Sonntag 18. April 2004, 15:47 Uhr
Massenprotest bei Beisetzung Rantisis 
Gaza/Jerusalem (dpa) - Israel will die Liquidierung militanter Palästinenser nach dem tödlichen Raketenangriff auf den neuen Hamas- Führer Abdel Asis Rantisi fortsetzen. Rantisi und zwei seiner Leibwächter waren am Samstag in einem Auto in Gaza-Stadt mit einer Rakete tödlich getroffen worden.
Weltweit wurde die Liquidierung des Hamas-Führers fast durchweg scharf kritisiert. Rantisi hatte erst vor drei Wochen die Nachfolge des von Israel getöteten Hamas-Gründers Scheich Ahmed Jassin angetreten. Bei einem Trauerzug zehntausender Palästinenser schworen militante Organisationen am Sonntag in Gaza-Stadt Rache.
Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon sagte am Sonntag vor seinen Ministern, Israel verfolge einen politischen Plan zum eigenen Wohle und bekämpfe zugleich Terroristen und ihre Organisationen. «Das Attentat gestern wurde als Teil dieser Politik ausgeführt, die fortgesetzt wird», sagte Scharon. Er gratulierte dem Militär zu einem erfolgreichen Einsatz. Rantisi sei für eine Vielzahl von Anschlägen verantwortlich, hieß es in einer Erklärung der Armee.
Die US-Regierung äußerte sich zwar besorgt, sprach Israel aber ein «Recht auf Selbstverteidigung» zu. «Die Vereinigten Staaten fordern Israel eindringlich auf, die Konsequenzen seiner Aktionen sorgfältig zu bedenken», hieß es in der Erklärung des Weißen Hauses.
In der EU stieß die gezielte Tötung Rantisis auf scharfe Kritik. Der britische Außenminister Jack Straw nannte sie «ungesetzlich und kontraproduktiv», sein spanischer Amtskollege Miguel Angel Moratinos sprach von einer «Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren». Bundesaußenminister Joschka Fischer sagte: «Israel hat das Recht sich zu verteidigen, muss jedoch die Folgen bedenken.» UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte, das Attentat sei eine Verletzung internationalen Rechts. Auch China, Russland und Frankreich verurteilten die Tötung des Hamas-Führers.
Der israelische Luftangriff war am Abend wenige Stunden nach einem Selbstmordanschlag auf den Eres-Kontrollpunkt zum Gazastreifen erfolgt, bei dem ein israelischer Soldat getötet worden war und zu dem sich auch der militärische Flügel der Hamas bekannt hatte. Rantisi wurde danach nur einen Straßenzug von seinem Wohnaus entfernt angegriffen. Nach israelischen Berichten war das Stadtviertel aus der Luft mit Drohnen (unbemannten Fluggeräten) aufgeklärt worden, um den Raketenangriff vorzubereiten. Rantisi starb noch auf dem Operationstisch des Schiffa-Krankenhauses.
Der palästinensische Regierungschef Ahmed Kureia sieht in der Liquidierung das Ende des Friedensprozess. «Nach unserer Einschätzung gibt es keinen Friedensprozess, und wir brauchen ein internationales Eingreifen, das Israel gegenüber weniger parteiisch ist als die US- Regierung», sagte Kureias Büroleiter Hassan Abu Libdeh. Er warf US- Präsident George W. Bush vor, Scharon grünes Licht für den Ausbau von jüdischen Siedlungen, die Beschlagnahme palästinensischen Landes und weitere Tötungen gegeben zu haben.
Die arabischen Staaten verurteilten das israelische Attentat einmütig. Einige arabische Regierungen machten zudem die Nahost- Politik der USA mit verantwortlich für das Attentat. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, sagte, die «unverantwortliche Politik» Israels führe dazu, dass sich die Gewaltspirale immer weiter drehe. Er bezichtigte Israel des «Staatsterrorismus». Die ägyptische Regierung warf Israel vor, «jede Chance für den Frieden zu töten».
Rantisis war an die Stelle des am 22. März von Israel getöteten Hamas-Gründers Scheich Ahmed Jassin getreten. Nach internen Regeln der Hamas-Organisation sollte nun Rantisis Stellvertreter, Mahmud El Sahar, die Führungsposition im Gazastreifen übernehmen. Die Hamas- Organisation erklärte aber, sie werde wegen der israelischen Angriffe nicht mehr bekannt machen, wer an der Spitze stehe.
http://de.news.yahoo.com/040418/3/3zmjt.html