Genitalverstümmelung
Die Genitalverstümmelung wird immer wieder verharmlost und von manchen sogar als islamische Pflicht proklamiert. Die Beschneidung der Frauen ist im Koran (heilige Schrift der Muslime) nicht erwähnt. In der Sunna (Niederschrift der Aussprüche und Verhaltensweisen des Propheten an der sich Muslime orientieren) ist von Beschneidung flüchtig die Rede, denn es gab sie ja zu jener Zeit. Hier liegt dann auch die Quelle von Miß – Interpretationen. Sie hat ihre Wurzeln in Vorislamischer, wie auch in vorchristlicher Zeit. Diese Sitte oder Ritual, ist auch heute kein spezifisch - islamischer Brauch; man findet sie sowohl bei afrikanisch - animistischen, als auch bei afrikanisch - christlichen Volksgruppen.
Der Begriff "Beschneidung der Frau" wirkt zudem beschönigend, da Analogien zur Beschneidung von Jungen geknüpft werden. Daher ist der Begriff "Genitalverstümmelung" zutreffender.
Die "Beschneidung der Frau" wird nach dem Urteil vieler islamischer Gelehrter als Angriff gegen den Körper verurteilt.
Schnitt in Körper und Seele: Genitale Verstümmelung
Die Verstümmelung weiblicher Geschlechtsorgane ist eine krasse Menschenrechtsverletzung an Mädchen und Frauen.
Jedes Jahr werden rund 2 Millionen Mädchen an ihren Geschlechtsorganen beschnitten. Das sind fast 6000 am Tag.
Insgesamt betroffen sind schätzungsweise 130 Millionen Mädchen und Frauen in 28 Ländern Afrikas sowie in einigen Ländern Asiens und des Mittleren Ostens. Die meisten von Ihnen leben in Afrika, 13 Millionen davon im Sudan. In Äthiopien, Eritrea sowie Gambia müssen sich rund 90 % aller Frauen der Beschneidung unterziehen.
Die meisten sind von ihnen zwischen 4 und 8 Jahren. Die Eingriffe reichen von der Abtrennung der Vorhaut bis hin zur Entfernung der Klitoris und der kleinen Schamlippen. Bei der extremen Form der Verstümmelung – Infibulation genannt – werden anschließend die Schamlippen bis auf eine maiskorngroße Öffnung mit Dornen, Nadeln oder Fäden zugenäht.
Die Prozedur wird in der Regel ohne Betäubungsmitteln mit Rasierklingen, Messern oder Glasscherben durch traditionelle Geburtshelferinnen oder Beschneiderinnen vorgenommen.
Viele sterben bei dem Eingriff durch Verblutungen oder an einer Blutvergiftung, andere leiden unter schweren Blutungen und Infektionen. Chronische Entzündungen und lebensgefährliche Komplikationen bei Geburten sind oft die Folge. Hinzu kommt der Verlust der sexuellen Empfindungsfähigkeit.
Genitalverstümmelung der Frauen nicht nur im Islam
Zum Beispiel in diesen islamischen Ländern wird die Genitalverstümmelung nicht praktiziert:
Fundamentalistische Golfstaaten bis auf einige Gruppen am Südrand der arabischen Halbinsel
Im Irak, Iran, in Lybien, den Maghrebstaaten (zum Beispiel: Tunesien, Marokko, Algerien) oder Afghanistan
Auch im Sudan beschneiden nicht alle Gruppen die Mädchen / Frauen, zum Beispiel die muslimischen Rashaida im Osten des Landes
In Senegal z.B. interpretieren die Toucouleur (= eine muslimische Bevölkerungsgruppe) die Beschneidung als religiöse Erfordernisse, während dort die Wolof, die ebenfalls dem Islam angehören, die Praxis nicht ausüben.
In Ägypten wird sie sowohl bei Muslimen als auch bei koptischen Christinnen vorgenommen
Sie kommt bei den Falascha, (den äthiopischen Juden ) von Gondar, vor, in Sierra Leone bei der Mehrzahl der katholischen und protestantischen Frauen sowie bei Animistinnen in vielen afrikanischen Ländern Vereinzelt taucht dieser Brauch auch in Asien auf.
Jetzt stellen sich sicher viele die Frage, warum wird denn dann die Beschneidung durchgeführt:
Der genaue Ursprung der Praxis ist nicht mehr festzustellen.
Hinweise gibt es, das sie sich in verschiedenen Zivilisationen unabhängig voneinander entwickelte.
Man berichtet von Beschneidungen im alten Ägypten, man meinte die Praxis sei über transsaharische Sklavenhandelswege aus Schwarzafrika dorthin gekommen.
Andere Quellen weisen nach Äthiopien. Zu klären ist das nicht mehr, doch es steht fest dass Beschneidung mindestens anderthalb Jahrhunderte vor Lebzeiten des Propheten Mohammed ausgeübt wurde.
Früher kam Genitalverstümmelung auch in Europa und Amerika vor, im alten Rom wurden Ringe durch die Schamlippen von Sklavinnen gezogen, um sie am Kinderkriegen zu hintern.
Zur Zeit der Kreuzzüge bekamen die zurückgebliebenen Frauen aus dem gleichen Grund einen Keuchheitsgürtel verpasst – mit teilweise schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen.
Ein englischer Chirurg verordnete Mitte des 19. Jahrhundert die Entfernung der Klitoris gegen Epilepsie und „emotionale Störungen“.
Noch Anfang des 20. Jahrhunderts galt einigen amerikanischen Ärzten diese Behandlung als angemessen gegen weibliche „Hysterie“ und Masturbation.
Sinn und Zweck dürfte bei allen Gesellschaften das Begehren der Männer gewesen sein, die Kontrolle über die Sexualität der Frauen zu sichern.
Fest steht, dass weibliche Genitalien auch in nicht – islamischen und nicht – afrikanischen Gesellschaften verstümmelt wurden und werden.
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Claudia Poser
UNICEF Gera