In dem Tunesien Rapid Forum (oder so) hab ich folgendes gelesen, kopiere es gleich mal hier her:
Darfich euch im Zusammenhang mit Kindern aus bikulturellen/bireligiösenBeziehungen hier etwas reinstellen? Es ist (in der Entwurfsphase!) einAuszug aus meinem zweiten Buch :-))) das bekanntlich nächstes Jahrherauskommen soll ...
Ihr dürft ruhig auch kritisch kommentieren (wie immer!).
Amor
KINDER
Kinder – das ist ein Thema, das viele Beziehungen gehindert hätte,wenn es am Anfang der Beziehung angesprochen worden wäre. EineUnvereinbarkeit der Wünsche kann offensichtlicher nicht sein. Trotzdemlässt man dieses Thema beiseite, bis es zu spät ist.
Gleichkulturelle Ehen erleben ihre ersten wichtigen Krisen erstmit dem ersten Kind. Multikulturelle Ehen haben diese Krise schon beimErwähnen des Kinderwunsches eines Partners. Denn dann kommen auf einmal Fragen auf wie etwa die Namen der Kinder. Hier entsteht eineDiskussion, die oft abgebrochen werden muss, bevor sie beendet ist. Erwill auf keinen Fall europäische Namen. Sie will keine arabischen! Endeder Diskussion. Darüber schlafen.
Was ist denn eigentlich das Problem mit den Namen? Ist es wirklichso, dass ein junger Tunesier glaubt, seine Kinder würden eines Tagesnach Tunesien zurück gehen und dort in die Schule gehen? Ist es darum,dass er ihnen tunesische Namen geben will? Um ihnen Diskriminierung undKomplexe zu ersparen? Wahrscheinlich nicht. Denn kaum ein Tunesier gehtnach ein paar Jahren mit seinen Kindern nach Tunesien zurück. Dieallerwenigsten Mischehen entscheiden sich für Tunesien. Die absoluteMehrheit bleibt in Europa, und viele Tunesier werden hier alt. DieDiskriminierung und das Abstempeln als Ausländer entsteht eher, wenndie Kinder mit arabischen Namen in Europa leben.
Also das Argument mit der Heimkehr der Kinder hält nicht.
Es ist eher, weil seine Familie es nie akzeptieren würde, dieKinder mit europäischen Namen anzusprechen. Und damit ist nicht nur derenge Familienkreis gemeint. Sogar am Zoll werden Kinder miteuropäischen Namen von oben herab gefragt, wieso sie denn Tunesierseien und keine arabischen Namen haben. Also auch hier entstehenMöglichkeiten für Komplexe, Tränen und Wut. Ein Dilemma.
Doppelnamen als Kompromiss? Fritz-Moncef Ben Abdallah-Müller löst das Problem kaum.
Ist es einfach die Tradition, die vermeintlich verlangt, dass derVater die Namen bestimmen soll? Das ist nicht mehr ganz so wahr, auchin Südtunesien vergeben die Mütter die Namen ihrer Kinder.
Bis jetzt hat das verliebte Paar erst über die Namen diskutiert.Noch gar nicht über die Religion, die Sprache, die Beschneidung beieinem Jungen, die Kleidung und den Diskobesuch bei einem Mädchen. DieseThemen sind lauter Fallen, aus denen man sehr schwer heraus kommt.
Darum redet kaum ein Tunesier über Kinder mit seiner Touristin. Und kaum eine Europäerin schneidet das Thema freiwillig an.
Leider gibt die Europäerin vordergründig allem nach. Sie ist mitallen Vorschlägen ihres angebeteten Tunesiers einverstanden. Vorerst.Nach dem Motto: „Es ist ja noch nicht so weit.“
Der Tunesier wird immer versuchen, seine Kinder nacharabisch-islamischen Prinzipien zu erziehen. Das heisst für die Jungsdie Beschneidung, für die Mädchen Zurückhaltung mit Kleidung undanderen weiblichen Reizen. Es ist absolut kein Irrtum. Er ist sicher,dass seine Tochter eines Tages einen Tunesier heiraten wird. Dieserwird sie oft nur heiraten wollen, wenn sie Jungfrau ist und kein„leichtes“ Mädchen. Das hingegen ist der Irrtum, den viele Tunesiermachen. Ihre Töchter sind zwar begehrt, aber auch nur aus den Gründen,die ja bekannt sind… Tunesierinnen, die im Ausland leben und dort eineAufenthaltsbewilligung sind die zweitbeliebtesten Partnerinnen fürTunesier, nach den Touristinnen.
Was die Jungs betrifft, so werden sie auch von ihren Cousinen undanderen heiratswilligen verwandten Mädchen begeht. Doch kaum einesolche Partnerschaft kommt zustande. Die Auslandtunesierinnen könnensich einen typischen Tunesier als Ehemann nicht vorstellen, denn siehaben inzwischen einiges zwischen ihrem Vater und ihrer Mutterbeobachten können. Gelegentlich werden sie gezwungen, und dann sind dieTragödien vorprogrammiert. Mancher Vater hat nachträglich um seineDummheit geweint, weil er dem Druck seiner Familie nachgab...
Und noch seltener sind Ehen zwischen Auslandtunesiern undTunesierinnen. Die Jungs haben in der Regel in Europa schon Erfahrungengemacht, interessieren sich nicht für ihre Cousinen und können sich, imGegensatz zu ihren Schwestern, gegen den Vater durchsetzen.
Kinder von binationalen Ehen, zwischen Moslems und Christinnen,wachsen oft ohne Glauben auf. Es ist nicht genug, einen Sohn zubeschneiden und ihn zum Fasten zu überreden. Er ist dann noch langekein Moslem. Welcher Vater hat denn schon den ganzen Koran gelesen undeinigermassen verstanden? Welcher Vater ersetzt die Koranschule inTunesien, den Imam, die ganze Gesellschaft rund um ein Kind? Oft istder Vater so sehr beschäftigt, dass er nicht ein mal mit seinem Sohnoder seiner Tochter über seinen Glauben ausführlich spricht. Er gehteinfach davon aus, seine Kinder seien Moslems, weil er es jaschliesslich auch ist. Er wird es daher unter keinen Umständenakzeptieren, dass sie in den Religionsunterricht gehen.
Und doch kann er ihnen keine Idee über die Entstehung des Glaubens,die verschiedenen Religionen, die Glaubens- und Religionsgeschichtevermitteln. Sie werden auf dem Papier als Moslems geführt, haben abernicht die geringste Ahnung, was das ist. Sie nehmen oft die europäischeHaltung zum Islam, sie argumentieren wie ihre Freunde aus der Schule.Und sie verstehen gar nichts, wenn sie zu Hause in Tunesien irgendwelche Rituale wie eine echte Beschneidung, das Schlachten, eineBeerdigung sehen.
Der tunesische Mann steht auch da wieder vor einem Dilemma, mit demer nicht gerechnet hatte: schickt er seine Kinder in denReligionsunterricht, dann werden ja Christen aus ihnen, das könnte ermit sich und vor allem seiner Familie nie vereinbaren. Schickt er sienicht, dann werden sie zu Aussenseitern und von ihren Freunden oftdiskriminiert. Der Vater bildet sich immer noch ein, seine Kinderwerden eines Tages wieder nach Tunesien zurück gehen. Diese Spekulationist es, die so viele Kinder aus christlich-islamischen Ehen zuGlaubenslosen macht. Eines Tages sind sie zwanzig, haben eine geringeAhnung über den Islam, gerade so viel wie ihr Vater ihnen in seinerknappen Zeit übermitteln konnte. Sie haben auch keine Ahnung vomChristentum, weil sie jedem Gespräch mit Freunden aus dem Weg gehen,mangels Wissen für eine Diskussion.
Die Kinder werden nicht nach Tunesien zurück gehen. Sie werden alsPapiermoslems in einerchristlich-jüdisch-islamisch-buddistisch-ateistischen Welt leben, vonder sie keine Ahnung haben! Sie werden weder ihren eigenen Glauben,noch den ihrer neuen Landsleute in sich tragen. Und die Frage, die sichjeder islamische Vater stellen müsste: Was ist besser, gar keineReligion zu haben oder Christ zu sein! Die meisten islamischen Väterwerden es nie zulassen, dass ihre Kinder in den Religionsunterrichtgehen oder gar in die Kirche. Viele unter ihnen – den Vätern – gehenweder in eine Moschee, noch halten sie sich an die Grundregeln desIslams. Sie trinken, sie spenden nie, sie beten nicht. Und trotzdemwürden sie es für ein enormes Versagen ansehen, wenn ihre Kinder nichtMoslems sind. Warum? Wir wollen ganz einfach nicht das Gesichtverlieren, wenn wir in unserer Heimat gefragt werden, ob die Kinderdenn auch richtige Moslems sind. Oft ist es nicht ein mal eine Frage,sondern eine Feststellung eines Onkels, einer Cousine, eines Nachbarnoder gar eines Zollbeamten, die lediglich bestätigt werden sollte. Undda meistens unsere Kinder gar nicht dabei sind, so lügen wir, was dasZeug hält: „Natürlich sind sie Moslems, ich lasse doch nicht zu, dasssie Christen werden!“
Wehe uns vor Gott für diese Lüge!
Mein lieber Landsmann
Kinder, das ist das Einzige, was ein Mensch nach achtzig Jahrenhinterlässt. Alles Andere ist vergänglich! Und wenn du Millionenerwirtschaftest, so ist das nicht ein Tausendstel der Verantwortung,die du hinterlässt, wenn du in Europa Kinder auf die Welt bringst.Einerseits wirst du dein Leben lang unter Druck stehen: entweder vondeiner ursprünglichen Familie, die dich kritisiert, oder von deinerneuen Familie, die dich kritisiert. Andererseits wirst selber niewissen, was richtig ist, denn du warst zu lange in deinerarabisch-islamischen Welt zuhause und zu wenig lang in dieser neuen,modernen, sekulären Welt, wo die Religion nicht die gleich grosse Rollespielt, wie bei uns!
Auf der anderen Seite: was ist ein Leben ohne Kinder? Natürlichkönntest du mit deiner europäischen Frau ein kleines Schloss inTunesien bauen, natürlich könntest du drei Autos besitzen, natürlichhättest du grenzenlose Freiheit und kaum Einschränkungen. Diedauernden, aufdringlichen Fragen deiner Mutter und deiner Schwester:„Ist sie denn noch nicht schwanger?“ musst du entweder mit einer klarenStellungnahme ein für alle Male beantworten oder aber dich mit deinereuropäischen Partnerin in einer langen, ernste Diskussion bereden:Kinder bekommen ist leicht, aber sie sind oft der Grund von Zerrüttung,schon in gleichkulturellen Beziehungen!