Hier ein versuch das Interview zu übersetzen, dabei sind Fehler nicht auszuschließen, bitte deswegen schon im Voraus um Verzeihung wegen möglicher Fehler und ungenauer Übersetzungen:

Sie hat gerade das Buch "Der Islam, die Frau und die Gewalt" veröffentlicht, Saloua Charfi:"Wenn sich die umstände ändern, ändert sich das Gesetz"

Wozu dieses Buch heute?

Es ist zuerst eine Reaktion auf eine Aberration und sogar ein Paradox, und ist den moslemischen Frauen gewidmet, deren Leben ein ständiger Kampf für die Sachen, die uns unbedeutend erscheinen. Die Originalität dieses Buches, wenn ich es sagen kann, liegt darin, dass ich den Stoff fürs Buch auf dem Feld gesammelt habe: die Zeugnisse, die Beobachtungen, die Begegnungen, usw. Ich bin oft genug in die arabischen und islamischen Länder gereist und behaupte diese Länder aus kultureller Sicht zu kenne, aber besonders aus der Sicht der Frauenlage. Es ist also aus diesem Stoff ausgehend, dass mir die Idee kam diese Diskriminierungen der muslimischen Frau zu verzeichnen.

Seien wir deutlich: ist die tunesische Frau auch von diesen Diskriminierungen betroffen?

Ja, und ich sage Ihnen wie. Es ist kein Problem der Tatsachen, sondern der Kultur und der Mentalität. In Tunesien haben wir noch ein paar Diskriminierungen, wie z.B. in der Erbfrage, und all die Diskriminierungen die ich in diesen Buch aufzähle obliegen den gleichen Paradigmen. Ausserdem schätze ich, dass wir nicht geschützt sind gegen einen Rückschritt, die Errungenschaften sind nicht nicht umkehrbar, da es immer noch Stimmen gibt, die sich in Krisenzeiten erheben, um die Rückkehr zu dem was sie Schari'a nennen, nach ihrer Auslegung. Deswegen sage ich mir, wenn wir in Tunesien nicht genug verteidigen, dann riskieren wir die Rückkehr einiger Diskriminierungen. Abgesehen davon gilt das buch allen Musliminnen auf Erden.

Bezüglich der Erbfrage -die Sie als eine Form der Gewalt betrachten-, fechten Sie ihren Inhalt an, d.h. dass der Mann das doppelte dessen was der Frau zusteht bekommt?

Ich fechte das Wort Gottes nicht an, sondern die Art wie man es heute liest, vierzehn Jahrhunderte danach... Denn wir bemerken, dass das moslemische Recht in den arabischen und moslemischen Ländern nur das Familienrecht betrifft, und damit das Frauenrecht; z.B. das Strafrecht, die Menschenrechte, das Handelsrecht, das alles lehnt sich an das okzidentale Recht, und keiner hatte was daran einzuwenden. Aber sobald es darum geht, das Gesetz zu überdenken, kommt man in eine Sackgasse, als würde man abtrünnig werden nur weil man der Frau den gleichen Erbanteil zusagt, wie dem Mann, obwohl es sich dabei um eine Glaubensfragen handelt, sondern um eine Verhaltensfrage. In anderen Worten, sgae ich dass nur die Rechte der frauen vom islamischen Recht regiert bleiben, alle anderen Rechtsbereiche werden hauptsächlich von einem aus dem Okzident importierten System, angefangen mit der Konstitution selbst. Die paar Errungenschaften sind von islamischen Strömen bedroht, die sie in Widerspruch mit den göttlichen Gestezen sehen. Was ich gemacht habe, war diese Diskriminierungen gegenüber der moslemischen Frau zu verzeichnen, und habe dann im Koran und in der Sunna gesucht, dieser juristischen Basis angeblich göllicher Herkunft(damit ist die Sunna gemeint). Erste kategorie: manche Regeln widersprechen völlig dem Korantext, z.B. der Ehrenmord (crime d'honneur) oder die klandestine Ehe, oder die (mariage coutumier???), diese Eheschließungen die man den Männern erlaubt, sozusagen von Gott gebilligt, obwohl die eigentlich einer Sünde gleichkommen . Einerseits erlaubt man dem Mann Sachen, die der Koran sebst verbietet, und verwehrt der Frau Rechte, die ihr laut Koran zustehen!.. Zweite Kategorie: andere Regeln basieren auf Texte, besonders Hadithe, deren Korrektheit angezweifelt wird...

Wie welche?

Wie das Verbieten der Frau den Richterposten zu besetzen : man lehnt sich an einem Hadith an, der sagt: "Wird nie Erfolg haben, jene Gemeinschaft, die ihre Sache einer Frau anvertraut". Fatima Mernissi hat den Mut gehabt, eine Nachforschung um diesen Hadith angestellt. Sie hat endeckt, dass der jenige der diesen Hadith wiedergab nicht berechtigt, nicht kompetent war, aus der Juristischen und islamischen Sicht, Zeuge zu werden, da er ungerecht eine Frau dem Ehebruch bezichtete, und sie 80 Peitchenhiebe erhielte. Nach islamischen Regeln ist dieser Typ nicht mehr dazu berechtigt als Zeuge zu stehen. Dennoch hat man seine Zeugenaussage als solche betrachtet, und selbst wenn dieser Hadith 25 jahre nach dem Tod des Propheten erschien.

Hat Frau Mernissi geprüft, ob dieser Hadith tatsächlich im "Assahihaynn(die richtigen)" steht?

Na klar!

Also steht er drin? Wir sind verwirrt: was bleibt authentisch und was nicht im "Assahihaynn" ?

Ja, aber alles was drin steht muss nicht zwangsweise authentisch sein! Selbst die sittsamsten Leute wissen's und sagen's. Omar Ibn El Khattab hat einmal Abou Houraya, der viele Hadithe weitergab es zu machen!.. Und Abou Al Abbas sagte eines Tages, wenn wir eines Tages die Korrektheit eines Hadiths überprüfen müssten, würden wir keinen von denen berücksichtigen!!..

Alles ist zweifelhaft im Endeffekt?

Das ist kein Problem, da der koran existiert. Das ist die Hauptquelle und die Konstitution(Verfassung); es gibt sogar Hadithe die den Koran widersprechen!

Ein Beispiel?

Das Beispiel der Frauenbeschneidung, eben. In den Ländern, wo diese Praxis existiert, bezieht man sich nicht auf den Koran, der sie gar nicht erwähnt, sondern auf einen irgendwelchen Hadith.

Zum Glück für Tunesien, aber wie erklären Sie sich, dass die Frauenbeschneidung in manchen Ländern existiert und in anderen nicht, da sie anscheinend von einem Hadith gerechtfertigt ist?

Das beweist, dass es sich dabei einfach um einen Brauch handelt, der seit dem Altertum besteht , eine Praxis, die bereits vor dem Islam existierte. jetzt sind diese menschen Muslime, und sehen sich dazu gezwungen sie zu rechtfertigen: die haben einen Hadith gefunden, der sogar von der Authetizität nicht ...wird, aber es ist eben eine Frage der Auslegung; man sieht dass der prophet der beschneiderin sagt:"Bitte, siehe zu, dass Deine Hand nicht schwer wird". Man spürt also, dass der Prophet nicht einverstanden war...

Ich vertehe nicht: was bedeutet sanft beschneiden oder boshaft beschneiden, Frauen Beschneiden bleibt Frauen Beschneiden!

Hören Sie, man ändert eine gesellschaft nicht an einem Tag. man spürt, dass der prophet mit dieser Praxis nicht einverstanden war, aber er konnte die bräuche nicht brüskieren oder zur Seite legen an einem Tag. Ich setze fort. Dritte Kategorie: das sind Regeln, die dem Koran entspringen, die aber verstümmelt(wie im Falle der Polygamie) oder manipuliert sind, aber sie sind in die Schari'a, den islamschen Recht aufgenommen, die den wesentlichen Islam nicht wiederspiegelt. Das ist ein menschliches Werk, was institutionalisiert, verstümmelt und manipuliert ist, wie im Falle des Zeugnisausage der Frau; der Schöpfer sagt, dass das Zeugnis von zwei Frauen erforderlich ist, erklärt aber dass das nur im Falle der Schulden gilt. Sehen Sie was passiert:wir sehen heutzutage sehr kompetente Frauen, z.B. im bereich der Finanzen und sogar etwas besser als die Männer; Wenn Sie aber sagen, dass es keinen Grund mehr dafür gibt ihnen die zeugnisaussage zu verweigern, sagt man Ihnen: nein!, weil es einenHadith gibt, der besagt, dass den Frauen an Vernunft mangelt. Das bedeutet für sie, dass es eine biologische Macke ist, von Gott erschaffen! Meine Güte, das ist eine rassistische Überlegung, es ist die Eigenschaft der Rassisten Diskriminierungen gegenüber menschlicher Lebewesen mit biologischen Gründen zu begründen. Doch Allah aht sowas nie gesagt. Und der Beweis, er erteilt den Frauen in vielen anderen bereichen das Recht, selbst eine Zeugenaussage zu machen, und verbietet den Männern in manchen Sachen von denen sie keine Ahnung haben die Zeugenaussage ; für den Ehebruch verlangt er z.B. die Aussage von ...vier Männern und nicht von zwei ! Bedeutet das, dass die Männer keine Vernunft haben? nein, aber est liegt daran, dass die Sache gravierender ist!...

Andere Manipulation?

Ja, da Problem des Schleiers den man erzwingt; das Wort Hijab kommt nur zwei mal im Koran vor, und ist nur an die Frauen des Propheten adressiert, nicht an die Frauen im Allgemeinen. Doch das Tragen des Hijab ist im Iran und in Saudi Arabien eine pflicht. Es ist aber so, dass der Prophet selbt sagte, eine Tugend, die erwingt wird ist keine mehr!... Aber ich möchte nochmal auf die Sache mit der Zeugenaussage zurückkommen, die einen Widerspruch darstellt, sogar in unserem Land. Bei uns erlaubt man der Frau Richterin zu sein, aber verlangt gleichzeitig dass zwei Frauen Zeugnis ablegen, eine Frau kann alleine kein zeugnis ablegen. Wieso gibt man der Frau die Möglichkeit Urteile zu fällen, verweigert ihr aber das Recht als zeuge zu dienen, z.B. anlässlich der Hochzeit ihrer Tochter, mit dem Vorwand, man brauche 2 Frauen?..

Kommen wir zurück auf die körperliche Gewalt..

Ja, wir haben hier auch Regeln, die aus dem Zusammenhang gerissen sind, wie die Erlaubnis für den Mann seine Frau zu schlagen. Sie sollten wissen, es ist keine alte Geschichte, und dass es in vielen arabischen Ländern, wenn eine Frau von ihrem Mann angegriffen und mit Gewalt behandelt wird und dass sie ihn anzeigen will, selbt mit Vorlage eines ärtzlichen Attests, der Typ auf dem Polizeirevier ihr sagt:"Nein, Madame, es ist kein Grund sich zu beschweren, er hat nur seine Aufgabe erfüllt, die ihm von seinem Schöpfer diktiert ist!". Es ist z.B. in Sudan und in Ägypten passiert, dass Frauen die Scheidung aufgrund von Gewalt seitens ihrer Gatten gereicht haben, und was sagt der Richter: "Nein, das ist kein Grund für eine Scheidung!". Und das passiert hier und da, in Ägypten wie im Soudan wie in Mauretanien... Bei ist man zum Glück letztens der Ansicht geworden, die Gewalt des Ehemänner gehört doppelt bestraft. Und sagen, dass der Prophet die Männer bestrafte, die ihre Ehefrauen schlugen.
Das alles führt uns zu der Aussage, dass das Problem ein Problem des Lesens, der Auslegung und der Interpretation. Wenn man die Texte so liest wie sie sind, wird alles erlaubt, aber wenn man die Texte in ihrem historischen Rahmen liest( wieso hat es diese Regel gegeben, und zu welcher Zeit?), dann kann man sich die Frage stellen, ob diese Gründe heute noch gelten.
Heute, würde ich sagen, dass die Arbeit die wir machen müssen, das Problem der Exegese (Al Ijtihad), die nach Ansicht der Fuqaha (Gelehrten) nur dann möglich ist, wenn die Texte nicht klar genug sind. Es gab nämlich schon Präzedenzfälle, wo selbst die Kalifen Exegesen getroffen haben, und das in klaren Texten: wie bei Omar Ibn El Khattab, mit dem Problem der Handamputation beim Dieb konfrontiert, die Strafe abschaffte. Wenn sich die Umstände ändern, ändert sich das Gesetz.

M. Bouamoud.
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