01.02.2005:
Interview: Zusammenschluss islamischer Strukturen - vom Staat organisiert?
IZ-Gespräch mit Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrats, über Pläne der Politik für ein neues Forum in NRW
(iz)Neue Formen des "institutionalisierten Dialogs" mit den Muslimen in Nordrhein-Westfalen? Diese Frage bschäftigt nicht nur Muslime. Die Landtagsfraktion der GRÜNEN in Nordrhein-Westfalen hat bereits im vergangenen Sommer ein Konzept für eine neue "Islampolitik" in dem Bundesland mit der größten Zahl von Muslimen erarbeitet (siehe dazu:
http://www.gruene.landtag.nrw.de/themen/innen/migration.htm). Bekannt wurde daraus insbesondere der Vorschlag für ein sogeganntes "Moscheenregister". Im Dezember 2004 kam das Thema erneut an die Öffentlichkeit. Die IZ sprach dazu mit Ali Kizilkaya, dem Vorsitzenden des Islamrats, einem der großen muslimischen Dachverbände.
Islamische Zeitung: Herr Kizilkaya, sie haben den konzeptionellen Vorschlag der Landtagsfraktion der GRÜNEN in NRW zur Einführung eines Moscheenregisters und neuer Kooperationsformen zwischen der Landesregierung und den Muslimen positiv aufgenommen, haben aber Bedenken gegenüber einer möglicherweise "zu starken Kontrolle" seitens des Staates geäußert...
Ali Kizilkaya: Das Konzept ist wohl im Detail noch nicht zu Ende gedacht, daher ist noch nicht ganz klar, wie das Ganze am Ende aussehen soll. Wichtig ist für uns Muslime natürlich, dass wir uns so organisieren, dass das Neutralitätsgebot des Staates ebenso wie die Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften gewährleistet bleibt und der Staat sich nicht zu sehr in die religiösen Belange der Muslime einmischt. Diese Gefahr befürchte ich, wenn Moscheen, die nach dem vorgesehenen Konzept zusammenkommen sollen, sich erst in ein Moscheeregister eintragen müssen und diese Eintragung vom Staat quasi abgesegnet werden muss. Ganz abgesehen von der Frage, ob man einen Zusammenschluss islamischer Organisationen durch den Staat organisieren lassen muss.
Islamische Zeitung: Was würden sie an dem besagten Konzept positiv bewerten?
Ali Kizilkaya: Erst einmal ist es natürlich begrüßenswert, dass eine politische Partei sich Gedanken macht, wie man mit Muslimen als Ansprechpartner umgehen sollte und Wege sucht, die Muslime auch ein Stück in diese Gesellschaft zu integrieren. Dies ist grundsätzlich erfreulich, unabhängig davon, ob das praktikabel ist oder nicht. Wichtig ist für uns, dass damit nun ein konkretes Konzept vorliegt, während es bisher meist so war, dass die Politik stets mit Forderungen kam, aber kaum mit Vorschlägen, Konzepten oder Förderung.
Islamische Zeitung: Wie würden sich die geplanten Konzepte auf die Strukturen der muslimischen Vereine und Moscheegemeinden auswirken? Besteht die Gefahr einer Zweiteilung in diejenigen, die mitmachen, und diejenigen, die sich nicht beteiligen, wobei letztere dann stigmatisiert werden könnten? Und werden die bestehenden islamischen Verbände und Dachverbände dadurch abgewertet?
Ali Kizilkaya: Das muss man abwarten. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass eine Konstruktion ohne die bestehenden Verbände zustande kommen kann. Denn die Verbände vertreten ja die Moscheegemeinden. Wenn es zustande kommt, dann in Zusammenarbeit mit den islamischen Organisationen. Aber ich unterstreiche, dass die Diskussion darüber, ob oder wie so etwas verwirklicht werden kann, ja noch nicht abgeschlossen ist. Es gibt ja auch innerislamische Bestrebungen nach einer einheitlichen Struktur. Die Gefahr einer solchen Zweiteilung sehe ich daher eher nicht. Wichtig ist mir wie gesagt die Wahrung des Neutralitätsgebots und der Zurückhaltung des Staates gegenüber der Organisation der Religionsgemeinschaften. Wenn das geschieht, dann muss man sehen, ob die Muslime indes selbst eine einheitliche Struktur zustande bringen können. Es braucht aber Zeit, eine solche Form zu finden und die juristischen Bedingungen dafür zu klären.
Islamische Zeitung: Welche Fortschritte gibt es bei diesen innerislamischen Bestrebungen?
Ali Kizilkaya: Es gibt ja bereits eine Zusammenarbeit mit dem langfristigen Ziel, zusammenzuwachsen. Ich persönlich bin ein Befürworter dieses Ziels und habe mich seit meinem Amtsantritt dafür eingesetzt, dass die muslimischen Organisationen zusammenwachsen sollten, nicht nur um gegenüber Politik und Öffentlichkeit als einheitlicher Ansprechpartner auftreten zu können, sondern weil es auch innerislamisch die Zusammenarbeit der Gemeinden erleichtern würde. Wichtig ist aber, dass man diese Einheit nicht vom Staat her erzwingen lassen darf. Es muss ohne Zwang geschehen und aus den muslimischen Organisationen selbst heraus kommen. Ein Modell wie das des Muslim-Rates in Frankreich wäre daher nicht zu befürworten. Auch wenn dies vermutlich von manchen Kreisen auch in Deutschland gewünscht wird, wird so etwas hier juristisch und praktisch nicht möglich sein. Ein Beispiel für diese bisher bestehende innerislamische Zusammenarbeit ist die gemeinsame Erklärung zum Thema Kopftuch, die von über 60 muslimischen Organisationen unterzeichnet worden ist; ebenso die gemeinsame Stellungnahme zum Thema Gewalt. Dies könnte ein Vorstufe zum Zusammenwachsen sein.
Islamische Zeitung: Gibt es mittlerweile bezüglich dieses Konzepts auf der Seite der NRW-Landesregierung neue Entwicklungen oder konkretere Schritte, auch seitens der Staatskanzlei, die ja eine Arbeitsgruppe dazu gegründet haben soll?
Ali Kizilkaya: Im Moment ist das Konzept noch eher eine unverbindliche, aber interessante Diskussionsbasis. Die Haltung der Staatskanzlei dazu ist uns nicht bekannt, da von dieser Seite bisher nichts an uns herangetragen wurde.
Islamische Zeitung: Sehr geehrter Herr Kizilkaya, wir danken Ihnen für das Gespräch.
http://www.islamische-zeitung.de/cgi-bin/artikel/5445http://www.gruene.landtag.nrw.de/themen/innen/migration.htm