17.06.2004: 
Irak: "Alltäglicher Terror und alltägliche Anarchie"
Nihilistischer Terror an allen Fronten droht den Irak zu zerrütten und nimmt dem Land jede Perspektive
(dpa) Leichenteile, Blut, rauchende Fahrzeug-Trümmer - am Donnerstag stand Bagdad einmal mehr unter Terror-Schock. Rund 40 Menschen mussten sterben, als sich ein Selbstmordattentäter vor einem Rekrutierungsbüro der irakischen Zivilschutzmiliz mit seinem Wagen in die Luft jagte. Seine wehrlosen Opfer hatten in einer langen Schlange gewartet, in der Hoffnung auf einen Job bei der Miliz, den sie bitter nötig gehabt hätten, um die eigene Familie durchzubringen. Doch nicht nur die Mittellosen geraten ins Fadenkreuz des gesichtslosen Terrors. In den vergangenen Tagen wurden ein stellvertretender Außenminister, ein Generaldirektor aus dem Bildungsministerium und der Sicherheitschef der zweitgrößten Ölförder-Gesellschaft ermordet. Auch hier blieben die Attentäter unerkannt, anonym und deshalb besonders Furcht erregend.
Jenseits der menschlichen Tragödien bedroht eine weitere Terror- Variante die Zukunft des Landes. Anschläge auf die strategischen Öl- Pipelines haben am Mittwoch den Ölexport des Iraks völlig zum Stillstand gebracht. Bereits Ende Mai kam die Ausfuhr des Öls aus den Feldern um Kirkuk im Norden des Landes zum Erliegen, nachdem unbekannte Saboteure die Transportleitung in die Türkei gekappt hatten. Anfang dieser Woche richtete sich der ökonomische Terror dann gegen die Pipelines, die das Öl der Felder im Südirak zum Golfhafen Basra pumpen.
Das irakisch Budget beruht zu 97 Prozent auf den Öleinnahmen. Vor dieser jüngsten Sabotage-Welle hatte der irakische Ausstoß bereits wieder 2,4 Millionen Fass am Tag betragen, vor dem Krieg waren es 3 Millionen Fass am Tag gewesen. Der Rückschlag ist enorm. Experten rechnen mit einem Einnahmeverlust von einer halben Milliarde Dollar. Denn die Reparatur der südlichen Pipeline könnte zehn Tage dauern, und niemand weiß, wann der nächste Anschlag sie wieder lahm legen wird. US-Verwaltungssprecher Dan Senor sprach am Mittwoch von einem «Terrorkrieg gegen die kritische Infrastruktur des Iraks, darauf angelegt, die irakische Bevölkerung verarmen zu lassen».
Niemand kann sagen, ob eine umfassende Strategie dahinter steckt, doch der Schrecken hat Methode. Anschläge auf Sicherheitskräfte, Politiker und hohe Beamte unterminieren die von der US- Besatzerungsmacht auf den Weg gebrachte, ohnehin brüchige Nachkriegsordnung, die Sabotage der Ölwirtschaft zerrüttet ihre Lebensgrundlage. So überrascht es in Bagdad auch kaum mehr jemanden, dass diese destruktiven Aktivitäten kurz vor der am 30. Juni geplanten Übergabe der formalen Macht an die irakische Übergangsregierung noch zunehmen.
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