15.11.2003:
Istanbul: Feige Anschläge erschüttern die Metropole
16 Tote und viele Verletzte bei Autobombenanschlägen auf Istanbuler Synagogen. Erste Reaktion von Erdogan
(dpa)Bei verheerenden Terror-Anschlägen auf zwei Synagogen in Istanbul sind am Samstag nach offiziellen Angaben mindestens 16 Menschen getötet und weit über 100 verletzt worden. Die beiden Autobomben explodierten am Morgen gegen 8.30 Uhr (MEZ) fast zeitgleich vor der Neve-Schalom-Synagoge im europäischen Stadtbezirk Beyoglu sowie in der Nähe der Synagoge von Sisli. Durch die mächtigen Detonationen wurden ganze Straßenzüge in ein Trümmerfeld verwandelt. An einzelnen Stellen brach Feuer aus. Unter den Opfern befand sich nach türkischen Angaben auch ein jüdischer Bürger.
In einem anonymen Anruf bei der halbamtlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu bekannte sich eine militante islamistische Gruppe «Front der Vorkämpfer für den Großen Islamischen Osten» (IBDA/C) zu den Anschlägen. Die Bomben seien gegen «die Unterdrückung der Moslems» gerichtet. Türkische Nachrichtensender berichteten unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass die Attentäter in Beziehung zum Terrornetzwerk El Kaida von Osama bin Laden stehen könnten. Unklar war zunächst, ob die Autobomben ferngezündet wurden oder ob es sich um Selbstmordanschläge handelte.
Vor der Neve-Schalom-Synagoge, dem geistigen Zentrum der rund 25 000 in Istanbul lebenden Juden, riss die Explosion einen zwei Meter tiefen Krater. In dem Gotteshaus, dessen Außenfassade schwer beschädigt wurde, fand zum Zeitpunkt der Explosion eine Bar Mizwa- Feier statt, das jüdische Gegenstück zur Konfirmation eines Jungen. Nach türkischen Medienberichten hielten sich etwa 300 Gläubige in der Synagoge auf. Das Gotteshaus war zuletzt am 6. September 1986 Ziel eines schweren Anschlags, bei dem 22 jüdische Gläubige und die beiden Arabisch sprechenden Attentäter getötet wurden.
Die türkische Staats- und Regierungsspitze verurteilte die Anschläge auf das Schärfste. Der islamisch-konservative Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem «Terrorakt gegen die Menschlichkeit». Die Anschläge nannte er eine «Bombe gegen die Stabilität und den Frieden in der Türkei». Der israelische Außenminister Silwan Schalom machte «anti-israelische Trends» in Europa indirekt für den Anschlag verantwortlich. Die Art und Weise, wie Israel in Europa als jüdischer Staat porträtiert werde, erzeuge «verbalen Terror», der zu physischem Terror führe.
Nach Angaben des türkischen Innenministers Abdulkadir Aksu werden als Urheber der blutigen Anschläge alle denkbar möglichen Terrororganisationen in die Ermittlungen einbezogen. Zu dem Bekenneranruf der IBDA/C wollte sich der Minister nicht äußern. Die radikal-islamische Organisation, die seit längerem nicht mehr in Erscheinung getreten war, operiert nach Angaben türkischer Terrorismusexperten in unabhängigen Gruppen ohne hierarchische Führung. Der Anführer der Gruppe, Salih Mirzabeyoglu, wurde Ende 1998 gefasst.
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