Frauen heute
Seit dem 19. Jahrhundert bemühen sich islamische Reformer um eine Verbesserung der Position der Frauen in Familie und Gesellschaft. Viele von ihnen forderten, die Koran- und Hadithverse, die sich auf die Frauen beziehen, in ihrem historischen Kontext zu verstehen und sie den heutigen, veränderten Verhältnissen entsprechend, neu zu interpretieren.
Der Koran spricht zwar von der Überlegenheit des Mannes, wobei Reformer diese Überlegenheit nur im körperlichen Bereich ansehen. In den progressiveren islamischen Staaten, Jordanien beispielsweise, fordert man für die Mädchen bessere Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Bedingungen dafür immer besser, allerdings ist dies abhängig vom jeweiligen Land. In Saudi-Arabien sieht die Situation für die Mädchen wesentlich schlechter aus als beispielsweise in Tunesien oder Marokko. Noch immer besuchen weit weniger Mädchen als Jungen die Schulen. Somit liegt die Analphabetenrate bei den Frauen - nach Schätzungen der UNESCO 1990 - zwischen 27% im Libanon und 73% im Jemen.
Mittlerweile gibt es vielen arabisch-islamischen Staaten auch Frauenorganisationen, die sich für das fundamentale Recht auf Bildung der Frauen einsetzen. Zwar sind heute wesentlich mehr Frauen ins Berufsleben integriert als noch vor fünfzig Jahren, aber dennoch gilt dies hauptsächlich für die typischen "Frauenberufe" wie Lehrerinnen und Krankenschwestern. In Jordanien, Ägypten, und den Golfstaaten werden Frauen auch in Berufen ausgebildet, die nicht der traditionellen Rolle entsprechen, als Richterinnen, Polizistinnen und Diplomatinnen. Dagegen sind in den konservativen islamisch-arabischen Staaten Fernsehansagerinnen umstritten!
Nur noch in Saudi-Arabien, in modifizierter Form im Libyen und im Sudan gilt heute noch unverändert das Gesetz der Scharia. Unter Ayatollah Khomeini wurden im Iran die Verbesserungen für die Frauen, die der Schah erlassen hatte, nach dessen Flucht 1979 wieder ausser Kraft gesetzt. Nach dem Sieg des Reformers Chatami scheint sich die Situation für die Frauen dort wieder spürbar zu verbessern!
Die Türkei hat - als bisher einziges Land mit einem hohen Anteil an Muslimen - die Scharia abgeschafft. Alle übrigen arabisch-islamischen Staaten - mit Ausnahme der drei oben genannten - bekennen sich zwar zum Geist der Scharia, bemühen sich jedoch kontinuierlich, sie durch Modifikationen abzumildern. Tunesien hat die Polygamie verboten, im Jemen ist sie nur in Ausnahmefällen erlaubt. Der Talaq wurde zwar nirgendwo völlig beseitigt, allerdings haben die Frauen nun mehr juristischen Schutz. So sind ihnen nun mehr Möglichkeiten gegeben, die Scheidung selbst zu einzureichen und zu fordern! Um auch der Bevölkerungsexplosion - vor allem in Ägypten - Herr zu werden, wurde das Mindestalter für Heirat hinauf gesetzt.
Zur Mitte des letzten Jahrhunderts begannen die Frauen in den islamischen Ländern, den Schleier und das Kopftuch demonstrativ abzulegen. Vor allem bei den Frauen aus den Oberschichten und in den Metropolen war dies der Fall. Seit einigen Jahren ist jedoch wieder ein Rückwärtstrend zu beobachten. Viele muslimische Frauen bekleiden sich nach islamischen Regeln und begründen dies nicht selten mit der Aussage, sie wollten nicht wie ihre westlichen Geschlechtsgenossinnen nur als Sexualobjekte wahrgenommen werden.
http://www.ex-oriente-lux.de/frauen5.htm