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Re: Zeitzeuge:Unruhen in Tunesien nach Selbstmord in #sidibouzid
[Re: Batall_DJE]
#341130
12/01/2011 11:06
12/01/2011 11:06
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lotfi59872
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Tunesien revoltiert
[Druckversion] Thema: Afrika, Arbeitskämpfe, veröffentlicht: 12.01.2011
Massenproteste in Kasserine, Sidi Bouzid und Tunis - Ben Ali hängt in der Luft
Der Tod von Mohamed Bouazizi, der sich aus Protest gegen Armut und Arbeitslosigkeit in der zentraltunesischen Stadt Sidi Bouzid angezündet hatte, hat eine unvergleichliche Schockwelle der Proteste ausgelöst. In allen größeren Städten gingen in den letzten Wochen wütende Menschen auf die Straße, um gegen die Perspektivlosigkeit der Jugend zu protestieren. Die brutale Antwort des Regimes von Präsident Ben Ali zeigte den Menschen die weitere politische Agenda auf: Aus den sozialen Protesten sind politische geworden.
von S.R.
In den letzten Tagen sind möglicherweise bis zu 50 Menschen getötet worden. Doch die tunesischen Jugendlichen und Arbeiter haben ihre Angst längst aufgegeben. Zu jeder Beerdigung eines von der Polizei ermordeten kommen mehr Menschen, deren Wut ins unermessliche gestiegen ist. Das Internet, das AktivistInnen nutzen, um die Mediensperre zu umgehen, ist voll von Videos brennender Polizeistationen und -autos, geplünderten Parteibüros und abgerissenen Präsidentenporträts, die in dem nordafrikanischen Land an allen Ecken und Enden hängen.
Die Menschen begreifen instinktiv, dass der Staat, indem er Stärke zeigt, seine Schwäche beweist. In einer Rede an „seine Bürger“ beschimpfte Präsident Ben Ali die Demonstranten als „feindliche Elemente, die ihre Seele dem Extremismus und Terrorismus verkauft haben, und von ausserhalb des Landes gesteuert werden“.
Gleichzeitig aber versprach er, 300.000 neue Jobs zu schaffen – ein Zugeständnis, das durch die Weite zeigt, wie sehr das Regime in die Ecke gedrängt ist, und gleichzeitig so maßlos unrealistisch ist, dass niemand einen Pfifferling darauf geben wird.
Längst sind es nicht mehr nur die arbeitslosen Jugendlichen die aufbegehren. Nachdem eine Versammlung von Rechtsanwälten von der Polizei gesprengt wurde und die Teilnehmenden zum Teil gefoltert wurden gab es eine große Welle der Solidarität mit den kämpferischen Anwälten, die stolz in ihren Talaren demonstrierten. Auch die Lehrergewerkschaft des Dachverbandes UGTT hatte ihre Mitglieder letzte Woche zum Streik aufgerufen, und in einigen Städten gab es regionale Generalstreiks, an dem sich auch das traditionell sehr große Kleinbürgertum massenhaft beteiligte.
Blutiger Höhepunkt der Protestwelle war das letzte Wochenende. In Kasserine schossen Scharfschützen der Polizei auf eine Demonstration, es ist von mindestens 20 Toten die Rede. In einem sehr verstörenden Videoaus einem Krankenhaus in Kasserine ist das Leid der Verletzten und der Angehörigen ebenso wie die tödlichen Verletzungen der Erschossenen dokumentiert.
Die Beerdigung der Toten vom Vortag wurden wieder zu einer Demonstration der Wut, und wieder schoss die Polizei in die Menge, wieder gab es mehr als 10 Tote.
Angesichts dieser Gewaltorgien können endlich auch die westlichen Medien nicht mehr wegschauen. Oft genug werden bei den Berichten aber die Grenzen guten Geschmacks überschritten, wenn einfach die Verlautbarungen der tunesischen Polizei oder Ben Alis wiedergegeben werden, wie in etlichen Agenturmeldungen erfolgt. Wie kommt zum Beispiel SPIEGEL ONLINE, die in ihren Artikeln sonst keine Scheu haben, politisch zu werten, Ben Alis Regime als „Diktaturähnlich“ zu bezeichnen? Wie viele Tote fehlen Ben Ali denn noch um das „ähnlich“ zu verlieren?
Hintergrund des wochenlangen Fischgesangs und der teilweise unausgewogenen Medienberichten ist, dass Ben Alis Tunesien als Musterschüler des Westens gilt. Brav folgte er in den 80ern und 90ern den Privatisierungs- und Liberalisierungsdiktaten von IWF und Weltbank, unterdrückte jegliche Formen von politischem Islam (und dabei auch gleich Gewerkschaften und Oppositionsparteien mit), und lockte große Investoren aus Europa mit hochqualifizierten und niedrig bezahlten Fachkräften sowie einem für nordafrikanische Verhältnisse großem Markt. Tunesien genoss in den letzten Jahren teilweise sehr gute Wirtschaftswachstumsraten von bis zu 8 Prozent - die kamen aber vor allem Ben Ali und seiner berüchtigten Familie zugute. Der Reichtum und die Korruption an der politischen Spitze des Landes sind so abstrus, dass sogar ein US-amerikanischer Botschafter die Nase rümpfte und von einer „Quasi-Mafia“ sprach ().
Doch die Tage von Ben Ali und seinem Clan scheinen gezählt. Der Gewerkschaftsdachverband UGTT hat einen Generalstreik beschlossen, das Datum ist noch unklar, und es gibt Gerüchte, dass Teile des Militärs, die in die Krisengebiete geschickt wurden um die Polizei zu unterstützen, ihre Waffen umgedreht haben und Demonstationen geschützt haben. Wenn das stimmen sollte scheint es nur eine Frage der Zeit, bis das Regime fällt. Die Frage ist, was danach kommt. Durch die jahrzehntelange politische Unterdrückung gibt es kaum politische Strukturen, welche die Bewegung anführen könnten, geschweige denn die Regierungsgewalt übernehmen. Es gibt keine linke, geschweige denn revolutionäre Partei mit Massenbasis. Auch scheint es keine Alternativstrukturen zum bürgerlichen Staatsapparat wie Streik- oder Selbstverteidungskomitees zu geben. Ein wenig Hoffnung gibt die UGGT. Diese ist zwar von Geheimpolizei und korrupten Bürokraten durchsetzt, ihre Klassennatur bleibt aber sehr deutlich, wenn Demonstranten sich in ihren Gewerkschaftshäusern sammeln, sie regionale Streiks oder gar einen Generalstreik ausrufen muss.
Der Funke, den Mohamed Bouazizi schlug, hat nicht nur die tunesische Arbeiterklasse entzündet, das Feuer breitet sich auch auf andere Länder im Maghreb aus. In Algerien und in Marokko gibt es ebenfalls heftige Straßenkämpfe zwischen Jugendlichen und Polizisten, wo der Damm ebenfalls gebrochen scheint (siehe Bericht auf socialistworld.net). Die ruhigen Tage, in denen korrupte Machthaber unter Wohlwollen des europäischem Kapitals den Reichtum des Landes unbehelligt unter sich verteilen konnten, scheinen um zu sein. Entscheidend für den Ausgang dieser Kämpfe ist die Vernetzung untereinander – und die Bildung einer Massenpartei der Arbeiterklasse im Maghreb.
meines wissens nach (durch die recherche der presse )gibt es keinen geeigneten "anwärter "auf dem stuhl des präsidenten , für eine zeit "danach ! ben ali hätte, wenn es keine revolten gegeben hätte , einen sohn auf den thron "gehievt " ! quellen sagen , ben ali und seine familie bereitet sich vor, das land zu verlassen, ein flugzeug soll für alle eventualität bereit stehen !
liebe grüsse lotfi
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Re: Zeitzeuge:Unruhen in Tunesien nach Selbstmord in #sidibouzid
[Re: Cheker]
#341133
12/01/2011 11:16
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Re: Zeitzeuge:Unruhen in Tunesien nach Selbstmord in #sidibouzid
[Re: Batall_DJE]
#341147
12/01/2011 13:20
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Das ist 1 Stadt in TN, oder lass es 2 oder 5 sein.
Solange es keinen Plan, keine Organisation und keinen adäquaten Ersatz gibt, und die Bevölkerung sich nicht einig ist, ... ... solange ist es zum Scheitern verurteilt und zieht nur Repressalien nach sich.
Liebe Grüsse. Ja, ich stimme Dir zu. Es sieht so aus, als ob es sich um einen eher anarchistischen Aufstand handelt, bestehend aus mehreren Gruppen mit den verschiedensten Ideen und Idealen, die derzeit nur das nächste Ziel, die Beseitigung der momentanen Autorität, eint. Was danach kommt, darüber machen sich viele überhaupt keine Gedanken, bei einigen Videos hat man gar den Eindruck, daß viele Beteiligten die Vorgänge für ein Abenteuer halten und von der Atmosphäre mitgerissen werden (so etwas ist auch aus Krawallen in Deutschland bekannt). Viele Blogger hingegen sitzen zuhause und schwadronieren von hehren Idealen, während die Opposition weder die Kontrolle über die Straße, noch über die Blogger, dafür aber Kontakte zu Politik und Wirtschaft hat. Dann mischen dort dort noch untereinander zerstrittene Gewerkschaften, teils marxistische, mit und als I-Tüpfelchen weniger und mehr Radikale aus Religionskreisen. Eines ist der Aufstand in Tunesien derzeit ganz sicher nicht: ein vereinter Kampf für Demokratie und Menschenrechte. Wenn der Aufstand jetzt Erfolg hat, und das ist gut möglich, wird das nichts an der wirtschaftlichen Lage Tunesiens ändern - ganz im Gegenteil, denn erst einmal müssen die Schäden bezahlt, Finanzen entflechtet und Beziehungen repariert werden und wenn die erhofften positiven Änderungen nicht eintreten, dann wird den nächsten Aufstand geben. Nächster Punkt ist der Polizeiapparat - der wird bestehen bleiben, oder will man jeden Polizisten durch jemand anderen ersetzen? Wie will man in kurzer Zeit eine Administration, die in mehr als 20 Jahren gewachsen ist, beseitigen oder ändern - gnaz von der Mentalität abgesehen, die einen wesentlichen Teil des Verhaltens bestimmte (Bossgehabe, Abschiebung von Verantwortung, etc.) und erst einmal weiterleben wird. Werden sich die, die jetzt ihrem Ärger Luft machen, das bieten lassen? Wird der Nachbar dem anderen Nachbarn trauen, wenn der Polizist oder Informant gewesen ist? Wird eine Welle der Denunzierung einsetzen? Die sachgerechteste Lösung dürfte wohl so etwas sein, wie Ersatz des Regimes durch eines, das Änderungen auf den Weg bringt, aber noch aus der alten Garde stammt, danach freie Wahlen mit schrittweiser Demokratie und Öffnung der Gesellschaft. Das Problem ist - ich sehe einen solchen Weg nicht, ich sehe es auch nicht, daß alle liberalen und weltoffenen Oppositonspolitiker ihre Vorstellung von einer Wandlung durchsetzen können, denn das würde eine zeitlang dauern und hieße, erst einmal in eine Talsohle hinabzusteigen. Diejenigen, die heute demonstrieren, wollen aber Änderungen sofort, die Blogger wollen Demokrtaie sofort und die Opposition will Einfluß sofort, etc. etc. Ich glaube daß Tunesien eine harte Zeit, speziell ökonomisch, bevorsteht und ich glaube nicht daran, daß es "Demokratie" und "Freiheit" in nahe absehbarer Zeit geben wird, ganz egal, wie dieser Aufstand nun ausgeht. Zudem wird die Zukunft Tunesiens auch davon abhängen, was weiterhin in den angrenzenden Ländern geschehen wird, ob sich Aufstände nach Algerien ausbreiten, wie dort darauf reagiert wird, ob Libyen Einfluß auf den Süden Tunesiens zu gewinnen sucht und wie sich die Großinvestoren von der arabischen Halbinsel verhalten werden. Auf der anderen Seite ist Tunesien ein Land von 11 Millionen Einwohnern plus 1 Million Auslandstunesiern, es hat keine Ressourcen und keine Forschung und Wissenschaft. Das Land wird daher niemals eine Top-Priorität auf der politischen Landkarte der Großmächte oder der ökonomischen Landkarte des Großkapitals einnehmen - einmal ganz davon abgesehen, daß sich Europa und die USA selbst in den kommenden Jahren mit ähnlichen Problemen konfrontiert sehen wird. Womöglich ist Tunesien da schon eine Art Lehrstück, das man aufmerksam beobachten sollte...
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Re: Zeitzeuge:Unruhen in Tunesien nach Selbstmord in #sidibouzid
[Re: magic_gsm]
#341152
12/01/2011 13:25
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Hallo ihr Lieben, kurze Frage: wo soll es denn hingehn, nach ben Ali? Hoffe auf ernsthafte Vorschläge und nicht nur, es gibt Leute. Was gibt es denn an konkreten Programmen? Keine, denn die Opposition wurde von den Geschehnissen kalt erwischt und hat zur ihrer Befeuerung nicht beigetragen gehabt. Es begann als ein Wutaufstand, wurde dann verschärft durch das Vorgehen der Polizei und gegenwärtig laufen alle dem Bus hinterher, der gerade um die nächste Ecke verschwindet, in der Hoffnung, noch aufspringen oder gar das Steuer übernehmen zu können.
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Re: Zeitzeuge:Unruhen in Tunesien nach Selbstmord in #sidibouzid
[Re: Alina 7ayati]
#341157
12/01/2011 13:42
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Re: Zeitzeuge:Unruhen in Tunesien nach Selbstmord in #sidibouzid
[Re: Alina 7ayati]
#341162
12/01/2011 13:54
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aaaaa
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Tunisia
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also ich komme gerade aus dem Carrefour. Die Leute machen Hamsterkauf wie jeck, alle mit 50l Wasser und 30l Milch usw. in den EInkaufswägen. DIe ANgestellten haben Angst nicht mehr nach Hause zu kommen. Die Schmuckläden haben ihre Warenbestände in Sicherheit gebracht udn sind verammelt. Auf den Straßen ist alles normal. Bißchen weniger los als sonst aber ausser den riesigen Pfützen keine Probleme... Quelle: Meine Augen! Im Radio Mosaique hat ein alter Mann eben heißblütig Reden geschwungen, wie schlimm es damals alles war, als die Franzosen noch hier waren und warum die Menschen sich denn bitte aufregen, wo doch alles viel besser ist als damals. Der erste Mann sei aus dem Volk und arbeite für das Volk und sei gut. Wem gehörte nochmal dieser Radiosender? In RTCI haben sie den ganzen Morgen engl. subtile Rev.lieder. gespielt Cranberries, Queen usw. wenn man da mal die Texte hört  Hat sich jemand ganz schön Mühe gegeben unauffällige Unterstützung zusammen zu stellen  Gestern Abend hatten sie auch schon so ein Programm aber mit arab. Liedern...
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