Ich bin nicht gegen Muslime.
Ich will das Christen in muslimischen Ländern die gleichen Lebensmöglichkeiten haben wie Muslime hier in Europa. Damit will ich es erst einmal bewenden lassen.
@ Wuppi
Na, das ist doch eine gute Gesprächsgrundlage.
@Frogger
Also mich würde es freuen, wenn wir unsere Diskussion fortsetzen könnten, wie frequentiert dieser Thread ist, interessiert mich weniger.
Interesse beinhaltet sowohl ökonomische und politische Vorteile, als auch altruistische Motive - wobei alle Forschungen daauf hindeuten, daß die letztern einen nur sehr geringen Stellenwert einnehmen.
Also Du wirst mir hoffentlich nachsehen, daß mich "Forschungen" nur sehr wenig interessieren. Ich erlebe den Altruismus als große und wichtige Macht. Der Mensch ist grundsätzlich liebesfähig und er ist in der Lage zur Sorge um andere und zum Mitleid. All das gehört zu den Essentials eines lebenswerten Lebens.
Die Erfahrung zeigt nur, daß der Mensch sehr egoistisch werden kann, wenn er Angst um seine nackte Haut hat. Es ist schlicht etwas anderes, ob ich zu Tode gefoltert und verstümmelt werde, oder ob dies einer anderen Person - selbst einer geliebten - passiert. Letzteres mag bei mir einen ungeheuren seelischen Schmerz auslösen, aber den wirklichen Schmerz, die wirkliche Folter, erfahre ich nur, wenn mir dieser Schmerz zugefügt wird. Dieser Selbstbezug ist aber etwas, was ich keinem Menschen übelnehmen kann. Darin liegt sogar eine gewisse Rationalität.
Insofern ist das Interesse, das Du als Beispiel angibst, "Muslime hier in diese Gesellschaft zu integrieren, wobei diese ihre Religiösität nicht durch eine Mehrheitsgesellschaft gegängelt werden soll" in der Praxis, wenn überhaupt, nur marginal existent. Mögliche reale Interessen bestehen vielmehr darin, Arbeitskräfte in die Ökonomie zu integrieren, die Sozialgesellschaft vor einem Auseinanderdriften zu bewahren, die Bevölkerung zu entnationalisieren oder in einen anderen Kulturkontext zu zwingen, etc. etc.
Ja, es fragt sich nur, inwieweit solche Interessen "eigennützig" sind. Ich muß sagen, daß für mich der Eigennutz nur eine gewisse Rolle spielt. Ich habe keine sonderliche Angst vor den Muslimen. Der Straßenverkehr macht mir mehr Angst, da ich eine sehr reale Gefahr sehe, ihm zum Opfer zu fallen, meine Rauchgewohnheiten machen mir Angst, weil ich krank werden könnte - dagegen hält sich meine Angst vor den Muslimen in sehr engen Grenzen.
Gehen wir die Liste durch. All das, was Du da ansprichst, spielt für meine persönliche Existenz nur eine geringe Rolle. Außerdem sind das noch keine wirklichen Interessen, Interessen können nur die Dinge sein, die wirklich dahinter stehen. Es geht also zum Beispiel nicht um ein "Interesse", die Bevölkerung nur "entnationalisieren", sondern es geht in Wahrheit um das Interesse hinter diesem Interessen. Die mögen zum Teil durchaus auch plump egoistisch sein ( "Die Ausländer kosten unser Steuergeld, also auch meins"), aber ich sehe auch ausgesprochen viele altruistische Interessen. Dann kommt das Totschlagsargument, daß es eigentlich gar keine altruistischen Interessen gäbe, sondern daß man nur "in besserem Licht" dastehen möchte. Das ist aber nur ein Totschlagsargument und es interessiert mich auch nicht sonderlich.
Tatsache ist: Gar nicht mal wenige Menschen sind bereit, für ihre persönlichen Ideale auch sehr persönliche Opfer zu bringen. Viele Menschen bringen die größten Opfer für ihre Angehörigen oder Geliebten. Und viele Menschen möchten auch, daß es den Muslimen hier gut geht, nicht nur aus eigennütziger Harmoniesucht.
Und das alles hat nichts mit Verschwörungstheorien zu tun - zwar ist man geneigt, alles, was dem normalen Denkschema zuwiderläuft, und dazu gehört der Glaube an einfache Zusammenhänge und "das Gute im Menschen" (was durchaus an-erzogen ist), als Verschwörung zu bezeichnen, doch oftmals steckt da keine echte "Verschwörung" hinter, sondern simple, oft sogar vorhersagbare, Interessenlagen ("Eurokrise", "arabischer Frühling") von Personen, von denen man nur GEDACHT (präziser: GEHOFFT) hat, daß sie anders, doch nicht so handeln würden. Das Stichwort hier ist die sogenannte "kognitive Dissonanz", die einen etwas anders denken, als sehen läßt.
Ich glaube nicht an "das Gute im Menschen" - allerdings auch nicht an das Böse. Ich bin durchaus Immoralist und glaube nicht an gut und böse. Allerdings sehr wohl an ein "faktisches" gut und böse.
Der Moralismus blockiert meiner Meinung nach nur das Denken. Wenn Menschen gut oder böse handeln, muß man darüber nachdenken, warum das geschieht. Sage ich einfach nur "Hitler war ein böser Mann", dann brauche ich gar nicht mehr darüber nachzudenken, warum er ein böser Mann war, denn es gibt ja sozusagen eine metaphyische Entität des Bösen und die war eben in Hitler.
Im übrigen sollte ich aber auch die Muslime nicht dämonisieren. Es sind Menschen wie wir, freiheitsliebend wie wir, altruistisch wie wir, egoistisch wie wir. Daß sie sich faktisch anders verhalten als wir, mag sein, aber dann müssen wir wieder "immoralistisch" nach den Gründen suchen.
Ja, Harmoniebedürfnis. Die Mitgliedschaft in einer Mehrheitsgesellschaft ist doch nur dann und so lange sinnvoll für das Mitglied, wie es daraus Vorteile für sich selbst zieht.
Es geht nicht nur um Harmoniebedürfnis. Unsere Gesellschaft ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß Dissonanz ausgehalten wird ohne in offene Gewalt umzuschlagen. Harmonie ist für eine Gesellschaft sozusagen ein dialektischer Prozeß, in dem man sich nach einer bestimmten Harmonie sehnt, um eine gewisse Disharmonie auch möglich zu machen. Und wieder: Hier geht es nicht nur um "Vorteile", sondern auch um Ideale, etwa das der Freiheit. Für dieses Ideal haben viele Menschen im arabischen Frühling ihr Leben lassen müssen - alles nur Egoisten?
Ist eine Entität (Person, Gruppe) jedoch in einer Position, daß sie keine weiteren oder mehr Vor- als Nachteile aus der Mitgliedschaft ziehen kann, dann wird dieser "Pakt" gebrochen. Und jetzt kommt es: Wenn die Mehrheitsgesellschaft denkt, daß jedermann ihre eigenen Werte goutiert und also die Werte dieselben sind, dann begeht sie einen fatalen Trugschluß, der sich dann durch Abspaltungen und Opposition rächt. Deshalb reagiert sie dann auch hilflos auf Randgruppen (die so genannt werden, weil sie eben nicht den Wertekanon teilen) oder auf sich selbst unterhaltende und nach eigenen Werten lebende Gruppen ("Parallelgesellschaft"). Die Integration einer solchen nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehörenden Gruppe ist wegen der zum Teil diametral entgegengesetzten Werte nicht widerstandslos nötig - und der andere Weg, die Toleranz über das Maß hinaus, das man einer wertegleichen Oppositionsgruppe gewähren würde, bricht den Konsens der Mehrheitsgruppe und führt zu weiteren Abspaltungen (genau dies ist es, was m.E. derzeit geschieht).
Ja, dann muß man sich mal über "Werte" unterhalten. An der Allgemeinverbindlichkeit gewisser Werte wie etwa dem der Freiheit halte ich durchaus fest. Allgemeinverbindlichkeit meint auch: Sie sind vollkommen abstrakt und gerade deshalb sind sie allgemeinverbindlich. Die Kultur der Blumenzucht ist ganz bestimmt nicht allgemeinverbindlich, denn sie ist inhaltlich gefüllt, durch Blumen eben, dagegen die Freiheit der Rede ist inhaltlich nicht gefüllt, sondern beschreibt den abstrakten Tatbestand der Meinungsfreiheit, auch die Hitler für einen herzensguten Mann zu halten.
"Interessen" sind im übrigen auch immer konkret ( "Ich hätte gerne ein tolles Auto") und deshalb werden sogenannte Grundwerte auch nicht durch Interessen, sondern durch den abstrakten Idealismus getragen. Daß nun die Mehrheit der arabischen Welt im arabischen Frühling nur durch diese Grundwerte bestimmt worden ist, mag man mit Recht anzweifeln, daß das ganze aber wirklich nur durch Interessen ohne jeden Idealismus bestimmt worden ist, erscheint mir auch anfechtbar.
Ich lege es daher auch nicht darauf an, daß ein Konsens hergestellt wird, sondern, daß eine Vielzahl von Argumenten angesprochen wird, um die Meinungsbildung und -hinterfragung zu fördern.
So sehe ich das auch. Selbst destruktive Meinungen haben ihr Recht. Und selbst die Feinde der Freiheit müssen ihr Argument vortragen können.
Gruß Malcolm