SPIEGEL ONLINE - 12. Dezember 2003, 9:59
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Kirche und Staat in Frankreich

Kopftuchverbot für alle Schülerinnen

Kein Kopftuch, aber dafür ein schulfreier Feiertag: Mit diesem Kuhhandel möchte Frankreich das Kopftuchproblem an seinen Schulen lösen. Allen Schülerinnen soll das Tragen religiöser Symbole bald gesetzlich untersagt sein. Dafür wären schulfreie Feiertage bald kein Vorrecht der Christen mehr.


DDP

Islamische Schülerin: Kein Kopftuch an französischen Schulen


Das absolute Kopftuchverbot auch für Schülerinnen empfahl eine von Staatspräsident Jacques Chirac eingesetzte Expertenkommission. Per Gesetz sollen ostentative religiöse Zeichen und Kleidungsstücke aus den Schulen verbannt werden.

Im Gegensatz zu den deutschen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg, wo muslimischen Lehrerinnen jetzt das Kopftuchtragen gesetzlich verboten werden soll, Nonnen aber weiter unterrichten dürfen, beträfe das französische Verbot religiöser Symbole auch größere christliche Kreuze und die jüdische Kippa. Nur unauffällige religiöse Zeichen wie kleine Kreuze, der Davidstern oder die islamische Hand der Fatima sollten auch künftig in Schulen toleriert werden.

Die Laizität des Staates und damit des Schulwesens ist in Frankreich traditionell stark ausgeprägt. Lehrerinnen dürfen ohnehin das Tuch nicht tragen, während die Regelung für die Schülerinnen bislang im Ermessen der Schulleiter lag. Um mit dem totalen Verbot die Religionsgemeinschaften nicht zu verletzen und zugleich die Gleichberechtigung der großen Religionen zu fördern, sollen im Gegenzug die großen islamischen und jüdischen Feiertage schulfrei sein.

Das muslimische Opferfest Eid al-Kebir und der höchste jüdische Feiertag Jom Kippur sollten im öffentlichen Leben aufgewertet werden. An diesen Tagen solle es wie an Weihnachten keine Schule geben. Frankreich wäre das erste europäische Land, das diese Feiertage anerkennt, sagte Kommissionsmitglied Patrick Weil.

Chirac kündigte an, er werde seine Entscheidung am nächsten Mittwoch bekannt geben. Erst letzte Woche hatte das konservative Staatsoberhaupt allerdings erklärt, das Tragen eines Kopftuchs an staatlichen Bildungseinrichtungen habe "etwas Aggressives" und widerspreche dem Prinzip der Neutralität des Staates in Bekenntnisfragen.

Nach offiziellen Angaben gab es zum Beginn des neuen Schuljahres 1.256 Mädchen, die mit dem islamischen Schleier in den Unterricht kamen. Die tatsächliche Zahl dürfte beträchtlich darüber liegen. Es habe 20 Streitfälle gegeben, berichtete das Innenministerium. Sechs Mädchen wurden seit September der Schule verwiesen.