Dem gegenüber steht die Erklärung der deutsch-tunesischen Handelskammer:
Die rund 300 deutschen Unternehmen in Tunesien sind bis auf eine Ausnahme von Gewalt und Plünderungen verschont geblieben. Die Geschäftsführerin der Deutsch-Tunesischen Industrie- und Handelskammer, Dagmar Ossenbrink, gibt sich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa zuversichtlich, dass sich die Lage schon bald wieder entspannt. Aktuelle Umfrage der AHK (.pdf) Hallo Uwe,
die Firmen mögen vielleicht von Plünderungen verschont geblieben sein, aber nur weil sie teilweise ihre Eingangstüren zugemauert haben und sich eine eigene Schutztruppe aufgebaut haben. Aber vor den Toren geht die Randaliererei weiter und sie hindern die Leute die arbeiten wollen. Es sind zwar nicht allzuviele Arbeitswillige - Streik ist natürlich interessanter. Sie sind aufgewiegelt und du siehst nicht was vor den Firmen teilweise abgeht.
Diese Dame von der AHK steht vor jeder Firma? Sie sieht nicht die alltägl. Probleme. Das ist nur ein statement.
Unter diesen Umständen ist eine vernünftige Wiederaufnahme der Produktionen nicht möglich. Ein Betrieb kann sich nicht jeden Tag immense Verluste leisten. Und sie wollen es auch nicht.
Tunesien Schleich hält durch
Ein schwäbischer Spielwarenhersteller ist mitten in die Umwälzungen der tunesischen Jasminrevolution geraten.
© Norbert Försterling/dpa
Als Chef eines global aufgestellten Spielwarenunternehmens darf man nicht allzu zart besaitet sein. Der Wettbewerb mit der Billigkonkurrenz aus China und anderen Ländern ist gnadenlos. Doch als Paul Kraut während des politischen Erdbebens in Tunesien in seiner Fabrik in Menzel Bouzelfa, 70 Kilometer südwestlich von Tunis, zusammen mit seinem Bruder Marc auf eilig übereinandergestapelte Paletten stieg und eine kurze Rede vor der Belegschaft hielt, hatte er einen Kloß im Hals. »Die Leute hatten glänzende Augen, filmten alles mit ihren Handys, sie weinten und lachten. Es war ein sehr emotionaler Moment.«
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Kraut ist geschäftsführender Gesellschafter der Firma Schleich in Herlikofen, einem Stadtteil von Schwäbisch-Gmünd. Weltbekannt wurde Schleich als Produzent der Schlumpf-Figuren, jener putzigen blauen Zwerge, die vor 30 Jahren in fast jedem Kinderzimmer im Regal standen. Heute fertigt das Unternehmen vor allem lebensnahe Tiernachbildungen, seit Anfang der achtziger Jahre auch in Tunesien. Die beiden Fabriken, die der Familie Kraut persönlich gehören, beschäftigen in dem Küstenörtchen Menzel Bouzelfa rund 1400 Mitarbeiter, überwiegend Frauen. Ihre Hauptaufgabe: Sie bemalen die Figuren von Hand.
Als in Tunesien die »Jasminrevolution« ausbrach, flogen die Kraut-Brüder kurz entschlossen nach Nordafrika, um in ihren Fabriken nach dem Rechten zu sehen. Unmittelbar nach Ausbruch der Unruhen am 14. Januar stand das Land am Rande der Anarchie. »Ein Teil der männlichen Mitarbeiter hat von Freitag bis Montag in der Fabrik übernachtet, um sie vor Plünderern zu schützen«, erzählt Kraut. Betriebsleiter Volker Kasten, seit 15 Jahren in Tunesien, sagt, diese Aktion sei nicht von ihm angeordnet worden. »Das haben die ganz von selbst beschlossen.« Zum Glück sei es dann ruhig geblieben.
In seiner kurzen Ansprache vor der verunsicherten Belegschaft versuchte Kraut zu beruhigen. »Ich habe den Leuten gesagt, wir bleiben hier, macht euch darum keine Sorgen. Und ihr habt auch keinen Lohnausfall.« Der Text auf der Homepage von Nataschaplast, einer der beiden Kraut-Firmen in Menzel Bouzelfa, liest sich jetzt allerdings etwas überholt. »Tunesien profitiert über seine jahrelange stabile innen- sowie außenpolitische Lage über viele Vorteile gegenüber anderen Billiglohnländern«, heißt es da. Es war die Stabilität, die über viele Jahre der autoritäre Machthaber Ben Ali erzwang.
In der Schleich-Zentrale in Herlikofen, einem Ortsteil von Schwäbisch Gmünd, wo rund 275 Mitarbeiter arbeiten, erscheinen die Ereignisse in Tunesien weit weg. Das moderne Verwaltungsgebäude der Firma am Rande der Schwäbischen Alb, inmitten einer prosperierenden Industrielandschaft, ist die Zentrale eines global agierenden Konzerns. Die Spielfiguren aus dem Hause Schleich werden in mehr als 50 Ländern vertrieben. Die Geschäfte liefen derzeit glänzend, nicht nur im deutschen Heimatmarkt, sondern auch in osteuropäischen Ländern und Russland, sagt PR-Frau Nina Horn. 50 Millionen Artikel verkaufe Schleich pro Jahr, rechnet sie vor, durchschnittlich 150.000 pro Tag. Obwohl der Spielwarenproduzent, wie viele Mittelständler, keine detaillierten Geschäftszahlen veröffentlicht, scheinen sich die Plastikfiguren zu rentieren. Seit 15 Jahren wachse Schleich meist zweistellig.
Das war nicht immer so. 1986 musste Schleich sogar Konkurs anmelden. Allzu lange hatte man auf die Nachbildung von Comicfiguren gesetzt, die aus Kino und Fernsehen bekannt waren: die Schlümpfe, die Muppets, die Peanuts, das Sandmännchen, Wum und Wendelin, die Ottifanten von Komiker Otto Waalkes. Doch dieses Geschäft erwies sich als allzu unbeständig, zu sehr von Moden und wechselnden Geschmäckern getrieben. Damals hatte Hermann Schneider, Nachfolger von Firmengründer Friedrich Schleich, das Sagen. Er war es auch, der Teile der Produktion nach China, Portugal und Tunesien verlagerte.
Der Schlumpf-Nachschub ist gesichert
Einer neuen Führungsmannschaft gelang es, das Ruder herumzureißen; es war ein Team, zu dem auch der langjährige Schleich-Geschäftspartner Paul Kraut Senior gehörte, der Vater des heutigen Chefs. Der Preis für den Neubeginn war ein deutlicher Personalabbau. Eine Katastrophe für das kleine Herlikofen. Das Geschäft mit den Comicfiguren wurde, bis auf die Schlümpfe, gestrichen. Stattdessen fertigte man nun Plastikteile für den Modelleisenbahnbauer Märklin, den Gartengerätehersteller Gardena oder den Dessousproduzenten Triumph.
Es dauerte noch ein wenig bis zur wirklich rettenden Produktidee: naturgetreu modellierte, handbemalte und außergewöhnlich lebensechte Tierfiguren aus Plastik, die Kinder und Sammler gleichermaßen ansprechen würden. Mit diesem Geschäft gelang der Durchbruch. Spezialisten in Herlikofen fertigten Entwürfe und Prototypen; und bevor es in die Massenfertigung geht, werden die Tierrepliken von Zoologen und Tierzuchtexperten auf Detailgenauigkeit geprüft. Bis auf das Spritzen der Kunststoffrohlinge in Spezialmaschinen gibt es bei Schleich nur Handarbeit, die meist in Billiglohnländern geleistet wird. Schleich-Figuren sind vergleichsweise teuer. »Wir haben uns als Premium-Anbieter fest etabliert«, sagt PR-Frau Nina Horn. Seit 2006 hält der britische Finanzinvestor HgCapital die Mehrheit der Firmenanteile.
Der aktuelle Katalog präsentiert rund 470 Artikel vom afrikanischen Elefantenbullen bis zum Mops. Schlümpfe machen nur noch einen kleinen Teil des Programms aus. Immerhin kommen in diesem Jahr, passend zu dem im August anlaufenden 3-D-Schlümpfe-Film ein halbes Dutzend neuer Zwerg-Kreationen heraus, etwa »Papa Schlumpf mit Tasche« oder »Schlumpfine, verträumt«.
Und natürlich ist das auf den ersten Blick ein befremdlicher Gegensatz. Die Geschichten von den niedlichen Zwergen scheinen so gar nicht zu dem zu passen, was sich in Tunesien abspielt. Ohnehin ist die Produktion in einem autoritär regierten Land immer eine Gratwanderung, vor allem für einen Spielwarenproduzenten: Kritiker können immer sagen, dass man indirekt von der harten Hand eines Machthabers profitiert habe, der Islamisten und Terroristen in Schach hielt. An der allgegenwärtigen Korruption in Tunesien habe man sich nicht beteiligt, versichert Kasten. Als erste Spielwarenmanufakturen in Afrika wurden die tunesischen Fabriken 2010 vom International Council of Toy Industries (ICTI) für sichere und humane Arbeitsbedingungen zertifiziert.
Die Stimmung in den tunesischen Schleich-Fabriken sei immer sehr gut gewesen, erinnert sich die gelernte Keramikmalerin Rita Dessol, die seit 27 Jahren bei Schleich arbeitet und den neu entwickelten Figuren ihr erstes farbiges Kleid verpasst. 2009 hat sie zum letzten Mal die Betriebe in Menzel Bouzelfa besucht. Aufgefallen ist Rita Dessol, dass die Zahl der Kopftuchträgerinnen enorm zugenommen habe.
Kraut gibt sich optimistisch. »Tunesien wird seinen Weg finden. Der wird bestimmt nicht so sein, wie wir uns das idealerweise vorstellen, sondern anders, eben tunesisch. Aber es wird einen guten Weg geben.« Was ihn freut: Schon fünf Tage nach dem Umsturz wurden wieder fünf Container mit Schleich-Figuren nach Deutschland verschifft.
Mitarbeit: Gero von Randow
Quelle:
http://www.zeit.de/2011/05/Spielwarenhersteller-Schleich?pag... Das passt doch gut und diese Firma ist nicht in Tunis.
Claudia