Trotzdem wird denke ich auf längere Sicht dieses "Es gibt keinen Zwang im Glauben", das als Koranzitat eine höhere Stellung hat als Hadithe, sicherlich auch im Islam die Stellung bekommen, die es verdient.
Das ist nur bedingt richtig, denn die Hadithe sind Bestandteil des Glaubenskanons, doch nur dann, wenn sie dem Korantext nicht eindeutig wiedersprechen.
Hadithe geben Erzählungen darüber wieder, wie der Glaubensgründer sich in einer bestimmten Situation verhalten hat oder welche Meinung er dazu vertreten hat. Dies gilt als besonders nachahmenswert.
Hadithe wurden ab etwa 200 Jahre nach Mohammeds Tod in in schriftlicher Form in bestimmten Sammlungen, jeweils genannt nach ihrem Zusammensteller, bibliographisch zusammengefaßt und von jedem Sammler nach diversen formalen Kriterien bewertet, die, grob gesagt, eine Wahrscheinlichkeit anzeigt, daß es sich um eine tatsächliche Überlieferung handelt.
Schiiten und Sunniten beachten verschidene Hadith-Sammlungen und es gibt auch Muslime, die Hadithe ablehnen und sich nur am Koran orientieren.
Hadithe werden unterteilt nach ihrer Wahrscheinlichkeit, daß sie auf tatsächlichen Aussagen beruhen (und wenn dies der Fall ist, dann gelten sie wie der Koran). Üblicherweise werden meist Hadithe zitiert, die allgemein als anerkannt gelten.
Bösmeinende Islamkritiker dagegen zitieren oft aus Hadithen, deren Wahrscheinlichkeit nicht als bestätigt gilt.
Insofern ist es bei der Betrachtung eines Hadithen wichtig, aus welcher Sammlung er stammt - und was der Sammler u.U. noch für Bemerkungen hierzu gemacht hat. Die meisten Hadithe aus den Sammlungen von Buchari und Muslim gelten z.B. als "gut".
Hadithe stellen nach dem Koran selbst die (in der Reihenfolge) zweite Quelle der islamischen Rechtsprechung dar, die dritte wäre dann der Analogieschluß. Zusammengenommen werden die Hadithe auch als "Sunna" des Propheten bezeichnet und bilden einen Teil des Glaubenskanons.
Allgemein gesagt, wird der Glauben weit mehr von den Hadithen beeinflußt, als vom Korantext selbst, da sie dort ins Detail gehen, wo der Koran eher allgemein bleibt. Die Anzahl und Zeiten der Gebete werden z.B. ausschließlich durch die Hadithe definiert.
"Offiziell" gilt jedoch der Koran als überlegen, weil er die Worte Allahs direkt weitergibt. Der Hadith tut dies zum einen nur in den Worten Mohammeds, zum anderen gibt er auch Informationen, die nicht von Allah direkt, sondern z.B. von Gabriel stammen. Da jedoch die Hadithe, die dem Koran widersprechen, weitgehend nicht verwendet werden, treten sie in der Praxis oft gleichrangig neben den Korantext.
Aus diesem Grunde sollte man die Inhalte der Hadithe auch nicht als zweitrangig oder unwichtig betrachten.
Übertragen auf die heutige Rechtpraxis wäre der Koran in etwa das Gesetzbuch und die Hadithe hätten die Bedeutung von Gesetzeskommentaren und Verwaltungsanordnungen.