...das ist doch eine Lachnummer und die nimmt kein Schwein so ernst wie du es interpretieren willst...
Der zugrundeliegende Mechanismus jedes verbalen Angriffes ist ja der, das man darauf reagiert und dem Angreifer dann noch mehr Gründe und Munition für das Fortsetzen liefert. Reagiert man jedoch gar nicht, oder umkekehrt zur Erwartung, verliert entweder der "Angreifer" das Interesse (wer redet schon gerne mit sich selbst) oder aber, analog zur Entgegnung, es steigert seinen Ärger, doch er findet eben keinen Einhakpunkt zur Eskalation (in Deutschland hat sich dagegen der "Was guckst Du mich so an"-Angriff etabliert, der eine weitere Eskalation erlaubt, dies ist in Tunesien nicht so).
Natürlich funktioniert dies nicht in allen Fällen, je nach Situation ist es hilfreicher, den strategischen Rückzug anzutreten, die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen oder gleich zuzulangen - was aber in keinem Falle etwas bringt, ist es, eine Diskussion zu beginnen.
In den meisten Fällen ist es auch so, daß da eher eine große Klappe da ist und nichts dahinter steht - das ist auch bei Jugendlichen in Deutschland oft so, wenn man sich den Wortführer aus einer Gruppe herausgreift und ablascht, dann sind die anderen meist schneller verschwunden,als man gucken kann.
Als Europäer in Tunesien gibt es allerdings einige Spezialitäten zu beachten - so stößt man zum einen permanent auf Leute, denen es nur an Provokation gelegen ist. Geht man darauf ein, entwickelt sich eine endlose Diskussion ohne jedes Ergebnis und man vertut seine Zeit quasi für nichts und wieder nichts. Schlägt man gleich zu und der falsche (Polizist...) sieht es, dann ist der Urlaub zu Ende, womöglich sogar auf Jahre hinaus das Land gesperrt. Läßt man den anderen zulangen, kommt der zwar dafür in den Bau (Touristen anzugreifen wird besonders hart betraft), aber man selbst hat ein blaues Auge, das ist also auch nicht unbedingt erstrebenswert.
Ich hatte dann mal eine Methode ausprobiert, die in Deutschland schon lange nicht mehr gut funktioniert, in Tunesien aber erstaunlich gut: wird gestarrt, etwa im Cafe, habe ich laut gefragt, ob derjenige gerne ein Photo möchte, in allen Fällen, ausnahmslos, war anschließend Schluß mit dem Anstarren, meist erhielt ich sogar noch die Antwort "Nein" <g>. Bei dummen Kommentaren hat es sich bewährt, den anderen anschließend anzustarren, auch das hilft erstaunlicherweise, denn in nicht einem Fall war dem anderen an einer Eskalation gelegen, sitzt die Person etwas entfernt, bin ich sogar öfters demonstrativ nahe vorbeigelaufen und habe ich angeschaut. In Deutschland hätte man schon lange den oben genannten Satz gehört bzw. die Situation wäre eskaliert.
Vor einigen Wochen sitze ich auf einer Bank mit einem Mädchen, und vorbei kommt ein Pferdewagen von dem herunter 4 junge Männer dumme Bemerkungen machen. Ich stehe also auf und rufe ihnen zu, sie sollten einfach mal anhalten und herkommen - tun sie aber nicht. Kurze Zeit später laufen wir dann los und finden den Wagen vor einem Shop, die Männer stehen herum. Ich komme näher, gucke jeden eindringlich an und warte auf eine Gelegenheit, doch nichts passiert, kein Wort und keine Geste. Würde man da jetzt beginnen, rumzulamentieren, was würde es bringem, außer einer zeitraubenden Diskussion ohne Ergebnis? Also beschränkt man sich auf einige abfällige Blicke und Körpersprache - und das hilft in der Tat, denn beim nächsten Treffen gibt es keine Bemerkungen und kein Gestarre mehr.
Ich bin bislang mit diesen Methoden noch jedesmal weitergekommen, und ich gehe wirklich an jeden Ort und zu jeder Zeit.
Allerdings - und das ist eine alte Weisheit, die in bald jedem Land der Erde gilt, es gibt auch "Opfertypen", die ständig Probleme haben, Art des Augenkontaktes, Körperhaltung, Gestik, Körpertyp, selbst die Haarfarbe sind psychologisch wirksame Signale und determinieren in den weit überwiegenden Fällen schon im Vorfeld, ob es zu einem Streit kommen wird, oder nicht.
In jedem Falle aber, und insofern bekräftige ich das, was ich früher geschrieben habe, ist die körperliche Auseinandersetzung in den meisten Fällen weder notwendig noch erfolgversprechend oder eine effektive Methode der Konfliktbewältigung. Langfristig gewinnt nicht derjenige an Rang, der am besten zuschlägt, sondern derjenige, der die größte Souveränität zeigt. Dies schließt jedoch, wie gesagt, eine Eskalation im speziellen Einzelfall nicht aus, doch das "ständige unter Strom stehen" ist eindeutig die schlechteste und langfristig die am wenigsten effektive Strategie.