...Nun ich hab mich dazu entschlossen zu konvertieren und deshalb verstehe ich diesen Wiederstand hier nicht.Ich hatte eher so wie von Dir mit ein paar aufbauenden Worten gerechnet...

Ich denke, daß ich das erläutern kann. Obwohl eine ganze Reihe Personen im Forum zum Islam konvertiert sind - unterschwellig besteht da immer die Frage, ob man das richtige getan hat, denn der Auslöser dazu war in so gut wie allen Fällen eine Beziehung und nicht das aus sich selbst gewachsene Interesse an einer anderen Religion. Zudem verhält es sich so, daß quasi grundsätzlich eine Konvertierung nur in einer Richtung erfolgt, und das wird, auch wenn es nicht ausgesprochen wird, durchaus "innerlich" als ungerecht bzw. unflexibel wahrgenommen. Und schließlich ist natürlich mittlerweile auch der Erfahrungsgrad mit dem Islam, vieler Forumsmitglieder, kovertiert und nicht, sehr hoch und viele haben gelernt bzw. erkannt, daß Religion dieser oder jener Form sehr viel mit Hokuspokus, Abgrenzung und unnatürlicher Differenzierung zu tun hat. Der Pfad zwischen Rassismus, Supremitätsdenken und Religion ist sehr, sehr schmal.

Damit will ich (und das ist jetzt kein politisch korrektes Statement) nicht diejenigen angreifen, die wirklich überzeugt einem bestimmten Glauben anhängen - wer das tut, der hat sich dazu frei entschieden und sehr wahrscheinlich lange damit auseinandergesetzt und das verdient zumindest Toleranz. In den meisten Fällen aber handelt es sich um ein "halb gezogen, halb niedergesunken" und eine Konvertierung aus "humanitären" Gesichtpunkten und das letztere ist es, was ich zwar verstehen, jedoch nicht gutheißen kann. Bei mir persönlich spielt da, ebenso wie bei anderen Forusmmitgliedern, eine reichhaltige eigene Erfahrung hinein.

Nach dem, was bisher gesagt wurde, kann ich (wir) nicht davon ausgehen, daß Du zur Gruppe der "Sucher" gehörst, die den Halt in der "richtigen" Religion suchen und den Weg dorthin voller Interesse und Hinwendung gegangen bist, sondern daß die Konvertierung vielmehr sicherstellen soll, eine Ehe in Tunesien zu registrieren (anerkennen) zu lassen und in der Folge eventuelle Probleme mit der Familie der Frau zu umgehen. Ich sage Dir - das wird nicht helfen, denn wenn sich ein Widerstand in der Familie geformt hat, der auf zutiefst traditionellen Vorstellungen beruht, geht es um mehr als die pure Religionszugehörigkeit. Zwar kann man durch eine Konvertierung zunächst formale Vorbehalte aushebeln, doch schon mittelfristig werden dann weitere Forderungen und Erwartungen auftauchen, die sich als "alles nur nach dem Willen der Familie" zusammenfassen lassen. Zwar kann man versuchen, diesen Weg zu gehen und zu hoffen, daß man Änderungen im Denken der anderen anschließend einfacher anstoßen kann, doch nach aller Erfahrung ist das ein Trugschluß. Wer sich in einer extrem konservativen Umgebung (auch im Denken) befindet, für den ist Religionszugehörigkeit nur eine "conditio sine qua non", also eine minimale Notwendigkeit, aber keine hinreichende Bedingung in genereller Hinsicht, da stehen weitere Probleme bereits in den Startlöchern, die u.a. das tägliche Leben umfassen und sich auch in Erwartungen auf das Familienleben erstrecken werden. "Religion" ist in so gut wie allen Fällen nur eine äußere Klammer, die die Dinge zusammenhält, im Detail verbergen sich darunter ein ganzes Bündel anderer Motive und Denkweisen.

Eine Konvertierung ist also, sozusagen, nur ein Tentakel des Tintenfischs - aber es ist der erste und am leichtesten greifbare, weil er formal definierbar ist. Es muß jedoch generell die Frage aufgeworfen werden, ob eine Konvertierung zu einer Religion, deren strikte Befolgung im Konflikt zu demokratischen und menschenrechtlichen Postulaten steht, für einen Menschen, der in einem Dar Al Dawa/Al Harb, also in einem nicht-islamisch regierten Staat, aufgewachsen ist und lebt, sinnvoll ist, oder nicht vielmehr einen Beitrag zur Entsolidarisierung mit der Gesellschaft, in der man lebt, darstellt (völlig unabhängig von den inneren Glaubensinhalten, denn Islam ist nicht "nur" eine Religion, sondern eine Ideologie).