Lügen? Oder eher eine läßliche Wahrheitsverbiegung?
In Tunesien sind kleiner Unwahrheiten absolut an der Tagesordnung, und selbst, wenn andere diese entdecken, redet niemand drüber. Und es ist, nach meiner Erfahrung, hier wirklich die Frage, ob derjenige, der die Unwahrheit sagt, das überhaupt selbst als "Lüge" begreift, in den meisten Fällen folgen dann nämlich wortreiche Erklärungen warum man dies und jenes gesagt und getan hätte und wenn man sich mit der (zumindest für mich) verqueren und skurillen Logik einmal tiefer auseinandersetzt, dann kann man darin tatsächlich Elemente erkennen, die den Verdacht nahelegen, daß derjenige sich gar keiner Schuld bewußt ist - und sich im Gegenteil darüber wundert, wieso man ihm Vorwürfe macht.
Ich weiß noch nicht einmal, ob es sich da nicht um ein unbewußtes Spiel in der Gesellschaft handelt, in dem man konstant ausprobiert, wie gut die anderen im Aufdecken von kleinen Schwindeleien sind - und man selbst grundsätzlich jeder Aussage von anderen erst einmal mißtraut (das ist z.B. definitiv der Fall).
Nach unseren Maßstäben, nach unserem Wahrheitsverständnis ist das kaum hinzunehmen oder zu entschuldigen, doch wer in einer anderen Gedanken-Welt aufwächst und sozusagen sein Leben lang mit diesen Erfahrungen lebt, der denkt anderes darüber.