16.09.2004:
Hintergrund: Gepflegt, aber bescheiden
Ãœber die Vielfalt muslimischer Bekleidungsweisen - Von Yasin Alder, Bonn
Die Formen der Bekleidung im Islam, sowohl der von Männern als auch der von Frauen, haben über die Jahrhunderte der islamischen Geschichte sowie je nach Region äußerst vielfältige Ausprägungungen entwickelt. Bevor kurz auf diese unterschiedlichen Typen eingegangen wird, soll erst einmal auf die Kleidung des Gesandten Muhammad, Allah segne ihn und gebe ihm Frieden, selbst sowie der Männer und Frauen seiner Zeit eingegangen werden. Zunächst einmal ist es von grundlegender Wichtigkeit, da rechtlich verpflichtend, dass bei beiden Geschlechtern die Aura, das heißt der Teil des Körpers, der für fremde Personen nicht sichtbar sein darf, bedeckt werden muss. Bei Männern ist dies nach überwiegender Auffassung der Rechtsschulen der Bereich zwischen Nabel und Knien, bei Frauen nach überwiegender Auffassung der gesamte Körper mit Ausnahme von Gesicht, Händen und Füßen. Für Männer ist zudem Kleidung aus Seide verboten. Zudem sollte bei beiden Geschlechtern die Kleidung nicht zu eng sein, um die Körperformen nicht zu betonen beziehungsweise sichtbar werden zu lassen.
Das prophetische Vorbild Die Bekleidung des ehrwürdigen Gesandten selbst ist durch zahlreiche Ahadith, das heißt Überlieferungen, recht gut belegt. Der Prophet trug demnach eine ganze Reihe unterschiedlicher Kleidungsstücke. Zu diesen zählen gemäß der Überlieferungen etwa die 'Amama, der Turban, welcher in der muslimischen Welt auch unter weiteren verschiedenen Namen bekannt ist; eine Art Kappe; das Thaub, ein langes Hemd, das mindestens bis zu den Knien reicht; der Sirwal, eine weite Hose, die auch Schalwar genannt wird; Qamis; ein weites, ebenfalls bis zum Oberschenkel reichendes Hemd; und der 'Izza; ein um die Hüfte gewundenes Tuch, das heute noch vor allem im Jemen und in Südostasien verbreitet ist und auch unter den Namen Sarong oder Longi bekannt ist. Weiterhin die Dschubba, ein langes, vorne offenes Obergewand mit weiten Ärmeln; die Burda, ein langes Obergewand, das oft mit Stickereien verziert war; der Burnus, ein dickeres Obergewand beziehungsweise Mantel, welches rechteckig geschnitten ist. Als Fußbekleidung trug er Khuff, Ledersocken, oder Sandalen. Man findet Bekleidungsformen, die sich aus diesen Kleidungsstücken entwickelt haben, in verschiedenen Abwandlungen in der ganzen muslimischen Welt. Bemerkenswert ist, dass anders, als mancher denken mag, die Kleidung des Propheten nicht der heute auf der arabischen Halbinsel üblichen Kleidung (lange, meist weiße Dschalabijja und kopftuchähnliche Kopfbedeckung) entsprach. Die traditionelle islamische Bekleidung, die in der Regel locker und weit geschnitten ist, kommt auch den klimatischen Gegebenheiten in vielen Teilen der muslimischen Welt entgegen. Sie ist aber auch an die islamische Lebensweise angepasst. Sie erleichtert die Bewegungsabläufe beim Gebet und bewahrt die Würde des Betenden, ebenso beim traditionellen Sitzen auf dem Boden - was man von einer eng-sitzenden Hose eher nicht behaupten kann. Nicht zuletzt hat die Art der Bekleidung durchaus auch Auswirkungen auf den inneren Zustand und die Haltung des Trägers. Die allmähliche Übernahme europäischer Kleidung, vor allem unter den Männern, im Zuge der Kolonialzeit und seither hat, ohne dies überbewerten zu wollen, sicher tiefergehende Implikationen. Sie steht sicher auch für eine gewisse Dominanz und Nachahmung nichtmuslimischer Einflüsse und nichtmuslimischen Lebensstils. Was Muslime betrifft, die als Minderheit in einer nichtmuslimischen Umgebung leben, so gibt es aber auch einen Ausspruch des Propheten, dass man sich als Muslim so kleiden soll, wie die Leute der Region, in der man lebt - unter der Voraussetzung, dass die verpflichtenden Regeln wie die Bedeckung der Aura eingehalten werden. Von den Kleidungsstücken des Propheten kommt insbesondere dem Turban, der hier im folgenden so genannt werden soll, da diese Bezeichnung im Deutschen am geläufigsten ist, als der klassischen Kopfbedeckung des muslimischen Mannes eine besondere Bedeutung zu, welche auch durch mehrere Überlieferungen belegt wird. As-Sujuti und Ibn Iraq überliefern von Baihaqi, daß Khalid ibn Ma’dan sagte: „Dem Propheten wurden Kleider aus Spenden gebracht, und er verteilte sie unter seinen Gefährten und sagte: ‘Tragt Turbane, um euch von den vorangegangenen Gemeinschaften zu unterscheiden!’ „ Dailami berichtet von Ibn ‘Abbas, dass der Gesandte Allahs sagte: „Die Turbane sind die Kronen der Araber und wenn sie die Turbane ablegen, legen sie ihre Ehre (‘Izz) ab.“ Der Turban wird der Sunna des Gesandten gemäß bevorzugt so getragen, dass beide Enden des Tuches nach hinten herunterhängen, oder dass ein Teil des Tuches auch um das Kinn gewickelt wird.
Regionale Vielfalt Was die Kopfbedeckungen der Männer betrifft, so sind neben den beiden bereits oben genannten noch der Fes oder Tarbusch, die (meist rote) Filzkappe, die Pelzmützen, wie sie in verschiedenen Formen vor allem im östlichen islamischen Raum vorkommen und der Gesichtsschleier der Tuareg zu nennen. Gerade auch bei Kopfbedeckungen existiert eine mannigfaltige Vielfalt von Formen, Farben und Ausführungen, die hier natürlich nicht aufgezählt werden können. Es existieren verschiedene Kombinationen von Kopfbedeckungen mit einem darum gewundenen Turban. In Bosnien beispielsweise hat sich interessanterweise nach dem Verschwinden des Fes und des Turban in kommunistischer Zeit die Baskenmütze als typische Kopfbedeckung muslimischer Männer durchgesetzt. Ähnlich die Kopfbedeckungen der Frauen: Sowohl was den Grad der Bedeckung als auch was Farben und Stoffe betrifft, gibt es hier die verschiedensten Formen. Schwarze Kleidung ist bei Frauen eigentlich nur auf der arabischen Halbinsel und im Iran üblich, früher auch im Osmanischen Reich. In Marokko tragen die Frauen oft eine Dschellaba, ein langes Gewand mit Kapuze, die sich von der dort verbreiteten Dschellaba der Männer nur durch die Art des Stoffes, der meist feiner ist, und die Form der Kapuze unterscheidet. In der Türkei tragen die Frauen vor allem auf dem Land oft weite, bunte oder geblümte Pluderhosen, zumindest im häuslichen Bereich. In Nordafrika dominiert neben der Dschellaba mit Kapuze bei Männern die leichtere, kurzärmlige Gandura oder Fauqija. Typisch sind für beide nordafrikanische Dschallaba-Typen die oft kunstvollen Verzierungen im Kragenbereich, die einen Geschmack von traditionellem muslimischem Kunsthandwerk geben. Farblich kommen fast alle Töne vor, hinzu kommen die beliebten gestreiften Muster, letztere allerdings fast nur bei Männern. Unter den langen Gewändern werden traditionell bestimmte Hemden und Hosen getragen, sowohl bei Frauen als auch bei Männern, welche oft ebenfalls geschmackvoll verziert sind. Im Magh-rib war die Dschallaba der Männer früher oft nur knielang, vor allem auf dem Land, was praktische Gründe hatte. Die typische Kleidung des Faqih, des Imam oder islamischen Gelehrten, war und ist im Maghrib hingegen die weiße beziehungsweiße cremefarbene, lange Dschellaba, deren Kapuze in der Regel kunstvoll über den Kopf gezogen wird. In Ägypten finden sich Übergangsformen zur Bekleidung der östlicheren Gebiete; die Kapuze fehlt hier, allerdings findet man der Gandura ähnliche Gewänder und dezente Verzierungen im Kragenbereich.
Modern-traditionelle Mischformen In Afghanistan und dem indischen Subkontinent trägt Mann vor allem „Schalwar und Kamis“, eine weite Hose mit einem etwa knielangen, dazu passenden Hemd. Auch hier findet man oft schöne Stickereien im Kragenbereich und entlang der Knopfleiste. Auf der Arabischen Halbinsel und am Golf wird von Männern heute überwiegend eine meist weiße Dschallabija, auch Dischdascha genannt, getragen. Sie erscheint heute oft in modernen Formen, etwa mit Hemdkragen nach europäischer Art und ebensolchen Hemdsärmeln mit Knöpfen. Es existieren heute auch zahlreiche Mischformen zwischen traditioneller und moderner westlicher Kleidung. So findet man zum Beispiel im türkischen, kurdischen und iranischen Raum das klassische Sakko, zu dem dann oft eine traditionelle Pluderhose (Schalwar) getragen wird, oder auch eine traditionelle Kopfbedeckung zum Sakko. Gerade auch was das Schuhwerk betrifft, haben sich heute meist westliche Schuhe durchgesetzt. Man findet aber beispielsweise in Marokko noch häufig die Belra, die flachen Lederpantoffeln, die bei Männern meist gelb, bei Frauen hingegen rot sind, während weiße Belra von beiden Geschlechtern getragen werden.
Die Farben Was die Farben der Kleidung betrifft, so hat Weiß in der Regel allgemein eine feierliche Komponente; es ist auch die Farbe des Ihram der Männer bei der Hadsch und die Farbe des Totengewands. Es gibt Überlieferungen vom Propheten, die der Farbe Weiß, zumal bei Kleidung, eine positive Bedeutung zuschreiben. Man findet verschiedenste Farben bei der Kleidung, die aber, zumindest bei den Männern, nicht zu grell und kräftig sind. Schwarz wurde von den persisch geprägten Abbasiden eingeführt und hat vor allem die Frauenbekleidung, aber auch die der Imame und Gelehrten in der Region zwischen Ägypten und dem Iran, der Türkei und der Arabischen Halbinsel geprägt. Schwarz steht heute auch insbesondere für das Schi'itentum. Grün gilt als die Farbe des Paradiesgartens, es steht für den Propheten sowie seine Nachkommen und gilt oft als „die Farbe des Islam“ schlechthin. Man kann aber nicht sagen, dass es deshalb auch eine besonders häufig vorkommende Bekleidungsfarbe ist, eher im Gegenteil. Vielleicht schrecken viele Muslime aus Bescheidenheit vor dieser Farbe zurück. Früher galt zeitweise der grüne Turban als den Nachkommen des Propheten, den Scharifen, vorbehalten. Auch die Farben, Gelb, Rot und Schwarz wurden vom Propheten getragen. Wichtig ist auch, dass die Kleidung stets sauber soll, worauf der Prophet sehr großen Wert gelegt hat. Sauberkeit und Reinlichkeit gehört zum Islam. Auch soll die Kleidung nicht übertrieben teuer oder prunkvoll sein, sondern eher einfach und bescheiden, und man sollte nicht zu viel Aufmerksamkeit auf seine Kleidung richten, da dies von wichtigeren Dingen ablenken und zu falschem Stolz führen kann.
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