SPIEGEL ONLINE - 01. Oktober 2003, 13:49
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http://www.spiegel.de/reise/fernweh/0,1518,267958,00.html Ferienzentrum in Tunesien
Puzzle der Zivilisationen
Das Design der Stadttore, Minarette, des Basars und der Moschee ist geklaut. Die Architekten der künstlichen Traumstadt Yasmine Hammamet an der tunesischen Mittelmeerküste ließen sich von Damaskus und Istanbul, Marrakesch und Sizilien inspirieren. Die Mammutanlage verschlang 140 Millionen Euro.
Hammamet - Der tunesische Straßenhändler hat Glück. Gleich drei der kleinen, fein säuberlich gebundenen Sträußchen kauft Nasser ihm ab. Für jedes Familienmitglied eins. Es ist ein typisches Bild in Hammamet: Männer wie Frauen schnuppern an Jasminsträußchen und genießen deren Duft. Früher, so erzählt Nasser, hätten sich die Knaben die Blüten hinters Ohr gesteckt, was als untrügliches Zeichen ihrer Heiratswilligkeit galt.
"Yasmine", wohl Synonym für Wohlbehagen und Tradition, steht nun für ein neues Ferienzentrum, das südlich von Hammamet aus dem Boden gestampft wurde. Die als Touristeneldorado für Strandurlaub am Mittelmeer apostrophierte Gartenstadt hat sich mit dem Komplex von 45 neuen Hotels selbst Konkurrenz gemacht. Die meisten haben direkten Zugang zum vier Kilometer langen Sandstrand in der paradiesischen Bucht. Vertreten ist alles, was Rang und Namen hat: Iberustar, Magic Life, Holiday Inn, Interconti, auch bedeutende einheimische Ketten wie "Hasdrubal Thalassa". Die Nobel-Herberge nahm als eine der Ersten ihren Betrieb auf und landete mit der größten Suite der Welt im Guinness-Buch der Rekorde.
2004 sollen die letzten Bauarbeiten abgeschlossen und 10.000 Arbeitsplätze entstanden sein. Schon jetzt ankern im Yachthafen mit 740 Liegeplätzen die ersten Schiffe. Neben dem Casino drängeln sich an der 1,5 Kilometer langen Promenade Geschäfte, Boutiquen, Restaurants und Terrassen-Cafes, Galerien, Beach-Clubs und Diskotheken. Doch auf dem Holzweg sind alle, die "Yasmine Hammamet" für eine Bettenburg halten.
Eine Art offenes Geschichtsbuch
Das Herz des Ferienzentrums ist die neue "Altstadt", eine pulsierende Medina, die hinter acht Meter hohen Festungsmauern zum Rendezvous mit der Vergangenheit einlädt. Stadttore, orientalischer Basar, Minarette und Moschee sind allerdings "geklaut". Eintritt gewährt die Torburg von Mahdia, Stadttor der Hauptstadt des einstigen Fatimidenreiches, das Original der "Ölbaummoschee" steht in Tunis, und das "Café des Nattes" machte Sidi Bou Said berühmt. Ob Gassen der Souks, Plätze oder Straßen, die Architekten ließen sich von der arabisch-islamischen Kulturgeschichte inspirieren. Sie kopierten Damaskus und Istanbul, Bagdad, Marrakesch und Sizilien.
140 Millionen Euro hat Abdelwaheb Ben Ayeds Lebenstraum verschlungen. Seine Traumstadt präsentiert sich als eine Art offenes Geschichtsbuch, wie ein Puzzle aus den großen Zivilisationen der Vergangenheit zusammengesetzt. Nicht nur die Bauten, auch die traditionell gekleideten Menschen der neuen Medina versetzen den Besucher in die Welt von Karl dem Großen, Harun al-Raschid und der Märchen aus 1001 Nacht. Hochzeitszeremonien im Türkischen Hammam, Kunst, Musik, Tanz und Folklore sorgen für Unterhaltung und allein zwölf Themenrestaurants mit mediterraner Küche und natürlich einheimischen Spezialitäten für das leibliche Wohl der Gäste.
Verstrickt in die Abenteuer säbelrasselnder Korsaren
Den Eingang zum integrierten Vergnügungspark "Karthago" bewachen Hannibals Elefanten, en miniature versteht sich. Ein Disney-Land, das echte Geschichte widerspiegelt. Hier lassen sich hautnah und bisweilen nass gespritzt die Schiffsreise des karthagischen Seefahrers Hanno (5. Jahrhundert vor Christus), die drei Punischen Kriege und die Welt der Göttin Tanit erleben. Im 200 Meter langen Parcours "Barbarossa" verstricken Multieffekte den Besucher in die Abenteuer der Säbel rasselnden Korsaren-Brüder Horuk und Cheireddin, der als "Rotbart" in die Geschichte einging und 1534 Tunis eroberte.
Ob blutige Schlacht oder der Zauber aus 1001 Nacht, der betörende Duft von Jasmin liegt in den Gassen der Kunststadt. Nassers Tochter ist auf dem Arm des Vaters eingeschlafen. Sie heißt übrigens Jasmin - im Arabischen haben alle Namen eine Bedeutung.
Von Cornelia Höhling, ddp