Original geschrieben von: Cheker
Viele Fragen von Userinnen blieben von Dir ja unbeantwortet, aber ich will es trotzdem mit einer Frage an Dich versuchen.

Du schreibst immer vom deutschen Rechtssystem.

Ein Kind eines Tunesiers ist automatisch ein tunesischer Staatsbürger, ob man das will, oder nicht.

Davor schützt auch nicht, dass das Kind nur einen deutschen Pass hat und nicht beim Konsulat gemeldet wird.

Fährt dieses Kind nach Tunesien, benötigt es bis zur Volljährigkeit eine schriftliche Ausreiserlaubnis des Vaters.

Ohne dies gibt es keine Ausreise!

Wie soll in einem solchen Fall denn das deutsche Rechtssystem helfen??

Bei dem Kind handelt es sich um einen tunesichen Staatsbürger,für den auf tunesichem Boden tunesisches Recht und sonst keines Gültigkeit hat!


Hallo Cheker,

vielen Dank für die Rückführung des Threads zu einer sachlichen Diskussion. Ihre Ausführung ist von der tunesisch rechtlichen Seite korrekt, so dass es hier auch kaum eine Möglichkeit für eine legale Rückführung gibt, zumal kein Abkommen mit Tunesien in diesem Bereich besteht. Allerdings mehren sich die Fälle, gerade in Tunesien, in welchen eine legale Rückführung trotz der von der beschriebenen rechtlichen Situation durch die dortigen Behörden befürwortet und sogar durchgesetzt wird. Beispiele hierfür sind z.B. wenn nachgewiesen werden kann, dass das Kind in Tunesien keine Schule besucht oder dem Kind nicht die nötige medizinische Betreuung (bei chronisch Kranken) zukommt. Hier handelt die tunesische Regierung mittlerweile häufig nach der UN-Kinderrechtskonvention welche auch von Tunesien unterschrieben wurde und stimmt einer legalen Rückführung nach Deutschland zu. Da in Tunesien Schulpflicht besteht, werden Verstöße dagegen sogar mittlerweile strafrechtlich verfolgt, zumindest in den größeren Regionen/Metropolen wie Tunis.

Das sind jetzt nur 2 Beispiele welche unter Umständen zu einer legalen Rückführung herangezogen werden können. Jeder Fall ist individuell und muss natürlich gegenüber den tunesischen Behörden belegbar sein. Ich bitte um Verständnis, dass wir hier nicht mehr Beispiele anführen können. Grund dafür ist unter anderem, dass auch die „Gegenseite“ also die Kindesentführer/-innen Webseiten betreiben in welchen solchen Kniff und deren Gegenmaßnahmen behandelt werden. So konnten wir in den letzten 2-3 Jahren feststellen, dass die Schulpflicht zumindest auf dem Papier nicht mehr oder nur noch selten verletzt wird. Gleichzeitig stellen wir bei genauerer Recherche allerdings auch fest, dass eine Vielzahl von Schulbescheinigungen schlicht gekauft waren und in der Realität die Kinder die Schule nicht besuchten. Auch das ist natürlich in Tunesien strafbar und kann zu einer „legalen“ Rückführung bei helfen.

Der andere Aspekt bleibt die „illegale“ Rückführung also die sogenannte Rückentführung. Da wie von Ihnen beschrieben das tunesische Recht grob gesagt alle Rechte an dem Kind dem Vater zuspricht, bleibt in vielen Fällen nur eine Rückentführung.
Ausschlaggebend hierzu ist, dass es sich nach deutscher Rechtsprechung um ein deutsches Kind handelt, welches Deutschland als souveräner Staat auch so in Anspruch nimmt. (Die Tunesier tun dies ja schließlich auch).

Gesetzesregelung hierzu:

1. Durch Abstammung:
Seit 01.01.1975 ist ein Kind immer im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn bei seiner Geburt die Eltern verheiratet waren und mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat.
Kinder einer deutschen Mutter, die zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht verheiratet war, sind in der Regel auch immer im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit (dies gilt seit 01.01.1914).
Bei allen anderen Fall-Konstellationen ist der Erwerb von verschiedenen Faktoren abhängig, wobei insbesondere der Zeitpunkt der Geburt wichtig ist.
Personen, die durch Abstammung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben und zusätzlich (z.B. durch den ausländischen Elternteil) automatisch noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, müssen sich weder mit 18 Jahren noch zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, ob sie Deutsche bleiben wollen. Sie können auf Dauer Mehrstaater sein.
2. Durch Geburt in der Bundesrepublik Deutschland mit ausländischen Eltern:
Seit 01.01.2000 erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn sich mindestens ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Zeiten während eines abgelehnten Asylverfahrens können z.B. in der Regel nicht angerechnet werden) und im Besitz eines gesetzlich festgelegten Daueraufenthaltstitel ist (z.B. Niederlassungserlaubnis).
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, wird bei jeder Geburt automatisch über das zuständigen Standesamt, welches auch die Geburtsurkunde ausstellt, geprüft. Personen, die durch Geburt in der Bundesrepublik Deutschland mit ausländischen Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, sind normalerweise automatisch durch die ausländischen Eltern noch im Besitz von einer oder mehreren weiteren Staatsangehörigkeit/en. Sie müssen sich mit 18 Jahren entscheiden, ob sie Deutsche bleiben wollen. Wenn ja, müssen sie die andere/n Staatsangehörigkeit/en aufgeben. Sie können nicht auf Dauer Mehrstaater sein. Für diese Personen gilt daher auch der Begriff "Options-Deutsche".

Somit bekommen sie aller Regel nach, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zugesprochen. Da das Sorgerecht nicht automatisch das AB mit einschließt bleibt dies erstmal zu vernachlässigen. Damit ist für den in Deutschland zurückgebliebenen Elternteil das tunesische Rechtssystem und deren Entscheidung völlig uninteressant, da man als deutscher Staatsbürger nicht daran gebunden ist. Relevant bleibt für sie daher die Entscheidung in Deutschland. Lassen sie nun ihr Kind Rückentführen bleibt die Angelegenheit in Deutschland straffrei, selbst wenn der tunesische Elternteil später in Deutschland wiederrum eine Strafanzeige stellen sollte. Dies ist eigentlich der Punkt, weshalb deutsche Entscheidungen so wichtig sind, denn ohne diese wird eine Rückentführung zur Straftat. Nachteil wird wohl sein, dass sie zukünftig nicht mehr nach Tunesien reisen können, da dort aller Regel nach Haftbefehl gegen sie besteht.

Die „illegale“ Rückführung bleibt ein Instrument, welches man wohl nur in der ersten Zeit nach dem K-Entzug anwenden sollte, solange noch keine Eingewöhnungsphase des Kindes stattgefunden hat. Ausnahmen hierzu bilden wohl starke Verletzungen des Kindeswohl. (Eingesperrt, keine Schulbesuche, keine Freunde und Bezugspunkte, körperliche und seelische Misshandlung etc.) Sinnvoll ist es vermutlich nicht, ein Kind, welches schon Jahre entzogen wurde wieder zurück zu holen. Hier wird das Kind wohl ein zweites Mal traumatisiert und aus einer „gewohnten“ Umgebung gerissen.

Für eine „illegale“ Rückführung bieten sich mehrere Möglichkeiten, wo ich wieder für Verständnis bitte, wenn wir diese hier nicht ausführlich beschreiben können, ich versuche es jedoch in groben Beispielen.

In aller Regel ergeht in Zusammenhang nach einer Entziehung nach §235 StgB ein internationaler Haftbefehl gegen den Entzieher, welcher natürlich vom Heimatland dessen nicht anerkannt wird. Also spart man sich diesen und beschränkt ihn lediglich auf den Schengen Raum. Sehr viele Entführer haben kein wirkliches Interesse in ihrem Heimatland zu bleiben, so dass sich oft sehr gut Möglichkeiten bei dieser Konstellation ergeben. Sagen wir mal einfach „Verlockende Falle“.

Weitere Möglichkeiten bietet auch gerne Geld. Eigentlich besteht diese Möglichkeit in fast allen Fällen jedoch mit dem Problem dass die „Preise“, zumindest in Tunesien in den letzten Jahren irrsinnig in die Höhe geschossen sind. Vor ca. 5 Jahren kam man bei guter Verhandlung mit der Familie mit ca. 6000 Euro weg, heute reicht das leider bei weitem nicht mehr aus, so dass diese Möglichkeit in Tunesien oftmals uninteressant wird. Zum Vorteil wird hier jedoch, dass der Entführer in seinem Heimatland in aller Regel als „Ernährer“ wegfällt, da er oftmals ohne Arbeit ist und die Zahlungen aus Deutschland an die Familie auch nicht mehr erfolgen. Also mehr Personen welche ernährt werden müssen und weniger die finanziell unterstützen. So entsteht ein gewisser Druck innerhalb der Familie auf den Entführer, welcher zum Vorteil ausgenutzt werden kann.

Weitere Optionen sind natürlich die Nähe zu Italien, bzw. zu Inseln welchem dem italienischen Hoheitsgebiet z.B. Isola di Pantelleria und somit dem Schengener Raum bzw. der EU unterliegen. Bitte hierzu wieder um Verständnis, wenn weitere Ausführungen ausbleiben.

Andere Möglichkeiten bestehen durch sogenannte „Passspielerreien“ und durch Bestechung.

Wie erwähnt ist jeder Fall individuell und wir möchten hier auch nicht ale Möglichkeiten aufzeigen. Die Möglichkeiten variieren auch von der örtlichen Gegebenheit. Sollte ein reeller Fall vorliegen können sie sich gerne außerhalb öffentlicher Foren mit mir in Verbindung setzen.

Grüße
Jörg


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