"Wir verlassen das Land und Tunis wird in Flammen aufgehen"
"Sie werden uns darum bitten, die Sache wieder in die Hand zu nehmen" - ein Regierungsberater Ben Alis erzählt Le Monde Interna aus dem Kreis der geschassten Führung
Die französische Tageszeitung Le Monde hat mit einem Regierungsberater Ben Alis gesprochen. Die Interna aus Krisenbesprechungen und Zukunftsvisionen, die im Kreise der abgesetzten tunesischen Herrscher-Clique nach seinen Angaben geäußert wurden, sind zynisch und bizarr. Etwa, wenn es um den Plan der raffigierigen Trabelsis, den Familienangehörigen seiner zweiten Ehefrau, geht, seine Frau Leila Trabelsi als Herrscherin einzusetzen. Auch bei diesem Plan wird mit Millionengrößen gespielt (siehe Familie Ben Ali mit 1,5 Tonnen Gold geflüchtet).
Dass Leila bei der Bevölkerung unbeliebt war, spielte offensichtlich keine Rolle im Kalkül der Brüder Trabelsi. Die Regierungspartei wäre leicht zu instrumentalisieren gewesen und ebenso leicht eine monströse Demonstration mit einer Millionen Menschen zugunsten ihrer Kandidatur, so gibt der Mann namens Zyed die politischen Visionen wieder, die dem von der Bevölkerung abgesonderten, üppigen Lifestyle der Trabelsis entsprossen. Nach allem, was sonst so von der Familie zu erfahren ist (auf Deutsch etwa hier), spricht einiges dafür, dass der Regierungsberater nicht übertreibt.
Politisch brisanter sind seine anderen Enthüllungen. Sie zeigen eine Führungsclique, die zynisch auf die Selbstverbrennung von Muhammed Bouazizi reagiert. "Soll er doch abkratzen", äußerte demnach Ben Ali gleichgültig. Ein paar Tage später inszenierte er vor der Presse beim Krankenhausbesuch ein ganz anderes Bild (siehe Tunesien im Aufruhr).
Wenn solche Inszenierungen aufgingen, herrschte große Freude in der Familie, zum Beispiel als die französische Ministerin Michèle Alliot-Marie Hilfe anbot, um die innenpolitische Sicherheit wieder herzustellen. In ihren Worten: Frankreich hat das nötige Know-How, um Situationen, die mit der Sicherheit zu tun haben, zu regeln.
Die Äußerung wurde als Beweis dafür gefeiert, dass das Konzept, die Unruhen als Werk extremistischer Gruppen, die mit dem Terrorismus in Verbindung stehen, darzustellen, aufgeht. Auch den Amerikanern gegenüber versuchte man, nach diesen Angaben, mit der Islamistenkarte zu spielen; Kasserine, wo die Demonstrationen besonders brutal niedergeschlagen wurden, schilderte die tunesische Führung als "Heimstätte von Islamisten".
Aus dem letzten Krisentreffen der Führung zitiert der Regierungsberater eine Aussage von Ben Alis Sicherheitschef Ali Seriati (mittlerweile verhaftet), der, so heißt es, vorausgesehen habe, dass die Armee, "Söhne von Bastarden", sich mit der Bevölkerung verbrüdern würden. Weswegen man für den Fall des Falles Gegenmaßnahmen getroffen habe:
"Vielleicht müssen wir das Land verlassen, aber wir werden Tunis in Flammen aufgehen lassen: ich habe 800 Männer, die bereit sind, sich zu opfern. In zwei Wochen werden uns die selben Leute, die demonstrieren, auf Knien darum bitten, die Sache wieder in die Hand zu nehmen."