Original geschrieben von: Nela

Ist es in Tunesien (zumindest bisher) nicht schlichtweg gesetzlich verboten, unverheiratet zusammen zu leben?


Ja, die Gesetzeslage ist eindeutig. So lange aber niemand das Verhalten anzeigt, wird nichts passieren - obwohl, zu Repressionen kam es dennoch, in jedem Fall bis Ende 2010.

In einem mir bekannten Fall kam die Polizei zu Besuch und fand Flaschen Alkohol in der Wohnung -> Verurteilung wegen Alkoholverkaufs, in einem anderen wurde ein Pärchen mit dem Auto angehalten, man fand Alkoholflaschen im Kofferraum -> Verurteilung wegen Alkoholschmuggels. Eine Frau wurde zum Jungfernschaftstest gebeten (Jungfrau: Zusammenwohnen verboten, nicht Jungfrau -> Nutte -> tageweise erlaubt).

Es wohnen durchaus unverheiratete Männer und Frauen zusammen, das bezieht sich nicht nur auf reguläre Pärchen, sondern auch auf die Wohnungen, die Männer ihren Geliebten bezahlen. Doch das Bild der "Öffentlichkeit", speziell von der Frau, ist in den meisten Fällen nicht das beste, zuweilen kommt es Schmähungen durch ältere Frauen auf der Straße, etc. Ab und an kann man auch von der Polizei 'mal für 1-2 Nächte zu einem Verbleib in der Station eingeladen werden (wie gesagt, so war es bis Ende 2010, zur Zeit ist das Polizeielement dagegen nicht so sehr bestimmend).

Wenn man in den sogenannten "Touristenzonen" oder "Universitätsvierteln" wohnt, wie die meisten dieser Paare, dann sieht es schon besser aus - aber drüber geredet wird trotzdem und bei der Vernetzung in Tunesien besteht eine gute Chance, daß dies später als "Sünde der Vergangenheit" ans Licht gezogen wird, wenn z.B. eine Frau dann jemand anderen heiratet.
In den "Reichenvierteln" und in den "Slums", so meine Erfahrung, gibt es die geringste Diskriminierung und die geringsten Probleme, da guckt man nicht so genau hin, weil keiner frei von Tadel ist und jeder das auch weiß - außerdem: im ersten Fall schafft der Reichtum Verbundenheit und im zweiten Fall die erbärmlichen Verhältnisse.

"Verheiratet" ist etwas, das man jederzeit behaupten kann und wer Tunesien kennt, der weiß, daß die Ausstellung einer Heiratsurkunde auch schon mal ein paar Wochen dauern kann - da gibt man dann nötigenfalls an, man sei gerade erst verheiratet und hätte die Urkunde noch nicht erhalten. Ansonsten kann man, als Ausländer, auch ein beliebiges Phantasiedokument photoshoppen und dann als ausländische Heiratsurkunde vorlegen. Als praktizierender Muslim-Mann mit Kopftuch-Frau reicht es auch, eine Imam-Ehe zu behaupten, da schlägt dann der Anschein die Dokumentation.

Gefährlich wird es im Prinzip nur dann, wenn einen die Polizei auf dem Kieker hat - zum Beispiel wegen Beschwerden von Nachbarn oder der Familie (meist der Frau), da kann es dann im Extremfall auch so weit gehen, daß das Pärchen nicht nur für ein oder zwei Nächte, hinter Gittern verschwindet, sondern für Monate, oder daß die Frau vom Vater auf dem Revier abgeholt werden darf (was sich in einer rechtlichen Grauzone abspielt).

Will man sich für längere Zeit, also mehr als ein paar Wochen hinweg, oder gar dauerhaft in Tunesien aufhalten, ist die "Schein-Hochzeit"-Konstruktion nur für echte Abenteurer zu empfehlen.

Sind beide Personen Nicht-Tunesier, so gilt übrigens alles Obengesagte nicht, die dürfen untereinander zusammenwohnen, wie es ihnen Spaß macht, auch zu viert, sechst oder zehnt. Zwar gilt das Gesetz, streng genommen, auch für Ausländer, doch solange kein Tunesier beteiligt ist, schaut man im Namen der Tourismus-Freundlichkeit gar nicht erst hin (außer in einigen Hotels bei Individualtouristen, die zuweilen eine Heiratsurkunde für ein Doppelzimmer wollen, doch da: siehe Phantasiedokument oder man nimmt halt 2 Einzelzimmer).