31.12.2003:
Stuttgart: "Man macht es sich zu einfach"
Ministerin: Kopftuch nicht nur als politisches Symbol deuten

(dpa)Baden-Württembergs Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP) hat sich dagegen ausgesprochen, das Kopftuch muslimischer Frauen ausschließlich als politisches Symbol zu deuten. «Damit macht es sich etwa CSU-Chef Edmund Stoiber zu leicht», sagte sie in einem dpa-Gespräch. Stoiber vermeide die Diskussion über die vom Bundesverfassungsgericht aufgeworfene Frage nach der Gleichbehandlung der Religionen. Der CSU-Chef hatte unter anderem gesagt, das muslimische Kopftuch an Schulen sei ein «politisches Symbol», das nicht mit einer «aufgeklärten Demokratie» vereinbar sei.

Allerdings könne sie sich auch nicht Bundespräsident Johannes Rau anschließen, für den das Neutralitätsgebot des Staates vorrangig sei, sagte Werwigk-Hertneck. «Ich wundere mich und bin überrascht, gerade weil er bekennender Christ ist.» Rau hatte sich am Wochenende für die Gleichbehandlung aller Religionen ausgesprochen: Wenn das Kopftuch als Glaubensbekenntnis gelte, es aber verboten werde, dann müsse das genauso für die Mönchskutte und das Kruzifix gelten. Sowohl aus der Union als auch der Katholischen Kirche war scharfe Kritik an Raus Äußerungen gekommen.

Nach Ansicht der Ministerin hat das Kopftuch neben der politischen auch eine religiöse Dimension und versinnbildlicht überdies das traditionelle Frauenbild eines bestimmten Kulturkreises. «Diese Vieldeutigkeit macht die Debatte so schwer.» Eine Einzelfallprüfung an den Schulen wäre laut Werwigk-Hertnecks eine gute Lösung gewesen, doch diesen Schritt lasse das Bundesverfassungsgericht nicht zu.

Werwigk-Hertneck verteidigte den Weg, den das Land Baden- Württemberg mit seinem Gesetzentwurf zum Kopftuchverbot beschreite. Der Entwurf, der Anfang 2004 in das Parlament eingebracht werden soll, sieht vor, das Kopftuch für Lehrerinnen aus den Schulen zu verbannen, aber christliche Symbole zuzulassen. Die Landesverfassung gebe den Schulen den christlichen Erziehungsauftrag vor. «Es ist wichtig, dass die Kinder die Wurzeln der christlichen Religion und der abendländischen Kultur kennen lernen.»