Schläger äußerst vorwurfsvoll an und knetet und macht und tut, als sei der arme Schläger dran schuld.

Es regnet. Ich muß zurück, schönmachen. Gehört schließlich auch mit zum Urlaub und dauert halt bei Frauen länger als beim Mann. Meistens. Unten in der Hotelhalle warte ich auf den Geliebten. Haner winkt mir aus ihrem Laden zu. Ich gehe sie besuchen, kriege einen orangefarbenen Umhang über die Schultern geworfen, dann soll ich fotografiert werden, mit ihr zusammen. Das Lächeln gefriert mir auf dem Gesicht, bis der Mann mit Foto endlich soweit ist. Doch dann funktioniert der Apparat nicht. Schade. Dafür postiert Haner mich nun an der Ladenkasse. "Du jetzt arbeiten, ich jetzt Urlaub". Als Diethard reinkommt und Zigaretten verlangt, bediene ich ihn. Auf Anweisung Haners tippe ich den Betrag ein, öffne die Kasse und gebe ihm sein Wechselgeld. Der ganze Vorgang bedarf ungefähr 12 returns, ganz schön kompliziert, so ein einziger Zahlvorgang.

Marcel sitzt in der Lobby, mit sorgenzerfurchtem Gesicht. Er will unbedingt einen Dreiminuten-Horror-Film drehen als Bewerbungsunterlage. Aber die zündende Idee fehlt ihm noch.

Also zeige ich ihm die Kreismethode aus dem Autorenstudium, um Ideen zu finden. Ich selbst habe allerdings wenig Erfahrung mit Horror, doch es kommt einiges zustande an Material. Gut gefällt Marcel ein Alptraum, dem ich ihm aus früheren Zeiten präsentieren kann. Der Alptraum dient denn auch als entfernte Grundlage für das spätere Vorhaben. Von da an sind Oli und Marcel eifrig beschäftigt, das Storyboard herzustellen. Marcel ist total fasziniert von Olis Auffassungsgabe und Zeichentalent.

Abends essen wir im Fischlokal. Ich nehme das tunesische Gericht und die Kellner sind hocherfreut. "Hat es geschmeckt? War es arg scharf"? Beides trifft zu. Die große Flasche Sprudel war nötig.

Svenja und Christin haben sich selbständig gemacht. Die Kids genießen das Unabhängigkeitsgefühl aus vollen Zügen. Kein Bitteln, Betteln, Quengeln: "Krieg ich noch was zu trinken...?" Keine elterlichen Ermahnungen: "Iß bitte auf, was du bestellst hast...!" Die Eltern hingegen genießen die Tatsache, dass keine langen Abrechnereien und Streitereien anfallen, wieviel der eine schon ausgegeben hat und was dem anderen noch zusteht.... Ach ist so ein Cluburlaub so streßfrei.

Der einzige Wermutstropfen bei Svenja ist, dass sie dauernd Oli hinterherrennen muß, der den Schlüssel nicht an der Rezeption abgibt. Und wenn er das doch mal tut, wird der Schlüssel von der Rezeption verschlampt und es folgen Suchaktionen.

Um neun empfängt uns großes Geschrei in der Lobby. Die Show ist schon in vollem Gange. Heute abend ist ein Tanzwettbewerb unter den Gästen. 5 Tanzpaare rutschen erwartungsvoll und etwas unruhig auf ihren Plätzen herum. Die Jury, also die Gäste, entscheiden durch Klatschen, wer in welcher Disziplin gewinnt. Mit einer Walzerrunde geht's los.

Mir tun die armen Menschen in der Seele leid. Ein einziges Paar kann tanzen - die unternehmungs- lustige Dame, die aussieht wie eine Dame, sich aber nicht ganz so benimmt, dieses Paar ist das einzige jedenfalls, das Walzer tanzen kann. Beim nächsten Paar hat SIE offensichtlich diesen Schritt noch nie probiert und fällt mittenmang hin. Das Volk freut sich. Die anderen drei Paare wirken auch nicht grade routiniert. Es ist schon sehr erstaunlich, was man mit zwei Beinen alles an verschiedenen Tanzschritten fabrizieren kann. Beim Abstimmen grölt der Tennisfanclub alles nieder.

In der nächsten Runde wird Tango verlangt. Also, Mut gehört schon dazu. Es scheint so, als hätten die Paare noch nie miteinander getanzt. Die Jungs zerren die Mädchen durch den Saal, schwenken sie wie leblose Puppen rauf und runter, die langen blonden Haare schwenken mit. Eine ist ständig damit beschäftigt, ihren kurzen Rock wieder runterzuzerren, den ER ihr erbarmungslos bis zur Taille zieht. Klar, dass sie dabei nicht auch noch auf ihre Füße achten kann.

Der Tanzstil wirkt auch nach Horrorfilm - als würden leblose biegsame Puppen hin- und hergeschleudert. Eine Lambada kommt noch, ein Bauchtanz, Rock'n Roll. Je länger es dauert, desto feuriger werden die Tänzer. Vor allem die Männer streben nach Individualität. Einer wirft sich auf den Boden, zieht SIE über sich. Wirkt schon eher nach St. Pauli-Show als nach Tanzen. Marcel formuliert es so: "Also führen tun da eindeutig die Männer."

Danach gibt’s Tanz für alle. Ein Farbiger am Keyboard, der tolle Musik macht. Allerdings auf eine Art und Weise, wie ich es noch nie gesehen habe. Er füttert sein Keyboard mit Disketten und stellt sich daneben. Eine Superstimme, natürlich bewegt er sich auch schön, und kann gut Kontakt herstellen zum Publikum. Ein paar Anstandsliedchen für die älteren, und dann fetzt er los. Marcel und ich sind natürlich auch schnell auf der Tanzfläche. Marcel läßt sich Discofox beibringen von der Stiefmutter. Ist nicht schwierig, denn er überläßt sich der Führung...

Schon ist wieder ein Urlaubstag vorbei. Das Wetter läßt zwar zu wünschen übrig, aber wir waren kleidungsmäßig drauf eingestellt. Unsere Erwartungen beziehen sich aufs Relaxen, raus aus dem Arbeitsalltag, mal nix tun, Bedientwerden - das Schönste für mich ist die Tatsache, dass ich nichts einkaufen muß, nicht kochen, nicht aufräumen, spülen, Geschirr wegräumen -....

Die Clubanlage erwies sich als gute Wahl, ist auch in Wirklichkeit so schön wie im Prospekt. Relaxen läßt es sich hier gut, es ist alles da, freundliches Personal, ein herrlicher Strand, direkt am Hotel, keine lästige Straße, die überquert werden muß. Das Essen gut, für jeden was dabei, die Zimmer ordentlich, die sanitären Anlagen auch, das Wasser funktioniert und die Spülung ebenso... Animation vorhanden, aber nicht aufdringlich. Jeder kann sich einrichten, wie er will, verschwinden an stillen Plätzen oder auch mittenmang ins tosende Leben. Tatsächlich all inklusive, schön auch die Möglichkeit, in verschiedenen Restaurants in der Anlage essen zu können. Wer das Ziel hat wie wir, einfach zu relaxen, unter Leuten zu sein, ein bißchen zu beobachten, zu reden, ein bißchen was von der Umgebung zu sehen, der ist hier wirklich gut aufgehoben. Gedanklich und planerisch beschäftigen wir uns ja schon mit unserem "großen" Australien-Urlaub im Oktober...

Die Tage vergehen wie im Flug, viel passiert nicht und trotzdem ist ständig was los, keine Minute langweilig. Die Essen mit den Kindern machen großen Spaß und wir freuen uns am problemlosen Handling. Ach isses schön, wenn die Kids so groß und selbständig sind und man sie nicht mehr ins Bett bringen muß. Im Gegenteil, wir gehen früher schlafen als sie.


Dienstag, 30. März 1999
Ausflug nach Hammamet

Das Wetter wird besser. Schön. Wir begeben uns zum liebgewordenen Frühstücksritual, verschlafene Kindergesichter folgen bald. Heute ist der Hauptanreisetag, da fallen verschiedene Dinge aus, z.B. Aerobic. Morgen fällts auch aus für mich, denn da sind wir unterwegs auf dem Ausflug.

Der Vormittag füllt sich wieder mit Tischtennisspielen, Lesen, sich-von-der-Sonne- bescheinen-lassen. Und schon ist es Zeit zur Massage, die gibt es unten im Hotel, neben dem Fitneßraum, Hallenbad und dem Friseur. Zwei Liegen stehen da, ein Masseur, eine Masseuse. Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien die beiden sich die Touristen aufteilen. Ich lande jedenfalls auf seiner Liege. Versuche ihm klarzumachen, dass er da oben an der rechten Schulter so richtig schön fest die Verspannungen wegmassieren soll. Aber die Kommunikation klappt nicht so richtig und so paßt er ganz arg auf, dass er die fragliche Stelle möglichst wenig berührt.

Nach dem Mittagessen sind wir verabredet mit den Kids zur Fahrt nach Hammamet. Wir als "alte Hasen" werden ihnen die Altstadt zeigen. Wir fahren mit dem "Bähnel". Ein grausames Tuckergefährt, offen, blau angestrichen, gibt’s auch in pink Ausführung. Zuhause in Herxheim verkehrt an Sonn- und Feiertagen auch so ein Ding, da würden wir im Leben nie auf die Idee kommen, mitzufahren.

Die Kids protestieren, aber Diethard hat schon die Tickets gekauft. Die sind nicht mehr inklusive, sondern - gemessen am Standard - nicht grade billig. Satte 40 DM für uns fünf. "Peinliches Teil", schimpfen die Kids. "Da setzen wir uns nicht rein. Da drin kommen wir uns vor wie die Affen im Zoo."

Tun sie aber doch und los geht's. Noch mehr Leute sitzen in dem "peinlichen Teil". Saukalt ist es da drin, was Wunder. Stoßdämpfer gibt’s auch nicht. Die Bandscheibe läßt grüßen. Nach kaum 20 Minuten oder so tuckern wir dann in Hammamet ein. Also berauschend ist die Einkaufsmeile da nicht gerade. Der Verlockungen sind wenige.

Das Hammelfest ist vorbei, die Läden geöffnet, die Anreißer draußen sind touristenbereit. Der einzige allerdings, der nach unseren Beobachtungen Geschäfte macht, ist der gebrannte-Mandeln-Verkäufer am Eingang der Altstadt. Ungestört durchlaufen, das Angebot prüfen ist nicht, wie immer in solchen Märkten. "Du Deutscher? Woher du kommen?". Ich antworte regelmäßig mit "Du Tunesier? Kaufen wollen? Ist dein Glückstag heute, nur ein Dinar" und halte meine angefutterte Tüte Mandeln hin. Das führt regelmäßig zu einem Grinsen und zur erhofften Ruhe.... bis 20 m weiter der nächste Händler im Wege steht.

In den Gassen der Altstadt ist es ruhig, ganz ruhig. Nur ein paar Touristen verirren sich darin. Katzen sonnen sich faul und träge in den blauen Gitterkästen vor den Fenstern. Plötzlich sind unsere Kinder weg, nicht mehr zu sehen. Wir finden sie auf einem Grundstück inmitten von Bautrümmern, fasziniert-vertieft in den Anblick zweier ungerührt kopulierender Katzen.

Im Brauhaus - so heißt ein Lokal mit Dachterrasse gegenüber der Altstadt - wollen wir uns von den Strapazen erholen. Doch der Wind pfeift kühl übers Dach. Wir flüchten an ein richtig windgeschütztes Plätzchen nahe der Hauswand. Da ist es dann schon wieder fast zu heiß.

Ein wunderschöner Blick bietet sich uns über den Golf von Hammamet und die Festung gegenüber, weiße Dächer, Kuppeln aus dem Altstadtlabyrinth. Eine lange Beerdigungsgesellschaft schiebt sich durch die Straßen. Motorenlärm dringt herauf. Verhaltenes Hupen, Mopeds, Busse, dazwischen quietschen Bremsen. Palmen wiegen sich im Wind und dahinter glitzert das Meer vor der Gebirgskette.

Um fünf fährt das Bähnchen zurück. Steifgefroren klettern wir heraus. Ich geh erst mal ins Bett - auftauen. Heute abend sind wir beim Italiener verabredet, mit Christin natürlich.

Die Umgebung beim Italiener ist schön, das Essen naja. Wir sind aber auch inzwischen schon relativ gut genährt. Wir haben nette Tischgesellschaft, die Kinder sind schon längst wieder entschwunden. Der Wein schmeckt. Für meine Verhältnisse trinke ich viel und habe Mühe, würdevoll den Saal zu verlassen. Ich brauche ein Bett. Aber dringend.

Diethard ist schon ausgezogen, da klopft es an der Tür. Energisch, fordernd. Svenja steht draußen, Christin im Gefolge, beide hell empört. – Der Schlüssel natürlich. Schon wieder. Der Schlüssel steckt also noch im Zimmer, kriege ich mühsam mit. Und an der Rezeption haben sie gesagt, funkeln mich die beiden an, "da haben sie gesagt, sie hätten keinen Schlüssel und sie könnten nicht aufmachen und wir sollen halt warten bis morgen früh, bis die Putzfrau kommt und dann können wir wieder rein."

Der Gatte ist nicht mehr verfügbar, also muß ich ran. Und seltsam - kaum rausche ich an, verschwindet schon einer hinter der Rezeption und schickt jemanden mit Universalschlüssel. Svenja und Christin sind sauer, weil sie nicht beachtet wurden. Aber ein Gutes hatte das Ganze doch. Christin durfte ein bißchen länger aufbleiben als sonst, um das gefährliche Schlüsselabenteuer mit Svenja durchzustehen.

Und ich darf jetzt endlich ins Bett. Wie schön!


Mittwoch, 31. März 1999
Ein voller Tag / Teil 1
Tunis


Früh aufstehen, um 5.45 Uhr klingelt der Wecker. "Keinen schönen guten Morgen", krächzt unsere Tochter auf unseren entsprechenden Gruß, während sie sich dem Notfrühstück widmet. Die anderen beiden kommen auch wenig dynamisch dahergelatscht.

Der Bus ist pünktlich, fährt von Hotel zu Hotel, um alle einzusammeln. Heute soll es ziemlich warm werden. Ein Wetterchen wie gemalt für einen Ausflug. Der Reiseleiter spult viele Zahlen ab. Interessant zu hören und doch gleich wieder vergessen. Nach einer Stunde rollen wir in Tunis ein.

In den Vororten die typischen verschachtelten Häuser mit Flachdächern, teilweise verputzt, dazwischen Ruinen, Wäsche flattert, dabei sehen diese Stätten oft eher unbewohnbar aus. Rostige Bagger und Baugeräte liegen rum. Dann bekommt das Ganze langsam eher städtischen Charakter.

Kathedrale von Tunis

Der Reiseleiter ist ein erfahrener Mensch. Wir müssen vielleicht 20 Minuten laufen, bekommen dann zwei Stunden "freien Auslauf" in der Altstadt und sollen pünktlich wieder vollzählig erscheinen, denn dann geht's weiter zum Museum...... Als Gedankenstütze belehrt er uns: Das Museum heißt Bardo-Museum. Nicht vergessen, wie Brigitte Bardot. Einfach mit dem Taxi dahinfahren, wenn der Bus schon weg ist."

Tja, die Gedankenstütze funktioniert....

Die brave Touristenhammelherde trabt hinter dem Führer entlang auf der breiten Avenue de France vorbei an wunderschönen Blumenmarkt, gesäumt von einer ganzen Reihe von Schutzputzern. Einer nach dem andern hockt da und bietet dieselbe Dienstleistung an. Zwischendurch sitzen welche da mit einer Personenwaage.

Vor der Altstadt trennen wir uns und tauchen einzeln ein ins Gewühle. Ist aber nicht toll, das Gewühle. Die Händler in Tunis sind bekannt dafür, dass sie Touristen weitgehend in Ruhe lassen. Ja, manchmal fühlen wir uns sogar fast mißachtet. Das Warenangebot wie überall: bestickte Schuhe, Lederkissen, Pantoffeln, Sportschuhe, Gewürze, Klamotten, Unterwäsche, Straßen mit goldglitzerndem Geschmeide.... Man erkennt doch schon eine gewisse Systematik im Angebot.

Es ist noch früh, die Händler noch nicht so ganz wach. Großputz wird mancherorts veranstaltet - mittels einer Sprudelflasche, aus der ein bißchen Wasser in den Laden geschüttet und mit einem Lappen großflächig verteilt wird. Die Läden sind recht groß und übersichtlich aufgeräumt eingerichtet, mit richtigen Regalen, gut beleuchtet. Nur noch vereinzelt die ganz alten typischen Kramecken. Ein alter Mann sitzt am Tresen und zählt sorgfältig seine Arzneitropfen ab. Inmitten der Souks ein unvermuteter Anblick - ein Bankautormat. Svenja ist eher ängstlich, ob wir da jemals wieder rausfinden. Ich drängle, dass wir nicht zu spät kommen. Aber wir haben viel Zeit. Und wenn nicht - wir müssen ja bloß zu Brigitte Bardot fahren - oder war es Claudia Schiffer...?

Svenja erhandelt mit meiner Hilfe stolz ein kleines Kamel. Von fünf Dinar auf drei. Beim Abflug begegnen wir ihm im Flughafen für zwei Dinar - ohne zu Handeln...

Zurück zum Bus. Polizistinnen regeln den Verkehr, elegant mit ihren weißen Stulpen. Hupen quieken und quäken. Wir schlendern noch vorbei am Habib Bourghiba-Denkmal, da ist dann schon unser Bus. Bus Nr. 1.

Die Fahrt ist nicht lang zum Bardo-Museum. Müde hängen wir in den Seilen. Ein Kaffee wäre jetzt schön. Doch das Museum ist sehr beeindruckend. Die größten gut erhaltenen Mosaiken sind dort ausgestellt. Reich verzierte Stuckdecken, Mosaikwände, soweit das Auge reicht. Die Fotoapparate dürfen wir mit reinnehmen, kostet aber einen Dinar Gebühr.

Mittwoch, 31. März 1999
Ein voller Tag / Teil 2
Sidi Bou Said - Karthago

Danach geht’s zur Massenabfütterung und anschließend nach Sidi-Bou-Said. Da war ich doch schon mal so vor ungefähr 26 Jahren und habe eine Erinnerung an einen wunderschönen malerischen Ort mit weißen Häusern und blauen Fensterläden, der sich an einen Hang schmiegt.

Die Erinnerung trügt nicht. Natürlich gibt’s auch Händler und Souvenirs, aber zum Teil schöneren Kitsch als sonst. Z. B. Plakate mit verschiedenen Haustürmotiven drauf, wunderschöne Postkarten, Silberschmuck.

Die Einkaufsmeile ist kurz, trotzdem kommen wir zu fünft kaum einen Meter voran. Bleibt doch dauernd ein anderer stehen, weil irgendwas seine Aufmerksamkeit erregt hat.

Also trennen sich die Generationen. Wir schlendern weiter, steigen etliche Stufen den Hang hinunter, bleiben in einem Cafe hängen mit Blick aufs Meer und lassen uns von der Sonne bescheinen wie Eidechsen. Übrigens, es gibt auffallend wenig Katzen hier.

Sonnengetankt kehren wir zurück. Schade, war zu kurz. Hier hätten wir gerne länger verweilt. Doch es geht weiter zum nächsten Programmpunkt, haben wir ja schließlich auch gebucht und bezahlt: Karthago, ganz in der Nähe von Sidi Bou Said.

Gepflegte Gegend, Strandvillen, viel Grün, blaue Geländer, gleißend weiß gestrichene Häuser. Weitläufige Anlagen, aber die Straßen sind eng. Die Busfahrer müssen Künstler sein.

Sidi Bou Said

Wer kennt unser nächstes Ziel nicht aus dem Latein- und Geschichtsunterricht? Das berühmte Karthago, oder besser das wenige, das die Jahrhunderte davon übergelassen haben, liegt nach nur wenigen Minuten Busfahrt vor uns. Herrlich direkt am Meer gelegen, oberhalb die Villa des tunesischen Staatspräsidenten, von vielen bewaffneten Aufpassern und hohen Zäunen abgeschirmt. Der Reiseführer weist uns wiederholt darauf hin, daß das Fotografieren in Richtung dieser Villa verboten ist und zu nicht unerheblichen Problemen führen würde.

So denken wir uns unseren Teil über den Staatspräsidenten und halten uns natürlich daran. Durch einen Park mit schönen alten Bäumen gehen wir weiter. Die Thermen von Karthago, direkt am Wasser gelegen, sind unser Hauptbesichtigungspunkt. Ein in einem Glaskasten aufgestelltes großes Model der alten Thermen vermittelt uns einen starken Eindruck über die damaligen Bauten, die nur noch als Reste vor uns liegen.

Wir streifen durch die Ruinen und schießen das eine oder andere Foto. Ein freundlicher Mittourist fragt uns, ob er mal uns zwei zusammen fotografieren soll – und so entsteht ganz ungeplant eines der ach so seltenen Zweierbilder, wenn auch Monika von einem vorwitzigen Grashalm im Vordergrund halbwegs verdeckt ist.

Oliver versucht derweil die praktische Anwendung seiner Lateinkenntnisse anhand alter Schriftbrocken, aber das rechte Verständnis will sich nicht einstellen.

In Ruhe genießen wir die Aussicht und die herrliche Sonne, bis unser Reiseführer zur Abfahrt mahnt.

Es langt dann auch. Nach anderthalb Stunden haben wir wieder alles abgeladen und biegen in unsere Hoteleinfahrt ein. Und siehe da, sie hat sich verwandelt in einen tunesischen Basar. In Kleinformat. Da wird alles feilgeboten, was uns unterwegs begegnete, bloß übersichtlicher.

Wir brauchen erst mal einen Drink. Dann geh ich noch mal raus, das Warenangebot sortieren. Kann ich gefahrlos machen, denn ich hab weder Tasche noch Geld dabei. Ich zeige den Händlern ein breites Grinsen und meine leeren offenen Hände: Nix Geld. Der Händler meint: "Du süße Frau. Dein Mann hat Glück."

Beim Abendessen wuselt's. Sieht so aus, als sei die Anlage über Ostern total ausgebucht. Ein Mordsgedränge überall und das Büfett ist fast schneller leergewüstet als die Kellner mit dem Nachschub nachkommen.

Die Neckermann-Reiseleitung ist da. Und die gräßliche Abflugszeit bestätigt sich: Flug um 7.20 Uhr. Also Abfahrt zum Flughafen am Freitag nachts um drei.

Mittwoch, 31. März 1999
Ein voller Tag / Teil 3
Tunesischer Abend

Heute abend steht ein Tunesischer Abend auf dem Plan. Deshalb wurde auch der Basar draußen aufgebaut und auch drinnen in der Hotelhalle gibt’s überall Zeichen. Da hämmert einer vor der Eingangstür Messingteller um Messingteller, tief darüber gebeugt. Da steht ein riesiges Kamel daneben, kein echtes. Ein anderer flicht Mengen von Körben. Trommeln werden auch angeboten - man hört denn auch, welche Eltern sich erweichen ließen. Draußen im Restaurant ist ein kleines Zelt aufgebaut, in dem Fladen am Feuer gebacken werden.
In der Hotelhalle ist ganz schön was los. Kids toben durch, teilweise mit den neuerworbenen Trommeln beschäftigt, Erwachsene flanieren zwischen Aufzug, Boutique, Rezeption, Tresor... Unsere Kids sind beschäftigt mit den storyboards.

Diethard hängt müde im Sessel. Entweder - meint er, gehen wir jetzt rüber zur Show, oder ich schlafe sofort ein. Nun, zum Einschlafen ist es wohl doch noch zu früh und so begeben wir uns zur Showtime - Tunesische Nacht.

Wie üblich ist der Raum voll, so gut zweihundert werden das schon sein. Eine süße, vielleicht dreijährige Langhaarige, im orangefarbenen Westchen nutzt die leerstehende Bühne, erklettert das Treppchen und dreht und wendet sich oben auf der Bühne, schwenkt den Minipo und breitet zierlich die Händchen aus, als wollte sie gleich mit dem Bauchtanz loslegen. Sie bekommt tosenden Applaus und kokettiert. Runter von der Bühne? Lieber wieder rauf? Wir haben unseren hellen Spaß dran.

Die Show beginnt. Nun, tunesische Musik ist nicht für jedermanns Ohren gedacht. Gehört aber halt dazu, denken wir uns. Und so lauschen wir andächtig und klatschen brav Beifall, als die drei Grazien da oben im folkloristischen, alles verhüllenden Gewande ihren Bauchtanz zeigen.

Im zweiten Durchgang wird’s dann offenherziger. Eine Bauchtänzerin in einer Bekleidung, wie man sich das vorstellt, schwenkt alles, was zu schwenken ist. Plötzlich steigt sie von der Bühne herab. Und steuert auf uns zu. Ich ahne, was sie vorhat und blitzartig fällt mir die Szene von unserem Lieblingssatiriker Ephraim Kishon, als er sich plötzlich mit der besten Ehefrau von allen in einer ähnlichen Situation... Meinem armen Gatten schoß genau dieselbe Story durch den Kopf, wie er mir später erzählte.

Ephraim Kishons beste Reisegeschichten: Die tanzende Großmutter

..... das Wunder geschah: Wir bekamen zwei Billetts zu der seit Jahren ausverkauften Mammut-Musical-Show, die auf der ganzen Welt in aller Munde war. Ein lateinamerikanischer Tourist mußte im letzten Augenblick seine vor Jahresfrist gelösten Karten zurückgeben und nach Hause fahren, weil er übersehen hatte, dass das Datum der Vorstellung mit dem allmonatlichen Staatsstreich in seinem Heimatlande zusammenfiel. So kam es, dass meine Gattin und ich in der ersten Reihe saßen, buchstäblich zu Füßen der ausgewählt schönen Girls, mit dem denkbar besten Blick auf die Finessen der Choreographie und die reiche Ausstattung der Bühne (Kostüme gab es nicht)...

Und dann stieg Großmutti herab. Sie kam in einem eigens konstruierten goldenen Käfig vom Schnürboden der berühmten Music-Hall auf die Bühne geschwebt, und das ganze Ensemble streckte ihr die Hände entgegen, malerisch gruppiert, teils kniend, teils auf Zehenspitzen, zu einer majestätisch anschwellenden Musik der ständig wiederkehrenden Textzeile: "Da kommt sie, da ist sie, die Schönste der Welt!" Bekleidet war sie mit schwarzen Netzstrümpfen, einem eng anliegenden Pantherfell, einer blonden Haarkrone, exquisit verlängerten Wimpern, strahlenden Zähnen und einem gewaltigen Decolleté, das die ganzen Reize ihrer 70 Jahre freigab. (Die beste Ehefrau von allen tippte sogar auf 71, wenn auch nur flüsternd.)...

....An jenem schickschwalsschweren Abend hatte sie für irgendwelche Bühnenzwecke drei männliche Besucher eingesammelt, einen baumlangen Spanier und einen beleibten Italiener. Nachdem sie den Widerstand der drei überwunden und sie auf die Bühne gezerrt hatte, wo sie von den kichernden Girls empfangen wurden, stemmte Großmutti die Hände in die pantherfellbekleideten Hüften, ließ ihre Blicke durch das Haus schweifen und verkündete: "Ich brauch noch einen!"

Ohne zu prahlen, darf ich sagen, dass ich mich schon wiederholt in lebensgefährlichen Situationen befunen habe. Ich bin aus mehreren Gefangenenlagern entflohen, habe im israelischen Befreiungskrieg migekämpft und einmal sogar an einem Friedenskongreß der "Liga der Völkerverständigung" teilgenommen. Aber noch nie im Leben fühlte ich mich von so panischer Angst durchschüttelt wie in dem Augenblick, da Großmutti auf meinen Sitz in der ersten Reihe zusteuerte. Es war entsetzlich. Ich wurde abwechselnd rot und blaß, schrumpfte zusammen un dsuchte verzweifelt nach Deckung. Vor meinem geistigen Auge zogen blitzartig die schmerzlichsten Erinnerungen an meine unglückliche Kindheit vorbei.

"Schön...", zischte dicht neben mir die Schlange, mit der ich verheiratet bin. "Sie kommt dich holen!"

Im nächsten Augenblick stand Großmutti vor mir. Ich schichte ein Stoßgebet zum Himmel, aber da beugte sie sich schon über mich.

Krampfhaft versuchte ich, ihrem Klammergriff zu entrinnen. Aber das war nur Wasser auf ihre klapprige Mühle. Unter dem stürmischen Beifall des Hasues ließ sie sich mit unnachahmlichen französischen Chic auf meinen Schoß fallen. Eine detaillierte Schilderung des Vorgangs möchte ich mir ersparen. Genug daran, dass Großmutter meinen heftig widerstrebenden Kopf gegen ihr Decolleté preßte und mir rauher Stimme fragte: "Siehst du gut, mein Kleiner?"

"Ich sehe Abscheuliches", preßte ich mühsam hervor und mußte gegen den Hustenreiz ankämpfen, den die aufsteigenden Puderwolken mir verursachten. "Gehen Sie von meinen Knien herunter oder ich rufe um Hilfe..."

"Ah, Cheri!" Großmutti erhob sich mit krachenden Knochen, küßte meine Nase und wollte mich auf die Bühne zerren. Dabei erwies sie sich als erstaunlich muskulös. Ich merkte das daran, dass der Griff, mit dem ich mich an der Armlehne meines Sitzes anklammerte, immer lockerer wurde.

"Mon choux", kicherte sie und forderte das Orchester durch ein Nicken auf, einen munteren Can-Can zu spielen, indessen hinter meinem Rücken die beste Ehefrau von allen mir scheinheilig zusprach:

"Sei kein Spaßverderber, Ehphraim! Sie meint es doch wirklich nett! Alle gehen auf das kleine Spielchen ein, nur du nicht!"

Unterdessen hatte Großmutti mit kundiger Hand meine Finger von der Sessellehne gelöst; einen nach dem andern. Das Publikum jauchzte. Aber ich gab mich noch nicht geschlagen. Ich hatte unter meinem Sitz eine eiserne Leiste entdeckt, unter der ich meine Füße einhaken konnte.

"Verschwinde, alte Hexe", keuchte ich. "Ich mag dich nicht."

"Mon amour", säuselte Großmutte, hob mich mit raschen Untergriff halb hoch und busierte mich auf die Bühne.

Was weiter geschah, habe ich nur nebelhaft in Erinnerung. Laut Bericht meiner Gattin stand ich vollkommen groggy, mit offenem Mund und baumelnden Armen, neben Großmuttis anderen Opfern, ließ mir von einem Girl eine Papiermütze mit wippenden roten Federn auf den Kopf setzen und tanzte, während Großmutti den Takt klatschte, einige Takte Cha-cha-cha.

Als ich auf meinen Platz zurückkehrte, empfing mich die beste Ehefrau von allen sehr unfreundlich: "Ich schäme mich für dich", sagte sie. "Warum läßt du einen Narren aus dir machen?"...

Nun, so wie Kishons Ehefrau reagiere ich ganz und gar nicht. Im Gegenteil, voller Mitleid verfolge ich sein hartes Schicksal.

Diese Tänzerin ist auch keine Großmutti, sondern macht einen durchaus umgänglichen und netten Eindruck. So insgesamt gesehen, vor allem die Figur ist auch aus der Nähe betrachtet durchaus sehenswert. ...Der Gatte steht auf, was bleibt ihm auch anderes übrig? Sie müht sich redlich, diesen Touristen in den Hüften locker zu machen, ihm zu zeigen, wie das mit dem Bauchtanz funktioniert. Er müht sich redlich, es ihr nachzumachen. Ansatzweise gelingt es auch. Ich empfinde Anerkennung, zieht er sich doch unter diesen Umständen und als Nichttänzer gut aus der Affäre.

Doch es kommt schlimmer. Plötzlich bedeutet sie ihm, das Hemd auszuziehen. Das T-Shirt muß auch noch dran glauben. Sie winkt mich heran und ich muß die Klamotten schön ordentlich in Empfang nehmen. Und mein armer Gatte, der zwar gut und laut auf der E-Gitarre rumrockt, aber wenig tänzerische Ambitionen hat, muß nun fast entblößt mitwackeln, und die Ernährungs-Sünden nicht nur der letzten Tage kommen klar zutage.... Er konzentriert sich denn auch mehr auf die hübsche Figur vor ihm und verdrängt das Publikum vor seinen Augen.

Donnerstag, 1. April 1999
Strandtag

Heute geht’s mir nicht sonderlich gut. Die Augen tränen mir ob der grell-hellen Sonne. Mein Kopf hämmert und schmerzt. Die obligatorischen vierwöchentlichen Kopfschmerzen melden sich an.

Am liebsten würde ich das Frühstück ausfallen lassen. Doch der Gatte lehnt kategorisch ab: "Schatz, das geht nicht. Da glauben ja die Leute, du hättest mich verlassen nach dem gestrigen Abend."

Also geh ich mit. Aber Aerobic lass ich ausfallen. Die Sonne brennt nun schon zum Frühstück runter, es gibt doch noch ein bißchen Farbe. Auf der Nase übrigens weitaus mehr, als mir lieb ist, denn da entwickelt sich ein kleiner Sonnenbrand.

Heute frequentieren wir endlich auch mal den Strand. Unentwegte taten das ja schon die ganzen Tage, offensichtlich sind manche Leute immun gegen kalten Wind. LiegestIFY">Ich nutze die Gunst der Stunde: "Heute ist der Farbige wieder da, der so tolle Musik macht. Geht doch noch ein paar Minuten mit." Nun, Christines Eltern lassen sich tatsächlich drauf ein. Ich bin es gewohnt, alleine zu tanzen, bin ich doch bei den Bandauftritten von Diethard immer alleine dabei, und es macht mir schon lang nichts mehr aus, unbemannt auf der Tanzfläche zu erscheinen. Marcel kommt mit und dann sogar Christines Eltern. Wow. Papa hat schnell genug, aber Mama hat Blut geleckt, strahlt wie ein Pfannkuchen, tanzt begeistert und vergißt total, dass sie um diese Zeit normalerweise schon längst schläft.

Um elf endlich wollen die Eltern nun gehen und suchen ihren Nachwuchs. Doch Christinchen versteckt sich unter einer herunterhängenden Tischdecke und schleicht sich an mich an: "Die suchen mich, aber ich versteck mich." Ich gebe ihr einen Klaps: "Mädchen, überspann den Bogen nicht, sonst lassen sie beim nächstenmal nicht mehr mit sich reden." Christinchen grinst mit der ganzen Weisheit ihrer zehn Jahre: "Hast recht, tschühüß!"

Auch wir gehen bald nach oben. Koffer fertig packen. Noch zwei Stündchen Schlaf erhaschen, um zwei, halbdrei müssen wir doch aufstehen...

Freitag, 2. April 1999
Abschied im Morgengrauen

... und so liegen wir im Bett, stocksteif, hellwach. Eine gewisse Besorgnis mischt doch mit: "Werden die Kids auch da sein? Womöglich schlafen sie irgendwo ein...."

Ach, dieses mangelnde Vertrauen. So nach und nach finden sich alle beim Frühstück mitten in der Nacht ein. Teilweise etwas abgehetzt, denn das Kofferpacken wurde auf die allerletzte Minute verschoben.

Da stehen wir nun pünktlich um drei an der Rezeption, noch ein paar andere müde Gestalten. Wer nicht kommt, ist der Bus. "Wie lange sollen wir warten, bevor in Panik geraten?" frage ich an der Rezeption. "Eine halbe Stunde", meint der freundliche Mensch dort. "Dann ruf ich bei der Agentur an."

Doch das erweist sich als unnötig. Der Bus kommt um halbvier. Ein paar müde Gestalten hängen schon drin. Noch ein paar Hotels werden angefahren und es kehrt Ruhe ein. Bis der Bus nach einer Stunde oder so anhält vor der Agentur und ein junger, dynamischer Mann uns eine lange Rede übers Mikro hält: wie wir die Zettel ausfüllen sollen, was wir mit unserem Gepäck machen sollen, dass wir uns einchecken sollen.... Der soll uns lieber schlafen lassen als die ganze Prozedur zu erklären. Schließlich sind wir ja auch hergekommen...

Der Morgen graut, die Sonne scheint. Welch wunderschönes Abschiedswetter. So hatten wir das doch schon mal vor kurzem. An Weihnachten.

Der Flieger startet pünktlich. Svenja ist schon etwas lockerer als auf dem Herflug. Und einstimmig sind wir der Meinung: das war der schönste und erholsamste Urlaub, den wir zusammen mit den Kids je gemacht haben.

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Hier könnt ihr euch die Seite der Familie und auch die tollen Bilder, die in den Bericht rein gehören, anschauen. Ich kann diese Seite nur empfehlen auch für andere Berichte zu Reisen, ist sehr gut geschrieben und eine tolle Seite.

http://www.wehn-online.de/reise/hammamet/index.htm