TunesienGefängnisbrand in Touristen-Stadt
Samstag 15.01.2011, 13:21

Tunesien droht im Chaos zu versinken. Nach der Flucht des Staatschefs versucht das Militär, Tunis mit Panzern zu beruhigen. In der Touristen-Hochburg Monastir kamen Dutzende Menschen bei einem Gefängnisbrand ums Leben. Deutsche Urlauber werden heimgeholt.
In dem tunesischen Küstenort Monastir steht ein Gefängnis in Flammen. Nach Angaben von Ärzten kamen bis zu 50 Menschen ums Leben. Nach ersten Erkenntnissen hatten Häftlinge ihre Matratzen in Brand gesteckt. Die Flammen griffen dann schnell auf das gesamte Gebäude über. Als die Sträflinge zu fliehen versuchten, eröffneten Wärter nach Augenzeugenberichten das Feuer. Mehrere Häftlinge seien an Schusswunden gestorben, andere verbrannt.

Monastir ist ein beliebtes Ziel für Touristen. Der Reiseveranstalter Thomas Cook hatte am Freitag die ersten 230 Urlauber aus Tunesien zurückgeholt. Sie landeten in Berlin, Düsseldorf und Wien. Die anderen 1800 Thomas-Cook-Urlauber sollen mit acht Sonderflügen am Samstag von Monastir und Djerba aus starten. Sie wurden am späten Nachmittag und Abend in Berlin, Frankfurt am Main, München und Stuttgart erwartet. Auch TUI begann, alle Urlauber nach Deutschland heimzuholen.

In Tunis wurde am Samstag ein massives Militäraufgebot aufgefahren. Hunderte Soldaten errichteten in der Innenstadt Sperren und blockierten mit Panzern den Zugang zur zentralen Straße, der Bourgiba Avenue. Dort hatten am Freitag schwere Unruhen getobt.

Marodierende Banden zogen nach Angaben von Einwohnern durch die Stadt, setzten Gebäude in Brand, plünderten und griffen Menschen an. Auch der Bahnhof der Stadt stand nach Medienberichten in Flammen. Ein Armeehubschrauber kreiste über den Straßen, die mit den Trümmern der Ausschreitungen übersät sind.
dapd Plünderer stellen die Villa von Belhassen Trabelsi, dem Schwager des Ex-Präsidenten Ben Ali, auf den Kopf
Ex-Präsident Ben Ali hatte vor seiner Flucht nach Saudi-Arabien den Ausnahmezustand verhängt und die Macht Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi übertragen. Am Samstag ernannte der Verfassungsrat nun Foued Mbazaa zum Interimspräsidenten. Der 77-Jährige soll binnen zwei Monaten Neuwahlen vorbereiten.

Oppositionspolitiker hatten die vorherige Ernennung Ghannouchis zum Interimspräsidenten als verfassungswidrig kritisiert. Ghannouchi drängt auf Dauer an die Macht. Er traf sich in Tunis mit Vertretern der Opposition, um ein neues Regierungsbündnis zu bilden. Unklar ist allerdings, ob die aufgebrachten Massen, die gegen Armut, Arbeitslosigkeit und Unterdrückung protestieren, ihn akzeptieren werden. Ghannouchi ist seit 1999 Ministerpräsident und eng mit dem Unterdrücker-Regime Ben Alis verbunden.

Mit Metallstangen gegen Plünderer

In den Arbeitervierteln am Rande von Tunis bewaffneten sich Anwohner mit Metallstangen und Messern, um Plünderer abzuwehren. In einem Telefon-Interview mit dem tunesischen Fernsehen hatte Ghannouchi versprochen, alles zu tun, um die Ordnung wiederherzustellen. Der Samstag werde ein entscheidender Tag sein, kündigte er mit Blick auf seine Gespräche mit der Opposition an. „Ich werde Vertreter der Parteien treffen, um eine Regierung zu bilden, die hoffentlich alle Erwartungen erfüllen wird“, sagte er.

Die Demonstranten kündigten jedoch Widerstand gegen die Machthaber der alten Elite an. Sie wollen „den zivilen Ungehorsam fortsetzen, bis das Regime fort ist“, sagte ein Demonstrant, dessen Bruder unter den Dutzenden Todesopfern der Proteste ist. „Die Straße hat gesprochen.“

Die Gewalt auf den Straßen von Tunis und die rasche Abfolge der Ereignisse versetzt die arabische Welt in Aufregung. Zahlreiche autokratische Herrscher verteidigen dort zwar seit langem ihre Macht, geraten aber zunehmend unter Druck durch eine protestierende Jugend, wirtschaftliche Probleme und militanten Islamismus. Der Westen hält sich zurück, weil diese Machthaber als Bollwerk gegen den Islamismus gelten.
flf/dpa/dapd/Reuters/AFP

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