Das binational war wohl anders gemeint - als in Personen, die in zwei Ländern gelebt haben und sich daher beiden zugehörig fühlen.
In der Tat denke ich es auch, daß, wenn man in einem anderen Lande lebt, gar keine andere Wahl hat, als sich diesem Lande anzupassen. Um es so auszudrücken: Nur ein rechter Narr würde sich als Schaf unter lauter Kühen wohlfühlen.
Das kann sogar geschehen, ohne seine gesamten Vorstellungen von Moral über Bord zu werfen, allerdings ist es da noch die Frage, wieviel davon wirklich Moral und wieviel nur angelernte Verhaltensweisen sind.
Und wer dazu bereit ist, über seinen eigenen Schatten zu springen, der kann sogar zwei Moral-Sätze parat haben, einen für das eine, und einen anderen für das andere Land, denn prinzipiell gibt es so gut wie keinen "Moralgrundsatz", der nicht abhängig von der umgebenden Gesellschaft ist - und ob jemand damit "seine Identität" verliert, ist zweifelhaft, denn er erweitert sie, im Gegenteil, um den Inhalt einer zusätzlichen.
Andererseits wird derjenige dann, in diesem Moment, aber auch erkennen, daß die Moral an sich etwas objektiv gesehen ziemlich beliebiges ist und sich womöglich dazu entscheiden, eine eigene Moral zu entwickeln und vertreten, die weder mit der des einen, noch mit der des anderen Landes identisch oder auch davon auch nur vorwiegend geprägt ist.
Im Gegensatz dazu wird aber der, der Angst davor hegt, "seine Identität" zu verlieren und sich unbedingt einer bestimmten Gruppe und bestimmten regeln zugehörig fühlen will oder muß, verbissen an dem festhalten, was er kennt - und das führt dann zu Parallelgesellschaften bzw. Enklaven.