Hallo Mabrouk,

ich kenne auch Menschen, wie Informatiker, Pharmazeuten, Ärzte, Ingenieure usw.usw., die alle mehr als 1000 TND verdienen.
Auf der anderen Seite kenne ich aber sehr viele Menschen, die beispielsweise auf das Einkommen eines Mannes angewiesen sind und wenn der dann krank wird und als Ernährer ausfällt völlig mittellos sind; oder Fischer, die wegen des schlechten Wetters wochenlang nichts fangen und dann auch kein Geld nach Hause bringen; oder die Witwe, die 30 TND Rente bekommt; oder das Zimmermädchen, das für 120 TND arbeitet; oder Frauen in den Textil- bzw. Konservenfabriken, die alle für einen Hungerlohn diesen Knochenjob verrichten müssen, um ihre Familien durch zu bringen; oder den BWL'er, der keinen Job findet und als Rezeptionist in Hotels arbeitet und dort mit einem winzigen Gehalt abgespeist wird.
Die tunesische Gesellschaft besteht aber doch hauptsächlich aus diesen Menschen und nicht aus Akademikern, die im Vergleich bestens verdienen.
Das soziale Netz funktioniert halt nicht so, wie wir es gewöhnt sind, sondern nur durch den familiären Zusammenhalt. Da muß dann der gut verdienende Sohn dem Rest der Familie Geld geben, damit diese einigermaßen über die Runden kommt, oder die Tochter, die mit Hilfe und Unterstützung der Familie Pharmazie studieren durfte, muß dann nach Beendigung des Studiums die Familie unterhalten usw.usw. Die Absicherung der Familien, die wirklich arm sind, sollte in Tunesien voran getrieben werden. Vielleicht durch ein Modell, wie es hier in Deutschland praktiziert wurde. In Tunesien wird es wahrscheinlich besser funktionieren, da der Großteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter ist. Höhere Sozialabgaben würden ja jemanden, der 1000 Dinar und mehr verdient nicht arm machen und auf der anderen Seite ein Heer von wirklich armen Menschen helfen. Die Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit sollte auch verbessert werden. Auch im medizinischen Bereich muß noch sehr viel getan werden, da es z.Zt. noch so ist, dass eine gute med. Versorgung nur mit Geld gewährleistet ist, da diese wohl nur in einigen sehr guten Privatkliniken geboten wird. Allein die hygienischen Bedingungen in vielen staatlichen Krankenhäusern sind so, dass ein "normaler" Mensch dort kranker heraus kommt, als er hinein gegangen ist.
Ich halte es ganz einfach für falsch, dass hier oft so getan wird, als wäre Tunesien das Paradies schlechthin. Es ist ein wunderschönes Land, dessen Vorzüge man allerdings nur genießen kann, wenn man finanziell abgesichert, sprich Geld hat. Diese Absicherung für alle, sollte meiner Meinung nach, Ziel einer Gesellschaft sein und um dies zu realisieren, muss in Tunesien noch sehr viel getan werden.

LG Anna

PS: eine Lehrerin im Primaire Bereich verdient meines Wissens nach ca. 400 TND.