Ennahdha als gemäßigt einzustufen ist ein großer Fehler. Deren Vertreter sind Meister der Doppelzüngigkeit, außerdem tolerieren sie die Übergriffe, die es gegeben hat (keine Verurteilung, keine Stellungnahme). Da wird Psyco-M zum Partei-Kongress eingeladen, und ruft in seinem Song zum Mord am Filmregisseur Nouri Bouzid auf und wird mit "Allahu Akbar"-Rufen bejubelt, ein Mitglied der Partei verlangt in einem Video das Recht, Frauen die freizügig rumlaufen vergewaltigen zu dürfen, ein hochrangiger Mitglied nimmt am Treffen der Scharia-Befürworter teil, nur um wenige Beispiele zu nennen. Rached Ghannouchi möchte übrigens den Tourismus langfristig abschaffen und durch Landwirtschaft ersetzen, und Alkoholverkauf mittelfristig verbieten. Tolle Aussichten, oder?
Nun, wirklicher Extremismus sieht für mich anders aus - es kommt halt darauf an, wo man die Grenze ziehen will; die ziehen Europäer sicher an einer anderen Stelle als die Bewohner eines Islamischen Landes.
Anders sähe es aus, wenn diese Bestimmung aus der Verfassung Tunesiens verschwände und Tunesien ein säkulares Land würde - doch zur Zeit jedenfalls ist Tunesien ein islamisches Land und da ist es nur natürlich, wenn dort auch islamische Parteien gewählt werden. Diejenigen, die sich gegen die Nahda-Partei aussprechen, müßten konsequenterweise dafür agitieren, die islamische Religion aus der Verfassung und Politik zu beseitigen, interessanterweise aber schrecken davor viele zurück (nicht alle, es gibt durchaus Leute, die ein säkulares Tunesien wollen). Da kann man sich dann nicht wundern, daß dieser Wunsch entsprechend bedient wird - die Partei hat ja nicht deshalb 30% Zuspruch, weil sie die Bürger mit vorgehaltener Pistole dazu zwingt, nicht wahr?
EINE Diktatur hat Tunesien gestürzt, doch das Land hatte zwei, und die zweite steht zumindest im Moment nicht zur Disposition, also muß man sich damit arrangieren, oder die Mehrheit davon überzeugen, auch an deren Fundamenten zu sägen.