Der Islam (XIII)

Eine Einführung


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In den bisherigen Folgen wurde der Stand der Forschung zu folgenden Themen behandelt: Vorislamisches Arabien, Leben Mohammeds und die zugehörigen Quellen, die literarische Eigenart des Korans und die verschiedenen Hypothesen zu seiner Entstehung, die Verwendung biblischer Stoffe im Koran sowie - zur Theologie - der Monotheismus, der Schöpfungsglaube, die Eschatologie und die Kismetvorstellungen des Koran. Dann ging es um das Verhältnis von Ethik und Recht, um die Pflichtenlehre und um ethische Vorstellungen im engeren Sinn, seit der letzten Folge um das Thema "Die Rolle der Frau, Ehe und Familie in Koran und Islam".

7.3 Die Frau im Koran

7.3.1 Die soteriologische Gleichrangigkeit von Mann und Frau und ihre Gleichheit vor dem Endgericht

Wie zu allen Themen kennt der Koran auch für unsere Fragestellung nur wenige verstreute Einzelaussagen. Wichtig hierbei sind Schilderungen der jenseitigen Perspektiven, weil in ihnen deutlich wird, welche "letzte" Rolle den Menschen zugedacht wird.

Hierbei scheinen an fünf Stellen die Frauen in der gleichen Weise wie Männer am künftigen Paradiesesglück beteiligt zu sein; in den Passagen zur Hölle und dann auch entsprechenden zum Paradies ist nur undifferenziert von Ungläubigen oder Sündern die Rede (z.B. S. 39,67-75; 44,43-57 - hier scheint V. 54 Frauen sogar auszuschließen, vgl. weiter unten).

In S. 43,70 heißt es:

"Geht mit euren Gattinnen ins Paradies ein und ergötzt euch (darin) (?)!", ähnlich in S. 40,8: "... und laß sie in die Gärten von Eden eingehen, die du ihnen versprochen hast, (sie) und diejenigen von ihren Vätern, ihren Gattinnen und ihrer Nachkommenschaft, die (in ihrem Erdenleben) fromm waren! ..."

An beiden Stellen, ebenso S. 9,71.72, wird deutlich, daß Männer und Frauen dem gleichen Ziel entgegengehen, einem beglückenden Zustand im Paradies; hierbei wird nicht mehr zwischen beiden Gruppen unterschieden.

Auch klingt in S. 40,8 an, daß es für das endgültige Schicksal ein für alle geltendes Kriterium gibt; wer ins Paradies eingehen will, muß selbst "fromm" oder - wie S. 9,71.72 sagt - "gläubig" gewesen sein. Diesen Gesichtspunkt formuliert S. 3,195 ausdrücklich:

"Da erhörte sie der Herr (mit den Worten): Ich werde keine Handlung unbelohnt lassen (w. verloren gehen lassen), die einer von euch begeht, (gleichviel ob) männlich oder weiblich. Ihr gehört (ja als Gläubige) zueinander (ohne Unterschied des Geschlechts). Darum werde ich denen, die um meinetwillen ausgewandert und aus ihren Häusern vertrieben worden sind und Ungemach erlitten haben, und die gekämpft haben und dabei getötet worden sind, ihre schlechten Taten tilgen, und ich werde sie in Gärten eingehen lassen, in deren Niederungen (w. unter denen) Bäche fließen. (Das soll ihre) Belohnung von seiten Gottes (sein). Bei Gott wird man (dereinst) gut belohnt".

Ähnlich heißt es in S. 4,124:
"Diejenigen aber, die handeln, wie es recht ist, (gleichviel ob) männlich oder weiblich, und dabei gläubig sind, werden (dereinst) ins Paradies eingehen ..." (vgl. S. 16,97; 40,40).

Männer und Frauen sind also soteriologisch - im Hinblick auf das Jenseits - gleichgestellt und werden für ihr Handeln von Gott auf gleiche Weise belohnt oder bestraft. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die ethischen Anforderungen für Männer und Frauen inhaltlich durchaus verschieden sein können. Die allgemeinen Forderungen aber sind die gleichen:
(S. 33,35) "Was muslimische Männer und Frauen sind, Männer und Frauen, die gläubig, die (Gott) demütig ergeben, die wahrhaftig, die geduldig, die bescheiden sind, die Almosen geben, die fasten, die darauf achten, daß ihre Scham bedeckt ist (...) und die Gottes ohne Unterlaß (w. viel) gedenken, - für sie (alle) hat Gott Vergeltung und gewaltigen Lohn bereit."

Ebenso ist S. 9,71.72 zu verstehen, die darüber hinaus sogar von einem freundschaftlichen Verhältnis von Männern und Frauen spricht:

"71 Und die gläubigen Männer und Frauen sind untereinander Freunde (und bilden eine Gruppe für sich) ... 72 Gott hat den gläubigen Männern und Frauen Gärten versprochen, in deren Niederungen (w. unter denen) Bäche fließen, daß sie (ewig) darin weilen, und gute Wohnungen in den Gärten von Eden. Aber Wohlgefallen Gottes bedeutet (noch) mehr (als all dies). Das ist das große Glück."

Diese positiven Aussagen [1] aber werden konterkariert durch S. 44,51-57, die die (irdischen) Frauen und Gattinnen vom Paradies auszuschließen scheint; im Paradies finden sich nur Männer, denen zu ihrer Freude "großäugige Huris" - bei ihnen handelt es sich offensichtlich nicht um die ehemaligen Gattinnen - gegeben werden:

"51 Die Gottesfürchtigen (dagegen) befinden sich an einem sicheren Standort, 52 in Gärten und an Quellen, 53 in Sundus- und Istabraq-Brokat gekleidet (auf Ruhebetten) einander gegenüber(liegend). 54 So (ist das). Und wir geben ihnen großäugige Huris als Gattinnen, 55 und sie verlangen darin (d.h. in den Paradiesgärten) in Sicherheit (und Frieden) nach allerlei Früchten. 56 Sie erleiden darin nicht den Tod, abgesehen vom ersten Tod (mit dem sie ihr Erdenleben beschlossen haben). 57 (All das kommt ihnen zu) aus Huld von deinem Herrn. Das ist (dann) das große Glück."

Bisher ließ sich diese Stelle am besten so erklären, daß sich hier eine andere Gemeindetradition niedergeschlagen hätte; diese hätte dann für die Frauen soteriologisch eine andere - oder keine - Perspektive vorgesehen. Neuerdings gibt es den Vorschlag eines anonymen Autors, sehr viele Koranpassagen auf eine neue Weise zu lesen: als arabische Transskription syrischer Sätze oder Begriffe.[2] Unter dieser Hypothese gewänne S. 44,54 einen anderen Sinn: statt von "großäugigen Huris" wäre dann von "frischen beerenartigen Früchten" die Rede, die Gott den Gottesfürchtigen im Paradies geben will;[3] dann würde sich auch der V. 55 logisch ohne Bruch anschließen. Sollte diese Hypothese zutreffend sein, ergäbe sich nicht das Problem, im Koran an dieser Stelle zwei sich widersprechende Lehren über das Paradies annehmen und erklären zu müssen. Zwar ist in S. 44,51-57, nicht ausdrücklich von Frauen die Rede, aber sie könnten unter dem Begriff "die Gottesfürchtigen" mitgemeint sein.

7.3.2 ***ualität, besitzrechtliches Denken und die untergeordnete Rechtsstellung der Frau

Die eheliche, besitzrechlich gedachte ***uelle Gemeinschaft ist für den Koran und auch im Islam der Regelfall. Für Ehelosigkeit oder geschlechtliche Enthaltsamkeit gibt es keinen Raum:

"Und verheiratet diejenigen von euch, die (noch) ledig sind, und die Rechtschaffenen von euren Sklaven und Sklavinnen!" (S. 24,32).

Zwar ist eine Enthaltsamkeit von Männern aus Frömmigkeit nicht zu tadeln, aber: "außer gegenüber ihren Gattinnen, oder was sie (an Sklavinnen) besitzen" (S. 70,29.30). Nur wer "darüber hinaus (andere Frauen) für sich haben will", macht sich schuldig (S. 70,31).

S. 2,187 erlaubt den ehelichen Geschlechtsverkehr - anders als in früheren (jüdischen oder christlichen?) Vorschriften - auch während der Nächte in der Fastenzeit, weil dieses Verbot ohnehin nicht einzuhalten sei:

"Es ist euch erlaubt, zur Fastenzeit bei Nacht mit euren Frauen Umgang zu pflegen. Sie sind für euch, und ihr für sie (wie) eine Bekleidung. Gott weiß (wohl), daß ihr (solange der Umgang mit Frauen während der Fastenzeit auch bei Nacht als verboten galt) euch (immer wieder) selber betrogen habt. Und nun hat er sich euch (gnädig) wieder zugewandt und euch verziehen. Von jetzt ab berührt sie (unbedenklich) und geht dem nach, was Gott euch (als Zugeständnis für die Nächte der Fastenzeit) bestimmt hat, und eßt und trinkt, bis ihr in der Morgendämmerung einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden könnt! Hierauf haltet das Fasten durch bis zur Nacht! Und berührt sie nicht, während ihr (zur Andacht) an den Kultstätten verweilt! ..."

***uelle Praxis ist also der Normalfall, der möglichst wenig eingeschränkt werden soll. Die Aussage, daß Männer und Frauen einander Bekleidung sind, soll nicht ihre Gleichrangigkeit ausdrücken, sondern ist in diesem Zusammenhang ein Bildausdruck für ihr Nebeneinanderliegen beim Geschlechtsverkehr: "Das tertium comparationis dieses bildhaften Ausdrucks ist wohl das Anliegen am Körper."[4] Dem Kontext nach handelt es sich um eine gnädige Regelung in der Fastenzeit, die sowohl Essen und Trinken wie auch den Geschlechtsverkehr während der Nacht erlaubt; angesprochen sind die Männer.Diese Ausrichtung auf geschlechtliche Gemeinsamkeit gilt zwar auch für Männer, bestimmt diese aber nicht so exklusiv; sie sind auch noch und vor allem Krieger, Rechtsgelehrte, Kaufleute usf. Die Frau aber ist im Koran, und dies hält sich bis in die Gesetzgebung heutiger muslimischer Staaten, beinahe ausschließlich als Geschlechtswesen bzw. von der Ehe her verstanden, ihre sonstigen Pflichten - Mutterschaft, Pflege des Hauses usf. - resultieren aus dieser Bestimmung.

Zwar betont der Koran hin und wieder die Gemeinschaft von Männern und Frauen in der Ehe, deren Zweck vor allem die Fortpflanzung ist[5] , so in S. 16,72:

"Und Gott hat euch aus euch selber [d.h. aus eurer Rippe, Verf.] Gattinnen gemacht (...). Und aus euren Gattinnen hat er euch Söhne und Enkel (?) gemacht ..." (vgl. auch S. 13,38).

Dennoch aber werden die Überordnung und die größeren Rechte des Mannes stark herausgestellt (S. 4,34):
"Die Männer stehen über den Frauen, weil Gott sie (von Natur vor diesen) ausgezeichnet hat und wegen der Ausgaben, die sie von ihrem Vermögen (als Morgengabe für die Frauen?) gemacht haben. Und die rechtschaffenen Frauen sind (Gott) demütig ergeben und geben acht auf das, was (den Außenstehenden) verborgen ist, weil Gott (darauf) acht gibt (d.h. weil Gott darum besorgt ist, daß es nicht an die Öffentlichkeit kommt). Und wenn ihr fürchtet, daß irgendwelche Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie euch (daraufhin wieder) gehorchen, dann unternehmt weiter nichts gegen sie! Gott ist erhaben und groß."

Die Rechte, die hier dem Mann im Umgang mit seinen Ehefrauen eingeräumt werden, entsprechen wohl der Praxis in nicht wenigen früheren Kulturen. Der Mann steht von Natur aus über der Frau, und zudem ist sie ihm - wegen der geleisteten Morgengabe (Mahr) und wohl auch des vom Mann gewährleisteten Unterhalts - besitzrechtlich untergeordnet. Klaus Timm sieht die Regelungen über Ehe und Familie im "Charakter des Islam als eines ideologischen Ausdrucks der auf Privateigentum beruhenden frühen Klassengesellschaft ..." begründet. "Die Beziehungen zwischen den Ehepartnern und Familienangehörigen werden in Koran und Sunna weitgehend als Geld-, Sach- und Eigentumsbeziehungen (...) dargestellt" Darüberhinaus spielt eindeutig das Männerrecht auf ***uelle Praxis ein Rolle. A. Th. Khoury interpretiert zutreffend: "So ist der Mann das Haupt der Familie und darf von seinen Frauen Gehorsam verlangen. Wenn diese sich auflehnen, dann darf er sie ermahnen und auch im Eheverkehr und durch Züchtigung und Schläge bestrafen."[6]

Es erscheint aber als anstößig, daß Vorstellungen dieser Art Eingang gefunden haben in das kanonische Dokument einer Weltreligion und so zu einer immer neuen Norm auch für heutige Zeiten werden können. Die einzige, den heutigen Erfordernissen entsprechende "Bewältigung" wäre es, diese Passagen eben für kontextuell bedingt - und damit für nicht kanonisch - zu halten; so verfährt der Sache nach der ägyptische Historiker und Theologe Abu Said, der erklärt, Allah habe sich in solchen Fällen dem Fassungsvermögen der damaligen Zuhörer angepaßt. Dies allerdings führte zu seinem Ausschluß aus der muslimischen Gemeinschaft, so daß von seiner Frau die Scheidung verlangt wurde und beide nach Europa emigrieren mußten.

Die Berechtigung, sich der Frauen - zum Zweck der Zeugung von Nachkommen - uneingeschränkt zu bedienen, ist in S. 2,223 ausgedrückt:

"Eure Frauen sind euch ein Saatfeld. Geht zu diesem (eurem) Saatfeld, wo immer ihr wollt! ..." [7]

In diesem Zusammenhang erscheint die Menstruation als eine lästige Behinderung für den männlichen Geschlechtstrieb (S. 2,222):

"Und man fragt dich nach der Menstruation. Sag: Sie ist eine Plage. Darum haltet euch während der Menstruation von den Frauen fern, und kommt ihnen nicht nahe, bis sie (wieder) rein sind! Wenn sie sich dann gereinigt haben, dann geht zu ihnen, so wie Gott es euch befohlen hat. Gott liebt die Bußfertigen. Und er liebt die, die sich reinigen."

Dennoch kennt der Koran auch Aussagen, in denen das Verhältnis zwischen Mann und Frau tiefere humane Dimensionen anspricht. Wie oben erwähnt, spricht S. 9,71 von ihrer Freundschaft, und S. 30,21 redet von Erbarmen und Liebe:

"Und zu seinen Zeichen gehört es, daß er euch aus euch selber Gattinnen geschaffen hat (indem er zuerst ein Einzelwesen und aus ihm das ihm entsprechende Wesen machte), damit ihr bei ihnen wohnet (oder: ruhet). Und er hat bewirkt, daß ihr (d.h. Mann und Frau) einander in Liebe und Erbarmen zugetan seid (w. er hat Liebe und Erbarmen zwischen euch gemacht). Darin liegen Zeichen für Leute, die nachdenken."

Von daher ist Ehe im Islam keineswegs ein bloßes rechtliches Herrschaftsverhältnis zu Gunsten des Mannes; sie wird wohl, wenn sie funktioniert, wie in anderen Kulturen und Religionen die Chance zu einer beglückenden menschlichen Gemeinschaft eröffnen. Allerdings ist ihr eine Ungleichheit zwischen Mann und Frau eingestiftet, die unter den Bedingungen z.B. einer einfachen Land- oder Stadtbevölkerung oder auch sonst in Konfliktfällen der Frau nur wenige Rechte einräumt und eine partnerschaftliche Lösung erschwert. Dies gilt vor allem dann, wenn die Ehe polygam praktiziert wird oder gar noch, wie in früheren Zeiten, ein Besitz von Sklavinnen dazukommt.

Die untergeordnete Stellung der Frau wird auch in weiteren Aussagen über ihre Rechte deutlich. Frauen erben nach koranischer Vorschrift nur die Hälfte dessen, was männlichen Erbberechtigten zusteht (S. 4,11):

"Gott verordnet euch hinsichtlich eurer Kinder: Auf eines männlichen Geschlechts kommt (bei der Erbteilung) gleich viel wie auf zwei weiblichen Geschlechts. Wenn es (ausschließlich) Frauen sind, (und zwar) mehr als zwei (oder: zwei und mehr?), stehen ihnen zwei Drittel der Hinterlassenschaft zu; wenn es (nur) eine ist, die Hälfte ..."

Wenn ein Mann kinderlos stirbt, steht seiner Mutter ein Drittel zu, was ein wenig zu der positiven Schilderung der Mutterrolle in S. 31,14 kontrastiert. Von diesen Regelungen her ist auch die offenere Formulierung in S. 4,7 zu interpretieren:

"Von dem, was die Eltern und nächsten Verwandten hinterlassen, steht den Männern ein (bestimmter) Anteil zu, desgleichen den Frauen. (Das gilt) als gesetzlicher Anteil." Ähnlich heißt es in S. 4,32: "Und wünscht euch nicht das, womit Gott die einen von euch vor den anderen ausgezeichnet hat! Den Männern steht ein (bestimmter) Anteil zu von dem, was sie erworben haben. Ebenso den Frauen."

R. Paret kommentiert den Vers: "Es ist nicht recht klar, was mit dem "Anteil von dem, was sie (die Männer bzw. Frauen) erworben haben", genauer gemeint ist, im Gegensatz zum folgenden Vers 33 und zum Vers 7, wo ... eindeutig der Anteil am Erbe bezeichnet wird. Bell vermutet, daß ein älterer, allgemein gehaltener Text nach Einführung der Vorschrift über das Erbrecht revidiert worden ist."[8] Jedenfalls zeigt der vorangehende Versteil, der dazu auffordert, sich nicht das zu wünschen, womit Gott die einen, wohl die Männer, vor den anderen, wohl den Frauen, ausgezeichnet hat, daß hier an die Frauen appelliert wird, die Bevorzugung der Männer hinzunehen.Immer wieder werden die allgemeineren Aussagen über einen je bestimmten Anteil von Frauen und Männern zumindest in den Kontexten spezifiziert im Sinne der geringeren Rechte der Frau, so auch in der muslimischen Überlieferung. In ihr werden diese Einschränkungen für die Frau entweder mit ihrer Minderwertigkeit oder aber auch - positiver - damit begründet, daß männliche Erben, anders als die weiblichen, den Unterhalt der Familie gewährleisten müßten, so daß ihnen ein höherer Anteil am Erbe zukomme. Wie es auch sei, faktisch sind die Frauen am Ende unterprivilegiert.

Auch gelten die Zeugenaussagen von Frauen nicht in gleicher Weise wie die der Männer, wie es z.B. S. 2,282 für die Regelung von Schuldverhältnissen vorsieht:
"... Und nehmt zwei Männer von euch zu Zeugen! Wenn es nicht zwei Männer sein können, dann sollen es ein Mann und zwei Frauen sein, solche, die euch als Zeugen genehm sind, - (zwei Frauen) damit (für den Fall), daß die eine von ihnen sich irrt, die eine (die sich nicht irrt) die andere (die sich irrt, an den wahren Sachverhalt) erinnere ..."

Diese Irrtumsmöglichkeit wie auch Umstimmbarkeit wird für männliche Zeugen nicht in Erwägung gezogen, so daß sich hier wohl ein grundsätzliches Mißtrauen in die Zuverlässigkeit und Beeinflußbarkeit weiblicher Aussagen niederschlägt.

Klaus Timm ist zuzustimmen, wenn er resümiert: "Trotz einiger günstiger Bestimmungen des Koran ist die Behauptung der islamischen Gelehrten ungerechtfertigt, daß der Platz der islamischen Frau einzigartig in der Welt sei und daß der 'reine', ursprüngliche Islam die persönlichen, zivilen und politischen Rechte der Frau anerkenne und sie im höchsten Grade demokratische festlege."[9]

7.3.3 Die Polygamie (genauer: Polygynie)

Der Koran erlaubt den Männern in S. 4,3 vier Ehefrauen sowie - mit Sklavinnen - eine unbeschränkte Zahl von Konkubinaten:

"Und wenn ihr fürchtet, in Sachen der (eurer Obhut anvertrauten weiblichen) Waisen nicht recht zu tun, dann heiratet, was euch an Frauen gut ansteht (?) (oder: beliebt?), (ein jeder) zwei, drei oder vier. Wenn ihr aber fürchtet, (so viele) nicht gerecht zu (be)handeln, dann (nur) eine, oder was ihr (an Sklavinnen) besitzt! So könnt ihr am ehesten vermeiden, unrecht zu tun."

Weil der Mann zur Versorgung seiner Familie verpflichtet ist, fordert der Koran Enthaltsamkeit, bis man "reich" genug ist (S. 24,33). Aber für diese rigorose Forderung bietet er auch Hilfe, die Heirat von Sklavinnen (S. 4,25-28):

"25 Und diejenigen von euch, die nicht so bemittelt sind, daß sie ehrbare gläubige Frauen zu heiraten vermögen, (sollen welche) von euren gläubigen Mägden (heiraten), die ihr (als Sklavinnen) besitzt. Gott weiß sehr wohl über euren Glauben Bescheid. Ihr gehört (als Gläubige) zueinander (ungeachtet der Unterschiede in der sozialen Stellung). Heiratet sie also mit der Erlaubnis ihrer Herrschaft (w. ihrer Leute) und gebt ihnen ihren Lohn (d.h. ihre Morgengabe) in rechtlicher Weise! (Dabei sollen sie sich) als ehrbare Frauen (betragen), nicht als solche, die Unzucht treiben und sich Liebschaften halten. Und wenn sie (durch die Eheschließung) ehrbare Frauen geworden sind und dann etwas Abscheuliches begehen, kommt ihnen die Hälfte der Strafe zu, die (in einem solchen Fall) für die (freigeborenen) ehrbaren Frauen vorgesehen ist. Dies (d.h. die Erlaubnis, Sklavinnen zu heiraten) ist (eine Erleichterung) für diejenigen von euch, die (bei gänzlicher Enthaltsamkeit) fürchten, in Bedrängnis (?) zu kommen. Doch ist es besser für euch, Geduld zu üben (und auf die Heirat von Sklavinnen zu verzichten). Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben. 26 Gott will euch Klarheit geben und euch rechtleiten, so wie mit denen verfahren worden ist, die vor euch lebten, und sich euch (gnädig) wieder zuwenden. Er weiß Bescheid und ist weise. 27 Gott will sich euch (seinerseits gnädig) wieder zuwenden. Diejenigen aber, die ihren Gelüsten folgen, wollen, daß ihr (vom rechten Weg) völlig abweicht. 28 Gott will euch Erleichterung gewähren. Der Mensch [gemeint ist: der Mann, Verf.] ist (ja) von Natur aus schwach."

Allah hat großes Verständnis für die Schwächen der Männer.

Es liegt auf der Hand, daß in polygamen Verhältnissen die Frau nicht gleichberechtigte Partnerin ihres Mannes sein kann; sie ist dann eine von mehreren, im Konfliktfall kann die Beziehung mit ihr ohne nennenswerte Folgen für den Mann eingeschränkt werden.

Zwar schlägt S. 4,3 die Einehe - von den Sklavinnen abgesehen - vor, wenn ein Mann fürchtet, mehrere Frauen nicht gerecht behandeln zu können. Daraus folgern reformfreudige Muslime, hier sei, weil niemand allen Frauen auf gleiche Weise zugetan sein könne, letztlich eine muslimische Variante der Monogamie grundgelegt. Doch ist zum einen eine "gerechte" nicht notwendig auch eine "gleiche" Behandlung, zum anderen bietet S. 4,129 die - für Männer - gnädige Ausnahmeregelung, mit der einzigen Einschränkung, daß ein Mann eine seiner Frauen "nicht völlig" vernachlässigen dürfe:

"Und ihr werdet die Frauen, (die ihr zu gleicher Zeit als Ehefrauen habt) nicht (wirklich) gerecht behandeln können, ihr mögt noch so sehr darauf aus sein. Aber vernachlässigt nicht (eine der Frauen) völlig, so daß ihr sie gleichsam in der Schwebe laßt! Und wenn ihr euch (auf einen Ausgleich) einigt und gottesfürchtig seid (ist es gut). Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben (...)."

In Summe wird also den Männern viel Barmherziges eingeräumt und damit eine rechtliche und auch faktische Herrschaftsstellung zuerkannt. Wie es mit den Rechten der Frau steht und wo sie die Einhaltung minimaler Kriterien einklagen könnte, bleibt offen. Zwar gibt es einen Satz (S. 2, 228), der Männer und Frauen beinahe gleiche Rechte einzuräumen scheint:

"Die Frauen haben (in der Behandlung von seiten der Männer) dasselbe zu beanspruchen, wozu sie (ihrerseits den Männern gegenüber) verpflichet sind, (wobei) in rechtlicher Weise (zu verfahren ist). Und die Männer stehen (bei alledem) eine Stufe höher. Gott ist mächtig und weise."

Dieser Ausspruch aber ist ein wenig dunkel, weil er im Kontext von Ausführungen zur Ehescheidung (S. 2, 226-231) steht. Was aber dort vorher und nachher gesagt wird, läßt keineswegs gleiche Rechte erkennen. Deswegen könnte der zitierte Satz vielleicht auch als eine Einzeltradition aufgefaßt werden, die an falscher Stelle in den Text eingefügt wurde. Dann könnte er sinnvoll gelesen werden und würde in etwa vergleichbare Ansprüche von Mann und Frau - abgesehen von der prinzipiellen Höherstellung des Mannes - einräumen. Wie er aber auch zu verstehen sein mag, er hat keinerlei erkennbare Wirkungsgeschichte gezeitigt.

Die Rechtsstellung der Frauen aber wird in einem Punkt - wohl auch gegenüber der vorislamischen Tradition - verbessert: Sie können nicht gegen ihren Willen vererbt werden (S. 4,19):
"Ihr Gläubigen! Es ist euch nicht erlaubt, Frauen (nach dem Tode ihres Mannes) wider (ihren) Willen zu erben ..."

Wenigstens in diesem Fall muß die Frau um ihre Zustimmung gebeten werden.

Die im Koran erlaubte Polygamie hatte unter beduinischen Verhältnissen sicherlich die Funktion, den Bestand der Stämme zu erhalten ; die nomadischen Lebensformen dürften die Frauen vor allzu großer Rechtlosigkeit bewahrt haben. Mit zunehmendem Übergang aber zu feudalen Verhältnissen und großem Reichtum änderte sich die Lage; durch die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel entstand für die Männer "einerseits die Möglichkeit, die Frau in ökonomischer Abhängigkeit zu halten und andererseits ein Interesse, den Besitz zumindest teilweise den Kindern zu vererben. Das setzte jedoch Monogamie der Frau, Unlösbarkeit der Ehe seitens der Frau und alleiniges Recht des Mannes auf alle aus der Ehe hervorgegangenen Kinder voraus."[10] Ein wenig einschränkend muß aber darauf hingewiesen werden, daß Polygamie wie auch Harem in der muslimischen Geschichte meist eine Sache der Mittel- und Oberschicht waren, während der einfachen und ärmeren Bevölkerung die dafür notwendigen Voraussetzungen fehlten.

7.3.4 Beinahe grenzenloses Männerrecht

Strengstens verboten ist dem muslimischen Mann der Geschlechtsverkehr mit "ehr-baren Ehefrauen", d.h. im Zusammenhang: mit Ehefrauen, die nicht Sklavinnen sind; denn geschlechtliche Beziehungen zu letzteren werden im folgenden dann erlaubt, offensichtlich auch, wenn sie, mit anderen Sklaven, verheiratet sind - anders ergäbe der Vers keinen Sinn (S. 4,24):

"Und (verboten sind euch) die ehrbaren Ehe(frauen), außer was ihr (an Ehefrauen als Sklavinnen) besitzt. (Dies ist) euch von Gott vorgeschrieben."

Das Verbot ist also rein besitzrechtlich begründet: die fremden "ehrbaren Ehefrauen" gehören ihrem Mann, die Sklavinnen aber bleiben, auch wenn sie mit einem anderen Sklaven verheiratet sind, Eigentum ihres Besitzers.

Der oben zitierte Text geht dann folgendermaßen weiter:

"Was darüber hinausgeht, ist euch erlaubt, (nämlich) daß ihr euch als ehrbare (Ehe)männer, nicht um Unzucht zu treiben, mit eurem Vermögen (sonstige Frauen zu verschaffen) sucht. Wenn ihr dann welche von ihnen (im ehelichen Verkehr) genossen habt, dann gebt ihnen ihren Lohn als Pflichtteil! Es liegt aber für euch keine Sünde darin, wenn ihr, nachdem der Pflichtteil festgelegt ist, (darüber hinausgehend) ein gegenseitiges Übereinkommen trefft. Gott weiß Bescheid und ist weise." Diese "Ehe auf Zeit" ist der Sache nach nichts anderes als ein weitestgehendes Recht für begüterte Männer, sich Frauen gegen Geld zu verschaffen.

Ähnlich exzessiv scheint S. 24,33 den Männern zwar zu verbieten, ihre Sklavinnen zur Prostitution zu zwingen, aber zugleich wird ihnen die Vergebung Allahs zugesprochen, wenn sie es dennoch tun:

"Und zwingt nicht eure Sklavinnen, wenn sie ein ehrbares Leben führen wollen, zur Prostitution, um (auf diese Weise) den Glücksgütern des diesseitigen Lebens nachzugehen! Wenn (jedoch) jemand sie (wirklich dazu) zwingt, ist Gott, nachdem dies (nun einmal) geschehen ist (w. nachdem man sie (dazu) gezwungen hat), barmherzig und bereit zu vergeben."