Wenn von 480 Unternehmen 30% antworten, ist das kein gutes Zeichen - weder ist eine solche Rückmeldung representativ, noch sind alle Unternehmen überhaupt daran interessiert, mit der Handelskammer zusammenzuarbeiten.

Es kann also lediglich davon gesprochen werden, daß die Unternehmen, die in Kontakt mit der Handelskammer stehen, positiv in die Zukunft sehen.

Mir persönlich ist derzeit kein deutsches Unternehmen bekannt, daß seine Zelte in Tunesien abbrechen will, doch von den im Thema angesprochenen Streiks und hohen Lohnforderungen bei einigen, auch deutschen, Unternehmen habe ich selbst Kenntnis.

Das Problem dürfte darin bestehen ob und wie prompt die damaligen Zusagen bei der Investition auch durch die derzeitige und zukünftige Regierung eingehalten werden, wie die Gewerkschaften agieren werden (Tunesien ist durchaus für Streikfreudigkeit bekannt) und wie schnell die Infrastruktur/Logistik wieder auf die Beine kommt - denn Waren im Lager in Tunesien oder im Container im Hafen oder ein Stau beim IMport von Vorprodukten kann schon nach kurzer Zeit das Aus für eine Firma bedeuten, und ob die, selbst wenn sie die Mittel dazu hat, abwartet, oder sich zu einem anderen Land orientiert, kann bereits eine Frage des mittelfristigen Überlebens sein.
Vergessen wir auch nicht, daß einige Firmen nur durch die Verlagerung nach Tunesien überhaupt dem Konkurs in Deutschland entkommen konnten und sich einige andere hart an der Grenze der Zahlungsunfähigkeit bewegen. Es gibt durchaus gute Gründe, in Tunesien zu produzieren, doch die liegen nicht alle darin begründet, höhere Profite zu machen, sondern manchmal auch darin, die Firma überhaupt noch bestehen lassen zu können.

Was die Lohnforderungen betrifft, ist das ein schwieriges Terrain. Ich erinnere mich noch, daß vor wenigen Jahren eine Firma höhere als die ortsüblichen Lähne zahlen wollte, doch dies von der Regierung abgelehnt wurde. Die Begründung ist nachvollziehbar: steigt das Lohnniveau, leidet darunter die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, die Investitionen gehen zurück und am Ende hat die Sache mehr Schaden angerichtet, als Vorteile daraus gezogen werden konnten.
Den Firmen sollte ohnehin klar werden, daß sie nicht mehr (alle) zu den bisherigen Bedingungen weitermachen können, nicht nur der Lohn, sondern auch die Arbeitsbedingungen (Arbeitssicherheit, Arbeitszeiten, Krankheits- und Urlaubszeiten) werden zumindest auf das gesetzliche Maß angehoben werden müssen, was ja bislang eher die Ausnahme war.

Ich bin kein Freund der Lohnwucherei - im Gegenteil, ich warte noch immer auf eine günstige Gelegenheit, einige deutsche Firmen persönlich auf die Arbeitsbedingungen ihrer Subsidien in Tunesien anzusprechen, doch Lohnerhöhungen von 25%, 50% und gar 100% müssen zu einen von ALLEN Betrieben erwirtschaftet werden können (ansonsten werden die, die weniger zahlen, zumachen und die Arbeitsplätze werden dann nur zum Teil an Konkurenten verlagert werden) und auch der Staat muß die Gelder, die er seinen Bediensteten zahlt, irgendwo herschaffen.

Jetzt einmal gar nicht davon zu reden, wie hoch der Anteil der auf Pump finanzierten Wirtschaftsleistung bereits ist. Besonders die Privatverschuldung hat schon beachtliche Ausmaße erreicht und der Immobilienmarkt dürfte erst einmal auf ein tragbares Maß zurückfinden (woanders würde man sagen: die Blase platzt). Mit gutem Grund werden der Staat und die Banken in Tunesien nicht gerade mit Bestnoten bei den Rating-Agenturen geführt.

Die ausländischen Direktinvestitionen betragen nach Aussagen der tunesischen Kommission dafür vom letzten Freitag 2,5 Milliarden Dinar und haben 325.000 Arbeitsplätze geschaffen. Der Anteil dieser Firmen am Bruttosozialprodukt beträgt unter 6%.

Vor diesem Hintergrund wird weder der Abzug einier Firmen einen wesentliche Vershclechterung darstellen, noch würde eine Verstärkung der Aktivitäten eine wesentliche Verbesserung bringen.

Anstelle sich auf Direktinvestitionen (das ist ja nur ein Zauberwort, das besser klingt, als es ist) zu konzentrieren muß sich der Staat auf ganz andere Sachen besinnen, die er unabhängig steuern kann und beispielsweise die Industrieproduktion hochfahren bzw. überhaupt schaffen. Der Haken daran ist natürlich, daß die eine Hälfte der Arbeitskräfte dafür unter- und die andere dafür überqualifiziert ist.

Nachtrag: Ich hatte noch gar nicht erwähnt gehabt, daß viele, die meisten der ausländischen Firmen derzeit unter besonders günstigen Bedingungen arbeiten, da der Staat als Ausgleich für die "Wirtschaftkrise in der Welt" u.a. die Sozialleistungszahlungen verringert oder ausgesetzt hatte.

Last edited by Frogger; 30/01/2011 04:42.