Gastkommentar: Sicherheitsdebatte und ökonomische Interessen?
Auch das Thema innere Sicherheit ist, wie das Beispiel Saudi-Arabien zeigt, nicht frei von ökonomischen Interessen - Ein Kommentar von Malik Erhan aus Duisburg
Das Wort "Wahabismus" nimmt in der Sicherheitsdebatte in Deutschland kein Regierungsmitglied gerne in den Mund. Die kritische Hinterfragung der Rolle Saudi-Arabiens beim Aufbau der Taliban würde auch eine Neubeurteilung der Beziehungen der Bundesrepublik zum Ölstaat am Golf bedeuten. Davon hat die Regierung aber trotz der Sicherheitslage offenkundig Angst.
Die Gründe für diese Zurückhaltung sind auch ökonomischer Natur: Der Wüstenstaat ist ein gern gesehener Abnehmer von Luxusprodukten made in Germany und wichtiger Öllieferant mit Beziehungen zu allen deutschen Wirtschaftskreisen. So hat auch die oppositionelle "law and order" CSU in München bei ihrer Debatte über den Islam das Wort "Saudi-Arabien" bisher nicht in den Mund genommen. Der Hintergrund ist klar: Der bayrische Gigant BMW und die einschlägige Rüstungsindustrie in Bayern ist - so die "order" - an der nachhaltigen Störung des bedeutsamen Absatzmarktes nicht interessiert. Die Interessenlage der Bayern ist daher durchaus vielschichtig. Der Münchner Einzelhandel ist beispielsweise aus anderem Grund über die CSU-Politik in puncto Islam nicht begeistert, da man das Ausbleiben von tausenden wohlhabenden Araber im sommerlichen München befürchtet.
Hieraus erklärt sich auch warum der so ultrakritische wie auch regierungsnahe Bayrische Rundfunk, aber auch andere Medien, "nicht etwa eine Stellungnahme des saudischen Botschafters" zur Lage erhalten wollen. Da spüren die Journalisten aus München lieber "extremistische" türkische Gemüsehändler in Freising auf und basteln am viel bequemeren "Sündenbock" türkischer Islamismus. Vergeblich wird man auch die Darstellung der Aktivitäten der saudischen Botschaft in den Verfassungschutzberichten der Länder suchen. Die saudische Botschaften in Europa unterstützen dutzende Moscheen mit wahabistischen Strömungen und viele Moscheen sind auch finanziell unter Kontrolle des Königshauses, die saudisch kontrollierte Rabitat ist die finanzstärkste islamische Entwicklungshilfe in Europa. Dem Verfassungschutz fallen solche Dinge - trotz einschlägiger Hinweise - bisher merkwürdigerweise nicht auf. Auch hat der Verfassungschutz - sonst ja warnende und unüberhörbare Stimme in der Öffentlichkeit - eine gewisse "Vorliebe" für den türkischen Extremismus entwickelt.
Niemand will in Frage stellen, dass die saudische Regierung viele Millionen in die humanitäre Hilfe für Muslime in aller Welt investiert hat. Solange aber das Verhältnis aller in Deutschland lebender Muslime zum europafremden Wahabismus und des Wahabismus zur "Gewalt" allgemein nicht geklärt ist, bleibt diese Strömung ein echtes Sicherheitsproblem. Hierzu muß sich Saudi-Arabien äußern. Seine Interpretation des Islam, sein Verhältnis zu Frauen und sein religiöses und theologisches Verhältnis zum "Extremismus" ist im Islam zu Recht umstritten. Besonders in Europa ist diese Form auch für viele Muslime schlechterdings inakzeptabel, zumindest fragwürdig. Man bedenke nur zweierlei: Der Einfluss des Wahabismus hat den 2. tschetschenischen Krieg essentiell negativ verändert und auch viele Sympathien der Menschen gekostet, Wahabismus hat aber trotz aller investierter Millionen in Bosnien einen Zugang der europäischen Bevölkerung zum Islam de facto verhindert.
Saudi-Arabien - an dessen Destabilisierung der Bundesrepublik natürlich nicht gelegen sein kann - wiederum sollte von Muslimen und Nichtmuslimen aufgefordert werden, künftig positive und konstruktive Aktivitäten in Deutschland und Europa zu unterstützen. Die Bundesregierung wirkt auch ansonsten in der Debatte über die innere Sicherheit relativ einseitig und populistisch.
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