...Ich bekomme sowieso langsam den Eindruck, dass es sich bei Tunesiern und deren Familien aus der Animationsbranche um andere Wesen handelt oder es wird hier nicht bei der Wahrheit geblieben.Anders kann ich es mir nicht erklären. Sämtliche Beispiele, die hier aufgeführt werden, habe ich nie erlebt oder sind wirklich extreme Ausnahmefälle!...

Genau ist es ja auch. Mir ist z.B. aufgefallen, daß viele Personen aus dem Großraum Tunis irgendwie die Verbindung zum Land verloren haben, denn so, wie dort vielfach gedacht und gelebt wird, wird weder in Sfax (nun ja, das ist noch eine Sache für sich...), noch in Gafsa, noch in Kairouan, Beja oder Sousse gedacht und gelebt. Da gibt es einen riesigen Unterschied zwischen Tunis und dem Rest von Tunesien. Und ebenso groß ist der Unterschied zwischen traditionell-konservativ denkenden und vermeintlich modern-westlich denkenden Gruppen (wozu die meisten Tourismus-Arbeiter gehören). So gesehen gibt es in Tunesien 3, eigentlich sogar 4 (Mitte und Süden sind auch noch mal unterschiedlich) große Gruppen, die sich irgendwie selbst untereinander nicht mehr richtig verstehen, die aber alle für sich in Anspruch nehmen, das tyische Tunesien zu repräsentieren.

Wie gering die Bodenhaftung bei einigen ist, zeigt das Beispiel der jungen Dame von 20 aus begüterter Familie, mit der ich mich über Lebenshaltungskosten unterhielt, und die angab, pro Monat 1500 Dinar für Kleidung Friseur, Benzin, etc. zu benötigen - wozu sie auch extra eine Kreditkarte vom Vater hat. Diese Dame sagte auch, sie würde niemals aus Tunesien wegwollen, denn sie hätte alles was sie will und könnte sich alles (und damit meinte sie nicht nur Gegenstände) kaufen, was sie wolle. Solche Menschen leben in einer Parellelwelt, ebenso wie es am anderen Ende der soziale Skala die "Miserables" tun.
Und ebenso, wie sich jemand aus traditionellem Hause aus dem Binnenland nicht vorstellen kann, was Bezness mit Europäern ist, oder wie "respektlos" es auf den Straßen der Touristenzonen zugeht (gemeint sind die tunesischen Männer unteren Niveaus), kann sich ein im Tourismus arbeitender Mensch nicht mehr vorstellen, selbst so zu leben, wie es seine traditionellen Eltern noch tun.
Die tunesische Gesellschaft hat Risse, die kreuz und quer durch sie hindurch laufen und die derzeit die zunehmende Selbstorientierung auf die eigenen Gruppen (s.o.) zum Resultat hat (was ja auch in der industriellen Gesellschaft im Westen so geschehen ist, und was gerade jetzt in noch veschärfter Form wieder geschieht). "DAS" Tunesien gibt es insofern ebensowenig, wie "DAS" Deutschland, sondern nur das Tunesien, das der eigenen Gruppe nahesteht bzw. das man romantisch idealisiert - ebenso, wie es auch in Deutschland mit Begriffen wie "Zucht" und "Ordnung" und "deutscher Leitkultur" geschieht.
Die Zeit aber, die ist schon lange weitergelaufen, da ist nichts mehr, wie es war und da wird auch nichts so bleiben, wie es jetzt ist, und ob das "Fortschritt" ist, daran darf gezweifelt werden, es ist wohl eher "Evolution".