Gemel,
Wenn ich Deine Bemerkungen zum arabischen Nationalismus lese, fallen mir folgende Fragen ein:
- sind für Dich alle Araber oder alle Moslems Brüder und Schwester?
- Oder muss ich davon ausgehen, dass Araber= Moslem? Auch wenn Du die Religon ausklammerst, geht das überhaupt? Wodurch definiert sich dann deine Solidarität mit den arabischen Völkern? Als Mensch oder als Araber ( im Sinne von Zugehärigkeiit zu einer Nation)
- sind wir nicht alle vor Gott Brüder und Schwester?./Hört sich etwas missionarisch an, aber soll bedeuten, dass mir jedes Unrecht, egal an welcher Nation zuwieder ist/ Ich persönlich hätte nichts dagegen mit meiner christlich, oder eher humanistisch geprägten Vorstellung von Achtung und Wertschätzung jedes Menschenlebens, Dich als Bruder zu bezeichnen.
Und zu Deinem Zitat:
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Für mich ist Religion mit dem zusammenhang weniger wichtig sondern viel mehr der arabschiche Nationalismus."
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Welches Unheil ein falsch verstandener Nationalismus bewirken kann,haben gerade die Deutschen verstanden (hoffe ich wenigstens!)
Und hier noch - aus meiner Sicht eine interessante Beschreibung zum obigen Zitat:
Der ganze arabische Nationalismus war von Anfang an ein künstliches Gebilde, dessen Entstehung viel mehr der auswärtigen Politik rivalisierender europäischer Großmächte zu verdanken ist als den eigentlichen Bestrebungen der zahlreichen arabischen Völkerschaften. Den Beduinenstämmen, die in manchen arabischen Staaten einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung bilden, war der Begriff des Nationalismus schon deshalb fremd, weil sie als Nomaden überhaupt keine festen Wohnstätten besitzen. Die meisten arabischen Völker waren vor dem ersten Weltkriege dem türkischen Staat unterworfen. Als die Türkei aber beim Ausbruch des Krieges sich auf die Seite Deutschlands und Österreichs stellte, trat im Oktober 1915 Sir Henry Macmahon im Auftrag der britischen Regierung mit dem Emir Hussein, dem Scherif von Mekka in Verbindung und erklärte ihm, daß seine Regierung bereit sei, sich für die nationale Unabbängigkeit aller arabischen Völker von der Roten See bis zum mittelländischen Meer; d. h. für Arabien, Syrien und Mesopotamien, mit der Ausnahme einiger kleineren Landesteile, einzusetzen. Dies war der eigentliche Anfang der pan-arabischen Bewegung und der Arabischen Liga. Bei all diesen Vorgängen wurden die Völker selbst nicht zu Rat gezogen, deren große Mehrheit Oberhaupt kein Verständnis für die inneren Zusammenhänge des Spieles hatte, in dem ihnen lediglich die Rolle stummer Mitspieler zugedacht war wie den Statisten auf einer Theaterbühne. Es waren Verhandlungen zwischen einer europäischen Großmacht und einer handvoll kleiner orientalischer Potentaten, die Ihre Völkerschaften gewiß nicht besser behandelten als irgendein Fremdherrscher.
Man darf überhaupt nie vergessen, daß der gesamte arabische Nationalimus seine ganze Existenz nur einer kleinen Intellektuellen Schichte zu verdanken hatte und von den kleinen arabischen Machthabern unterstützt wurde, weil sie glaubten, ihre dynast@en Interessen damit fördern zu können, wobei die größeren von ihren stets von dem Wunsch besessen waren, die neue Idee von der Arabischen Bruderschaft früher oder später dazu benutzen zu können, um die Hegomonie über die arabische Welt zu erringen. Die Völker spielten dabei überhaupt keine Rolle. Tatsache ist, daß in allen neueren arabischen Staaten, trotz ihrer angeblichen Unabhängigkeit sich die geistige und materielle Lage der breiten Massen des Volkes in keiner Weist, geändert hat.
Nach dem ersten Weltkriege aber wurden von den englischen Verrprechungen nur wenige eingehalten. Bei den Friedensverhandlungen wurde Großbritannien mit dem Mdandat über Irak, Palästina und Transjordanien betraut, während das Mandat über Syrien Frankreich zufiel. Die Folge war, daß die sogenannte pan-arabische Bewegung, die zuerst ausgesprochen pro-britisch war, nunmehr immer offensichtlicher ins anti-britische und anti-französische Lager umschwenkte. Das zeigte sich besonders deutlich, als Mussolini in seiner bekannten Rede sich als Protektor der lslamitischen Welt vorstellte und durch Rundfunkpropaganda aus Rom die Araber für seine Interessen zu ködern versuchte. Er hatte auch Erfolg, denn die kleinen arabischen Machthaber lieäugelten damals mit dem faschistischen Italien. Es ist dies eine der schwächsten und gefährlichsten Seiten jedes Nationalismus, welchen Namen er immer tragen mag. In ihrer blinden Verbohrtheit, die stets an die engsten Interessen einer bestimmten Menschengruppe gebunden ist, sind seine Träger stets berelt, sich irgendeinem politischen Abenteurer in die Arme zu werfen, der ihnen durch verlogene Versprechungen falsche Hoffnungen vorgaukelt, ohne sich im geringsten darum zu kümmern, daß sie damit häufig die brutalste Reaktion fördern helfen, die nicht nur der ganzen Menschheit. War die Stellung der arabischen Kleinherrscher der Sache der Alliierten im zweiten Welt kriege durchaus nicht günstig, so verwandelte sie sich später nach der Gründung des Jüdischen Staates in Palästina in unversöhnliche Feindschaft. die sich heute immer mehr zu einem ungezügelten, fanatischen Haß gegen alte Fremden auswächst. Das ist aber gerade, was wir in der heutigen gefährlichen Lage am wenigsteti brauchen können, denn blinder Fanatismus unterbindet nicht nur jede Möglichkeit einer gegenseitigem Verständigung, er kann bei den heutigen Zuständen auch selbst leicht eine neue Katastrophe heraufbeschwören, deren Tragweite gar nicht zu ermessen ist. In der Tat Ist heute im Nahen Orient ein Zustand entstanden wie früher im Balkan, der jahrzehntelang ein offenes Pulverfaß gewesen ist, das jeden Augenblick durch innere und äußere politische Intrigen explodieren könnte, was endlich auch wirklich geschehen ist.
Wir sind heute in einer Grenzscheide unserer Geschichte angelangt. wo uns engstirniger Nationalismus nicht mehr weiter helfen kann, weil er vollständig unfähig ist, der heutigen Situation zu begegnen. Er kann nur durch seine fanatische Verblendung der Machtpolitik neues Wasser auf die Mühlen Iiefern und das alte Spiel fortsetzen, in dem es nur betrogene Betrüger und geprellte Völker gibt.
Aus: Rudolf Rocker Der Nationalismus in: Aufsätze 2