Ich hatte eben leider keine Zeit, darum hänge ich es jetzt noch hier an - das betrifft nicht unbedingt Dich, doch Dein Beitrag bietet den Anlaß:

Was PI angeht, so halte ich die Abqualifizierung per se für nicht richtig. Das Wesen einer Demokratie beinhaltet es, daß man auch Menschen, die falsch oder unvollkommen informiert sind, besonders aber auch die, die nicht die nicht die sprachlichen oder intellektuellen Fähigkeiten anderer besitzen, auf argumentativem Niveau trifft.
Auch ein Mensch, der seine Meinung in einer Weise darbietet, die ein anderer, der sich einer besseren Bildung erfreut, als "unterwertig" bezeichnet, verdient es, angehört zu werden und seine Meinung ist nicht deshalb weniger wert, als die eines Professors, weil er sie in einfachen Worten formuliert.

Es ist dies dasselbe Argument, mit dem Intellektuelle damals über die Leser der BILD hergezogen sind, nämlich: das wird nur vom Pöbel gelesen, der hat eh' keine Ahnung und nur ein einfaches Weltbild, damit wollen wir nichts zu tun haben. Daß man sich damit selbst als besser darstellt (ob nur allein von der Bildung, sondern auch in seinen Meinungen und ultimativ seinem "Wert" als Mensch), das wird offenbar kaum bemerkt.

Es gibt bei PI Personen, die an einer Diskussion nicht interessiert sind, und nur Parolen anbieten, andere wollen bewußt provozieren, wieder andere sind einer tiefen Diskussion gegenüber nicht abgeneigt - die alle über einen Kamm zu scheren ist nicht möglich. Gut, man mag nicht mit einigen oder allen Meinungen übereinstimmen, doch das entwertet die Meinungen oder auch die Schreiber nicht automatisch. Ist zwar einfach, jemanden in Schubladen einzusortieren, doch wenn man das tut, darf man sich auch anschließend nicht selbst aufs hohe Roß setzen und seine Toleranz, sein Weltwissen oder seinen brillianten Geist loben.

Egal, ob die Diskriminierung positiv oder negativ erfolgt - sie erfolgt, und zwar mit bösem Willen (das Wort Diskriminierung an sich ist ja wertfrei).

Wenn Du schriebst, daß Du diskutieren willst und Argumente anbringst, die anderen die jedoch nicht hören wollen oder nicht gelten lassen, ist das eine Sache. Die andere ist es aber, dann zu reagieren wie "die wollen mich nicht mitspielen lassen, also sind die blöd und überhaupt". smile

Ich habe in meinem anderen Beitrag schon auf die Diskrepanz zwischen den Gedankenwelten Intellektueller oder "Führer" und dem "Mensch von der Straße" hingewiesen. Eine Diskussion sollte diese beiden Gedankenwelten aneinander annähren, beide Seiten sollten argumentativ belegen, warum sie so und nicht anders denken und es mag zu einem Punkt kommen, wo keine weitere Annäherung mehr möglich ist, weil die hinter den Seiten - oder den Personen - stehenden Interessen nich vereinbar sind. Doch trotzdem muß man in diesem Moment das Argument des anderen gelten lassen, denn es gibt für das Argument meist gute Gründe, auch wenn man diese Gründe für sich selbst, wegen seiner Interessenlage, nicht bejahen kann.

Mir ist dieses Thema deshalb so wichtig, weil sich Deutschland, und auch andere Länder, gegenwärtig in eine neue Qualität der gesellchaftlichen Diskussion hinein bewegt, und es ist dies eine Zeit, in der nicht mehr das Argument, sondern der Konsens wichtig ist. Leider werden aber dann zu allem Überfluß diejenigen, die sich diesem Konsens nicht anschließen wollen, denunziert. Noch mehr: auch das "Gedankenverbrechen" wird gesellschaftsfähig, also schon das nur Denken in einer Weise, die dem Konsens widerspricht. Hinzu kommen Tendenzen, die an überwunden geglaubte Unsäglichkeiten wie den Kampf gegen "entartete Kunst" erinnern und in der die Sprache als Waffe gegen die Bevölkerung eingesetzt werden (Stichworte "Neusprech", Änderung künstlerischer Werte, um der politischen Ideologie zu entsprechen).