Feuerquallen - was tun, wenn's brennt ?
von Wolf Wichmann

Feuerquallen gab es im Sommer früh und reichlich in der Ostsee. Im Juli brachte die "Invasion sogar Badeverbote in der Kieler Förde ein. Dabei sind diese Tiere hier nicht einmal zu Hause.

Die orangeroten "Glibbertiere", die Urlauber und Anwohner der schleswig-holsteinischen Ostseeküste im Laufe eines gewöhnlichen Sommers eher vereinzelt zu Gesicht bekommen, sorgten in diesem Jahr schon Anfang Juli für Schlagzeilen in den Zeitungen.
Zu Tausenden tauchten sie in der Flensburger und Kieler Förde auf, verscheuchten die Badegäste im Bereich Schilksee und Kiel-Falckenstein an die Strände und sorgten für Tränen bei kleinen Kindern. Die Behörden reagierten angemessen. Das Gesundheitsamt Kiel informierte die Öffentlichkeit durch Aushänge an den betroffenen Badestellen über die Situation und Sofortmaßnahmen bei Vernesselungen.

Orangerot bis gelblich-braun schimmert die Schirmglocke im Wasser, die in der Nordsee bis zu 45 Zentimeter im Durchmesser erreichen kann. Darunter wallt ein dichter, pulsierender Vorhang aus kurzen Mund- und bis zu drei Meter langen, nesselnden Fangarmen.

Der englische Name für die Feuerqualle des Nordens ist "Lion's mane" – die Löwenmähne – und charakterisiert ihre Erscheinung sehr treffend.

Ihr richtiger Name ist eigentlich "Gelbe Haarqualle" oder Cyanea capillata, auch Cyanea arctica als größere Variante des offenen Nordatlantik. Cyanea capillata, C.arctica und ihre Schwester, die "Blaue Haarqualle" Cyanea lamarckii sind sie die einzigen spürbar nesselnden Quallenarten, die in den kalten Gewässern des Nordens zu Hause sind.

Heimisch sind diese Quallenarten allerdings nur im Meerwasser. Im Brackwasser der offenen Ostsee und der schleswig-holsteinischen Förden fühlen sich allenfalls die harmlosen Ohrenquallen Aurelia aurita so ausreichend wohl, dass sie auch hier in großen Mengen auftreten können.

Die Gelbe Haarqualle trifft man in der westlichen Ostsee für gewöhnlich nur vereinzelt an. Sie wird zusammen mit dem salzhaltigen Wasser, das aus Nordsee und Nordatlantik als Tiefenströmung durch die Meerenge von Skagerrak und Kattegat in das Ostseebecken einfließt, mitgetragen.

Bis in die südwestliche und mittlere Ostsee hinein kann die Feuerqualle verdriftet werden, sie vermehrt sich aber in diesem für sie ungünstigen Lebensmilieu nicht. Masseninvasionen von Cyanea capillata in die Ostsee bilden hingegen die Ausnahme.

In einem Zeitraum von zehn Jahren kommt es vielleicht zwei- bis drei Mal zu einen solchen Ereignis, wenn langanhaltender, starker Westwind im Frühsommer ungewöhnlich viel Salzwasser in die Ostsee drückt.

In diesen Fällen werden auch entsprechend viele Organismen aus der Nordsee mitgenommen. Bei dem gewöhnlich guten Nahrungsangebot in der Wassersäule der Ostsee entwickeln sich auch die Haarquallen rasch zu respektabler Größe. Wind und Strömung treiben sie anschließend auf dem engen Raum der Buchten und Förden zusammen.

Für Bewohner und Gäste der Nordseeinseln ist das massenhafte Auftreten der Gelben- und Blauen Haarqualle allerdings nichts Ungewöhnliches. Fast in jedem Sommer belagern sie für einige Zeit zwischen Juli und August die strandnahen Bereiche der offenen Nordseeküsten von Sylt, Norderney, Amrum oder Juist.

Die Weststrände der Urlaubsinsel Sylt hatten Mitte Juli bereits einen Quallenhöhepunkt. Für kurze Zeit war der Strand mit etwa zehn Nesselquallen pro Meter geradezu gepflastert. Ein strammer Südwind trieb die ungebetenen Gäste aber bald wieder auf die offene See hinaus und so wurde dieses Ereignis auch von den Medien kaum registriert.

Die Situation kann sich noch bis Ende August mehrfach wiederholen. Im Gegensatz zur Ostsee gedeiht neben der Blauen- auch die Gelbe Haarqualle in dem salzhaltigen, tieferen Wasser der Nordsee hervorragend.

Das reichlich vorhandene Plankton, das nicht zuletzt wegen der übermäßigen Nährstoffeinträge von Land und aus der Atmosphäre ausgezeichnete Wachstumsbedingungen hat, bietet den Quallen die notwendige Nahrungsgrundlage.

Scheinbar paradoxerweise werden die Nesselquallen der Nordsee nicht durch den Westwind an die Strände gespült. In diesem Fall ist es der ablandige Ostwind, der die ungebetenen Gäste bringt: Wind aus Osten treibt das warme Oberflächenwasser in Richtung offenes Meer ab.

Feuerquallen - was tun, wenn's brennt ? [2]
von Wolf Wichmann

Quallenmedusen gibt es nur im Sommer. Sie sterben nach der Eiabgabe im Herbst. Ihr Lebenszykus hat sich der Planktonentwicklung im Rythmus der Jahreszeiten, dem Einfluss von Licht und Wärme angepasst.

Kühles Wasser aus den tieferen Bereichen strömt nach, steigt in Küstennähe nach oben und "liefert" die mit geführten Quallen in Strandnähe ab. Dort werden sie von den Brandungswellen erfasst und auf dem Sand abgesetzt.

Wie viele Arten der so genannten Niederen Meerestiere durchlaufen auch Quallen verschiedene Entwicklungsstadien, bis sie die Form und Lebensweise angenommen haben, unter der wir sie als Quallen erkennen. In diesem Stadium erst, dem frei schwimmenden so genannten "Medusenstadium", sind sie erwachsen und in der Lage, sich geschlechtlich fortzupflanzen.

Aus den Eiern schlüpfen gegen Ende des Sommers zunächst frei schwimmende kleine Larven, die nach geraumer Zeit ihre äußere Gestalt verändern und sich auf einer festen Unterlage am Meersboden festsetzen. Als sessile Polypen überwintern sie dort.

Sobald die Temperaturen im Frühjahr ansteigen, beginnt ein Umwandlungsprozess: der baumförmige Polyp beginnt nun, sich mehrfach um die Taille herum einzuschnüren und nimmt langsam die Form eines Stapels von Tellern an.

Jeder Polyp schnürt sich insgesamt bis zu 25 Mal ein. Oberhalb jeder Einschnürung löst sich schließlich eine zunächst scheibenförmige Meduse ins freie Wasser ab, aus der sich dann endgültig eine geschlechtliche Qualle entwickeln.

Gelbe Cyanea capillata, C.arctica und Blaue Haarqualle Cyanea lamarckii gehören zu den Fahnenquallen (Semaeostomae) unter denen es viele stark nesselnde Arten gibt. Die Nordatlantikform der Gelben Haarqualle Cyanea arctica erreicht einen Scheibendurchmesser von bis zu 2,5 Metern.

Ihre Tentakel können bis zu 30 Meter lang werden, während die Nordseeform Cyanea capillata einen Scheibendruchmesser von 45 Zentimeter in der Regel nicht überschreitet und Fäden von "nur" höchstens drei Metern Länge hinter sich her zieht.

Die Blaue Haarqualle Cyanea lamarckii bleibt mit 35 Zentimetern Schirmdurchmesser und einem Meter Fadenlänge hinter ihren Schwestern zurück.

Bei einer "Invasion" von nesselnden Quallen, ganz gleich ob am Mittelmeer, an Nord- oder Ostsee, wird grundsätzlich vor dem Baden gewarnt. Die Strände sind wenn nötig gesperrt, entsprechende Hinweise meist vorhanden.

Häufig werden Schwimmer und Badende jedoch Opfer einzelner Nesselquallen in der Brandung oder abgerissener Nesselfäden, die kaum sichtbar im freien Wasser schweben. Oft bleiben einzelne Tentakel nämlich an treibenden Hindernissen im Wasser, etwa Algen oder anderem Treibgut hängen und reißen ab.

Motorboote zerschlagen die Tiere mit ihren Schrauben und verteilen auf diese Weise viele kleine Stücke noch aktiver Fäden über weite Bereiche. Auch die Fangfäden von am Strand liegenden, bereits vertrockneten Nesselquallen können noch Tage lang aktive Nesselzellen tragen.

Viele Meerestiere verwenden Nesselzellen, um ihre Beute zu fangen, zu betäuben oder zu töten. Zum Stamm der Nesseltiere (Cnidaria) gehören neben verschiedenen Arten von Quallen auch die Hydrozoen (Hydrozoa) und die Blumentiere (Anthozoa), wie Korallen (Octo- und Hexacorallia), Steinkorallen (Acropora und andere), Seefedern (Fam. Virgulariidae und Pteroeidae) sowie verschiedene Arten von Seeanemonen (Alicia und andere).

Nesselzellen sind sehr empfindlich. Sie "explodieren" oft schon bei leichter Berührung des Flagellums, eines stachelartigen äußeren Fortsatzes. Dabei wird der Druck in der Nesselkapsel, einer speziellen Kammer innerhalb der Nesselzelle, plötzlich erhöht.

Der Überdruck lässt die Wand der Nesselkapsel platzen, und treibt den mit Widerhaken versehenen, eingerollten Nesselfaden in die Haut des Beutetieres. Durch die hohle Spitze des Fadens wird anschließend ein wirksames Gift injiziert. Dieses Gift – ein Nerven- oder Zellgift – tötet oder lähmt das Opfer innerhalb kurzer Zeit.

Die meisten Quallenarten fangen auf diese Weise kleineren Planktontiere. Einzelne Arten wie die Haarquallen, Seewespen oder einige Staatsquallenarten erbeuten allerdings auch kleinere Fische. Ihr Nesselgift ist daher entsprechend wirksam.

Feuerquallen - was tun, wenn's brennt ? [3]
von Wolf Wichmann

Begegnungen mit nesselnden Quallen in Nord- und Ostsee verlaufen meist glimpflich. Ernste Gefahr für Leib und Leben besteht nicht - anders als bei einigen Quallenarten in tropischen Meeren.

Blaue- und Gelbe Haarquallen sind die einzigen Quallenarten der Nord- und Ostsee, die Menschen nesseln können. Die Wirkung ist vergleichbar mit der Verletzung durch Brennesseln. Für einen kurzen Kontakt mit wenigen Nesselkapseln sind Juckreiz, leichtes Brennen und Hautrötungen charakteristisch. Längerer und intensiver Kontakt kann auch zu Blasenbildung auf der Haut führen.
Im Mittelmeer sind unter anderem aus der nördlichen Adria schwere Vernesselungen nach dem massenhaften Auftreten der vergleichsweise kleinen Leuchtqualle Pelagia noctiluca bekannt geworden. Doch auch hier macht es die Masse. Begegnungen mit den kurzen Tentakeln einer einzelnen Pelagia- Qualle erinnern dagegen an die Berührung von Brennesseln.

Die Mittelmeer-Würfelqualle Charybdea marsupialis - auch Mittelmeer-Seewespe tritt meist einzeln in der Nähe von Hafenanlagen und Flußmündungen auf und ist eine auch gegen die Strömung schwimmende, schnelle und aktiv räuberische Art. Sie ist farblos-durchsichtig, nur 6 Zentimeter hoch und daher nur schwer zu erkennen. Ihre bis zu vier Meter langen Tentakel sind auch für Menschen äußerst gefährlich.

Eine Vernesselung durch Charybdea marsupialis - die mit der tödlichen australischen Seewespe Chironeps fleckeri verwandt ist, sehr schmerzhaft und muss ärztlich behandelt werden. Die Schmerzen können mehrere Tage lang anhalten. Das Gift kann bei entsprechend veranlagten Personen zu schweren Lähmungen bis hin zum Kreislaufversagen führen.

Relativ wenige Nesseltiere besitzen ausreichend starke Nesselzellen, um die menschliche Haut zu durchdringen oder verfügen über ein Gift, das wirksam genug ist, um ernste Verletzungen zu verursachen.

Allergiker und die empfindlichere Haut kleiner Kinder sind allerdings in höherem Maße gefährdet und müssen nach einer Venesselung möglicherweise rasch in ärztliche Behandlung. Ansonsten gilt als Erste-Hilfe-Maßnahme: Nesselfäden auf der Haut mit Essig oder Rasierschaum übergießen, um noch nicht ausgelöste Nesselzellen zu neutralisieren.

Trockenen Sand kann man VORSICHTIG über Nesselfäden streuen und anschließend mit einem entsprechenden Gegenstand von der Haut schaben. Auf keinen Fall soll Alkohol oder Süßwasser mit Nesselzellen in Berührung kommen. Noch intakte Kapseln werden dadurch ausgelöst.

Die verletzten Hautstellen können nach Entfernung der Nesselfäden mit einer Schmerz lindernden Hautsalbe behandelt werden.

Unbedingt zu Vermeiden ist eine Berührung der Augen mit Quallententakeln, daher gilt: bei Nesselquallengefahr niemals ungeschützt mit offenen Augen tauchen. Zu empfehlen ist in diesem Falle die Benutzung einer Badebrille oder Tauchermaske. Personen, die gerade genesselt worden sind, reagieren besonders empfindlich auf erneute Verbrennungen innerhalb kurzer Zeitabstände.

Werden Nesselquallen an den Strand gespült ist auch das Tragen von Badeschuhen empfehlenswert, da auch die Nesselkapseln der toten Tiere noch für mehrere Tage aktiv sind.

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