Original geschrieben von: Tanit
Die Schulbildung und die Möglichkeiten die sie hier erhält ,ich glaube das wird sie in Tunesien nicht haben.


Nun, das kann man sicher so und so sehen - es hängt ganz davon ab, welchen Beruf jemand später einmal ergreifen wird, wie die persönliche Motivation zum Lernen ist ... und vor allem, in welcher Welt wir in 10 oder 20 Jahren überhaupt leben werden.

Falls eine Familie in Tunesien leben will (und es auch tatsächlich langfristig tut, also keine Sheidung etc. dazwischenkommt), ist es sicher von Vorteil, die Landessprache akzentfrei zu beherrschen und zudem die Gesellschaft und Mentalität aus langjähriger Erfahrung zu kennen. Ob dabei die Schulbildung "dort" oder "hier" besser oder schlechter ist, ist in diesem Falle gar nicht mal so maßgeblich, weil man die jeweils andere ja gar nicht aus eigener Anschauung kennt und man zudem nur mit den Schulabgängern konkurriert, die genau dieselbe Ausbildung durchlaufen haben.

Die Meinung, daß das tunesische Schulsystem mäßig ist, und zwar sowohl in fachlicher als auch erziehungspädagogischer Hinsicht, habe ich hier schon seit Jahren kundgetan, und jede neue Erfahrung die ich mache und jede neue Information, die ich erhalte, unterstützt diese Meinung nur. Der normale tunesische "Abitur"abschluß ist nicht viel mehr als ein deutscher Realschulabschluß ... obwohl auch das heutige deutsche "Abitur" manchmal nur noch mit einem Realschlulabschluß von von 20 Jahren vergleichbar ist. Schaut man auf den "PISA"-Vergleich, so liegt Tunesien so ziemlich am Ende der Liste der teilnehmenden Länder.
Allerdings ist das, wie oben schon angemerkt, ja nur dann ein Nachteil, wenn eine Konkurrenz mit Schulabgängern aus anderen Ländern bestünde - was jedoch für jemanden, der in Tunesien bleiben möchte, nicht der Fall ist.
Zudem - was ein Schüler letzlich aus der Schule mitnimmt, bestimmt zu einem großen Teil er selbst. Ist er wenig interessiert, dann hat er schon bald alles vergessen, doch ist es motiviert und hat vielfältige Interessen, dann wird er in seinen Interessengebieten leicht mit Spitzenschülern auch aus anderen Ländern konkurrieren können.

Daß die Arbeitslosenquote in Tunesien unter Akademikern höher ist, als unter An-Alphabeten, sei nur nebenbei angemerkt - mit anderen Worten: es gibt gar nicht so viele Arbeitsplätze "höherer" Qualifikation, wie dafür Schüler ausgebildet werden (und zwar inklusive öffentlicher Dienst, auf den ein Großteil auch der studentischen Ausbildung abzielt). Insofern ist die Frage der Ausbildungsqualität nicht unbedingt die Hauptfrage, die sich stellt, sondern die, ob überhaupt eine Arbeitstelle, egal wie gut die Qualifikation auch ist, gefunden werden kann.

Wie die Lage in 2, 5 oder 10 Jahren aussieht, kann heute noch nicht einmal abgeschätzt werden. Alle Zeichen deuten zwar darauf hin, daß die Massenarbeitslosigkeit anhalten wird, alle Zeichen deuten auch daraufhin, daß die Haupt-Determinanten der Gesellschaft und Mentalität mittelfristig so bleiben werden, wie sie es im Moment sind - doch im Laufe von einigen Jahren kann sich, speziell im Rahmen globalwirtschaftlicher und -gesellschaftlicher Dynamik sehr viel ändern, vielleicht zum guten, doch wahrscheinlich zum schlechten. Aber wie geschrieben - niemand kann es heute garantieren, daß der Weg so oder so verlaufen wird.

"Sicherheitsbewußter" und rationaler ist es in einer solchen Situation allerdings, sich völlig eigennützig zu verhalten und dorthin zu gehen, wo das geringere Risiko besteht - und das wäre in diesem Falle Deutschland, von dem man mit guter Wahrscheinlichkeit annehmen kann, daß es finanziell, gesellschaftlich, klimatisch und politisch zwar nicht mehr ideal, womöglich noch nicht einmal mehr gut, doch jedenfalls immer noch weit besser als andere Länder, zumal die der dritten Welt, dastehen wird.